Der böse Blick ins Depot. Was ist das überhaupt bzw. was hat es mit dem bösen Blick ins Depot auf sich? Warum sollten wir uns vor übermäßigen Blicken ins Depot hüten? Und was können wir dagegen unternehmen, wenn die Verlockung ins Depot zu blicken allzu groß ist? Darum geht es in dieser Ausgabe.
Hier geht es zum Podcast:
Der böse Blick beschreibt einen jahrtausendealten Glauben, der in vielen Kulturen vorkommt.
Er bedeutet, dass jemand durch Neid oder durch schlechte Absichten Unheil über uns bringen kann, eben wenn er oder sie den bösen Blick auf uns richtet. Dabei kann es absichtlich oder auch unbewusst geschehen, dass neidische Gedanken Dritter uns schaden.
Da erinnern wir uns an Folge 25 Jeder spielt sein eigenes Spiel. Neid kann daher rühren, dass man sich übermäßig mit anderen vergleicht. Neid ist trügerisch. Denn egal wie viel man hat, es gibt einen, der mehr hat.
Nach dem Glauben des bösen Blicks nimmt der beneidete Schaden.
Ihm oder ihr droht Unheil. Auf die eigenen Finanzen, das eigene Depot, Aktien und ETFs angewendet, da existiert der böse Blick nicht nur nach außen, also beim Vergleich mit und der Betrachtung von anderen Menschen und ihrem Besitz.
Sondern der böse Blick gilt ebenso nach innen. Also wenn wir übermäßig auf unser Depot schauen und wenn wir fast obsessiv auf die Entwicklung der Börsenkurse blicken.
In Zeiten von Smartphones und Finanz-Apps ist die Entwicklung der Börsenkurse und die Performance des eigenen Depots immer nur einen Klick entfernt.
Technologie hat es enorm vereinfacht, ein Depot zu eröffnen, eine Aktie zu kaufen oder einen ETF-Sparplan abzuschließen. Wir können ebenso kinderleicht und zu jeder Tageszeit die aktuellen Kurse sehen und prüfen, wie unsere Wertpapiere stehen.
Das ist Licht und Schatten.
Geldanlage und Investieren wurde in den letzten Jahren einfacher, transparenter und preiswerter. Es wurde also demokratisiert und steht heute nahezu jedermann offen.
Gleichzeitig ist “always on”, der permanente Zugang zu den aktuellsten Informationen, auch eine große Versuchung, die nicht zwingend zu unserem Vorteil ist.
Wenn Du jeden Tag Dein Portfolio checkst, dann kann es passieren, dass Du Dich von der kurzfristigen Entwicklung verrückt machen lässt. Dass Du den Blick fürs große Ganze verlierst und dass Du dazu neigst, kurzfristige Entwicklungen überzugewichten. Das ist gerade in turbulenten Zeiten ein Problem. Also wenn die Märkte stark schwanken oder wenn die Kurse mal absacken. Stichwort Folge 2: Wenn die Börsen beben.
Langfristig haben sich die Aktienmärkte insgesamt historisch betrachtet positiv entwickelt. Für einzelne Aktien muss das nicht gelten und zwischenzeitlich kann auch der Gesamtmarkt eine Schwächephase haben.
Da ist der permanente Blick ins Depot vergleichbar mit hektischen Finanznachrichten. Da ist immer Bewegung drin. Da ist es nie langweilig. Aber der Blick ist meist auch nur auf den Moment gerichtet und das ist für Dich nicht wirklich hilfreich, wenn Du langfristig investierst.
Nicht viel und nicht übereilt handeln.
Stichwort Folge 19: Das wichtigste Wort an der Börse lautet NEIN, also nicht viel und nicht übereilt handeln. NEIN zu sagen bedeutet, Dich zu fokussieren und wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen.
Wenn Du aber jeden Tag Dein Depot checkst, dann kann Dich das in Versuchung führen, auf die stetigen Kursschwankungen zu reagieren und aufgrund kurzfristiger Entwicklungen zu handeln.
In Folge 1, da habe ich über die ersten Schritte der Geldanlage besprochen. Du machst Dir Gedanken über Deine finanzielle Situation und über Deine Ziele, Du stellst ein monatliches Budget, Du definierst Deine Sparquote und vielleicht startest Du dann einen ETF-Sparplan. Dann wären die ersten Schritte der Geldanlage gegangen. Und wenn Du einen langfristigen Zeithorizont hast, dann musst Du hier erstmal nicht aktiv werden.
Doch gerade Einsteiger erliegen der Versuchung sehr häufig, mitunter jeden Tag ihr Depot zu checken.
Das ist im Prinzip nichts Schlimmes. Das ist auch aufregend zu beobachten. Es ist ebenso natürlich, dass man darauf hofft, dem Depot beim Wachsen zuzusehen. Und es ist ja auch ein gutes Zeichen, wenn man ein gesundes Interesse an seinen Finanzen hat.
Aber es lauern halt auch Gefahren. Weil vielleicht bleibt es nicht beim “einfach mal schnell das Depot checken”. Das Problem sind unsere Emotionen und unser Verhalten.
Und gerade wenn es an der Börse wild zur Sache geht, dann kann das Checken des eigenen Depots auch zwanghaft werden. Und wenn Du in einer breiten Abwärtsbewegung der Märkte jeden Tag siehst, wie Dein Vermögen schrumpft, dann schaust Du da vielleicht nicht unemotional drauf.
Dann hast Du nicht den kühlen Blick und witterst nach gründlicher Analyse günstige Einstiegskurse. Sondern Du siehst nur den eigenen Verlust. Der schmerzt und der kann einen übereilten und objektiv nicht gerechtfertigten Verkauf eines Wertpapiers provozieren.
Gegenläufig kann es passieren, dass Du eine Aktie beobachtest, die Du noch nicht besitzt.
Du siehst jeden Tag, wie der Kurs steigt und steigt.
Vielleicht wird auch noch im Bekanntenkreis oder auf Social Media damit geprahlt, welche Kurssteigerungen andere bereits mit dem Wertpapier erzielt haben. Und dann kann es passieren, dass Dich FOMO ereilt, also fear of missing out, auf deutsch die Angst etwas zu verpassen, über die ich in Folge 10 gesprochen habe.
Und es kann passieren, dass Du unüberlegt die Aktie kaufst, nachdem sie schon gut gelaufen ist, nachdem ein Gros der Kursgewinne schon erzielt wurde und Du kaufst ohne Dich hinreichend mit der Aktie bzw. dem zugrundeliegenden Unternehmen beschäftigt zu haben.
Gerade Börsenneulinge sollten hier aufpassen, dass sie ob der steigenden Kurse kurzfristig sowie unüberlegt kaufen und dabei ihre eigentliche Anlagestrategie über Bord werfen.
Wie oft solltest Du Dein Depot nun checken?
Die einfache Antwort lautet: gar nicht. Da sind wir bei André Kostolany aus Folge 8 über das böse Wort der Rezession. Der sagte etwas augenzwinkernd:
Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich.
Also anders ausgedrückt: Wenn Du einen langfristigen Zeithorizont und ein breitgestreutes Portfolio hast, dann gibt es gar keine Notwendigkeit, dauernd in Dein Depot zu gucken.
Langfristiger Zeithorizont meint mindestens zehn Jahre, eher länger. Und breitgestreut meint wirklich breite Marktsegmente, die Du zum Beispiel mit ETFs abdecken kannst und nicht einzelne Aktien.
Nicht dauernd ins Depot zu gucken, das ist eine sehr rationale Sicht. Wir Menschen sind aber nunmal emotional, zumal bei Fragen des Geldes.
Wenn man das Thema etwas differenziert betrachtet, dann gibt es keine eiserne Regel. Manche sagen einmal im Jahr oder einmal im Quartal. Dann könnte man das Depot zum Beispiel hinsichtlich der eigenen Pläne etwas umschichten, vielleicht weil ein ETF aufgrund starker Performance nun höher gewichtet ist, als man das eigentlich möchte. Oder man passt den eigenen Sparplan nach finanziellen Ereignissen wie einer Gehaltserhöhung an.
Was kannst Du tun, wenn Du den Drang verspürst, doch öfter in Dein Depot zu sehen?
Vielleicht hilft es Dir, wenn Du Dir ein klares Regelwerk erstellst, zum Beispiel, dass Du immer zum Ende des Quartals einen Blick wagst, Du aber abseits für Dich klar definierter Investitionsregeln nicht aktiv wirst.
Du könntest ebenso definieren, unter welchen Bedingungen Du in Dein Depot guckst und was gegeben sein muss, damit Du tatsächlich aktiv wirst und wie. Ein mögliches Beispiel wäre, dass Du in einem jährlichen Intervall Dein Depot checkst und wenn ein ETF stark über- oder untergewichtet ist, dann nimmst Du eine Anpassung vor.
Natürlich gibt es Wertpapiere oder Anlagestrategien, die einen kurzfristigen Zeithorizont haben oder wo man die Kurse regelmäßig checken muss. Da bewegen wir uns aber in einem Fahrwasser, was wirklich nur für Fortgeschrittene und für die meisten Anleger nicht relevant ist. Ein Beispiel ist das Investieren in Einzelaktien.
Dazu noch eine Idee:
Falls Du etwas Geld in Einzelaktien anlegen möchtest, dann könnte eine Möglichkeit zum Einstieg sein, erstmal bei einem Finanzportal ein Musterdepot zu eröffnen und dort fiktiv Wertpapiere zu kaufen und zu verkaufen. So kannst Du erstmal ein Gefühl für Kursbewegungen und die Märkte entwickeln, ohne eigenes Geld zu riskieren.
Und wenn Du zum Beispiel eine langfristige Investmentstrategie mit ETFs verfolgst, dann rechtfertigt der kurzfristige Blick ins Depot nicht zum Handeln. Vielleicht gelingt es Dir, Dich zu disziplinieren, vielleicht fällt Dir das schwerer.
Vermutlich weißt Du das erst so richtig, wenn der Ernstfall eintritt.
Aber wenn Du andauernd Dein Depot checkst und wenn Du dann auch noch dazu neigst aktiv zu werden oder wenn Dich die Kursbewegungen emotional mitnehmen, dann könntest Du entsprechende Börsen- oder Trading-Apps von Deinem Handy verbannen und das Passwort zu Deinem Online-Broker speicherst Du nicht auf Deinem Handy oder Computer.
Abseits von Zwang, kurzfristigem Handeln oder emotionaler Aufgewühltheit ist es meiner Meinung nach nicht tragisch, wenn Du regelmäßig ins Depot schaust. Also vielleicht monatlich oder ein paar Mal im Monat.
Ehrlich gesagt: Ich persönlich gucke auch öfter in mein Depot.
Vielleicht öfter als ich eigentlich sollte. Aber bis dato konnte ich dem Drang widerstehen, aufgrund der jeweiligen Momentaufnahme zu handeln. Und auch während stärkerer Abwärtsbewegungen, wie zum Beginn der Corona-Pandemie, hatte ich nicht das Gefühl, dass mich das emotional fertig macht.
Ich mache mir bewusst, dass mein Blick ins Depot nicht dazu dient, etwas zu bewirken. Was zählt ist meine Anlagestrategie. Die ist langfristig und die lasse ich mir nicht von kurzfristigen Entwicklungen diktieren.
Und mein angespannter Blick ins Depot wird sich auch nicht auf die Kursbewegungen auswirken. Da sagt der Stoiker in mir, dass ich mich nicht über etwas aufregen möchte, wenn meine Aufregung überhaupt keine Auswirkung auf das Ergebnis hat, sondern nur auf mein Wohlbefinden.
PS: Das Titelbild ist in Kolumbien entstanden.