Das wichtigste Wort an der Börse

Vermögensaufbau

Das wichtigste Wort an der Börse lautet nicht etwa Aktienkurs, Quartalszahlen oder Umsatzwachstum. Das wichtigste Wort an der Börse lautet: NEIN.

Und darum geht es in dieser Ausgabe: 

  • Warum ist NEIN meiner Meinung nach das wichtigste Wort an der Börse, 
  • in welchen Situationen solltest Du das wichtigste Wort an der Börse sagen 
  • und welche langfristigen Vorteile bei der Geldanlage erfährst Du als Anlegerin oder Anleger, wenn Du lernst das wichtigste Wort an der Börse smart zu sagen.

 

Hier geht es zum Podcast:

 

Wenn Du am Aktienmarkt aktiv bist, dann erwarten Dich schier unendliche Handlungsoptionen.

Es gibt zigtausende Aktien, zu denen sekündlich neue Kurse ermittelt werden, zu denen Du kaufen oder verkaufen kannst. Das blinkt rot und grün, der Dax hat heute Vormittag 1,2% verloren, zum Nachmittag konnte er dann einen Teil seiner Verluste wieder wettmachen. 

Parallel prasseln permanent Informationen auf Dich ein: 

  • Dass die Konsumentenstimmung hervorragend ist
  • dass Unternehmen XY wahrscheinlich einen Großauftrag verliert
  • Oder dass einem anderen Unternehmen bei der Entwicklung eines Prototyps endlich der Durchbruch gelungen ist.

Und die Versuchung ist groß, andauernd JA zu sagen und aktiv zu werden.

  • Ja, ich kaufe diese Aktie, weil mir ein Bekannter eine spannende Geschichte über die Zukunftsperspektive des Unternehmens erzählt hat.
  • Ja, ich verkaufe diesen ETF, da das Wertpapier 12,5% im Plus ist und ich kurzfristig meine Gewinne absichern möchte.
  • Ja, ich werde aktiv und handle aufgrund der letzten Quartalszahlen, aufgrund einer Zinserhöhung der Notenbanken oder aufgrund eines neuen Analysten-Reports.

Wie schon öfters hier besprochen, entwickelt sich die Börse in Zyklen.

Es gibt Phasen der Euphorie, da sagen alle JA, jetzt unbedingt kaufen und mancher Anleger erlebt FOMO, also wie in der Ausgabe über Verlustaversion erklärt, die Angst etwas zu verpassen. 

Und ebenso gibt es Abschwünge am Aktienmarkt, die Börsen beben und auch da neigen viele Anleger dazu, unüberlegt zu handeln.

Doch Aktivität ist an der Börse kein Selbstzweck und resultiert nicht unbedingt in einer besseren Rendite.

Zum einen verursachen Kauf und Verkauf Kosten, die Deine Rendite schmälern, seien es Gebühren an Deinen Broker oder auch Steuern, die anfallen, wenn Du Wertpapiere mit Gewinn verkaufst. 

Und ja, Steuern fallen auch an, wenn Du Deine Wertpapiere zu einem späteren Zeitpunkt mit Gewinn verkaufst. Aber bis dahin kannst Du das Geld weiter für Dich arbeiten und sich vermehren lassen, anstatt es dem Finanzamt zu geben. 

Zudem erzeugst Du durch Handeln nicht unbedingt einen Mehrwert. Ich habe schon an anderer Stelle in diesem Podcast über Market Timing gesprochen, also den Versuch, die Entwicklung von Börsenkursen zu antizipieren und entsprechend zu handeln. Das funktioniert vielleicht 1-2 mal, aber nicht auf Dauer. 

Für regelmäßige Hörerinnen und Hörer des Podcasts und Leserinnen und Leser des Blogs wohl eher nicht überraschend, plädiere ich stattdessen für einen langfristigen Zeithorizont mit einem breitgestreuten Portfolio, zum Beispiel mit ETFs, die man im Rahmen des eigenen Sparplans kontinuierlich nachkauft – siehe Ausgabe 1 über die ersten Schritte der Geldanlage.

Es gibt einen bekannten Börsenspruch: Hin und her macht Taschen leer. 

Und falls Du Dich dazu entschließt, in Einzelaktien zu investieren, dann könnte ein ebenfalls bekannter Spruch von Warren Buffett für Dich hilfreich sein. Der sagt:

“If you aren’t willing to own a stock for 10 years, don’t even think about owning it for 10 minutes.”

Also zu Deutsch: Wenn Du nicht dazu bereit bist, eine Aktie für 10 Jahre zu halten, dann solltest Du noch nicht einmal daran denken, sie auch nur für 10 Minuten zu besitzen. 

Damit appelliert Buffett daran, dass das Investieren an der Börse a) langfristig ist und b) Du nicht zu übermäßiger Aktivität neigen solltest.

Beim Kauf von Einzelaktien setzt Buffett auf Qualitätsunternehmen. Also Unternehmen, mit starken Produkten, nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen, soliden Finanzen und vertrauensvollem Management. Also Unternehmen, die sich seiner Meinung nach über einen langen Zeitraum positiv entwickeln werden. 

Und da bin ich wieder bei der Ausgabe über Investieren im Circle of Competence. Das Prinzip des Circle of Competence besagt, dass wir uns auf die Bereiche konzentrieren sollten, in denen wir uns wirklich gut auskennen. 

Bei Investitionen in Einzelaktien solltest Du einzelne Unternehmen tief verstehen, bevor Du in sie investierst. 

Du solltest also ihr Geschäftsmodell und ihre finanzielle Situation oder auch den Wettbewerb analysieren. Und damit Dir das gelingt, sollte ein solches Unternehmen in Deinem Circle of Competence sein. 

Wie bereits erwähnt, gibt es tausende Unternehmen, in die Du investieren kannst. Du musst Dir gar nicht zu allen diesen Unternehmen eine Meinung bilden, oder sie gar verstehen. Das kannst Du auch nicht. Du musst nur die Unternehmen verstehen, in die Du investierst.

Und wenn Du davon ausgehst, dass Dein Wissen, Deine Fähigkeiten und Dein zu investierendes Geld begrenzt sind, dann solltest Du enorm wählerisch sein, in was Du letztlich investierst. 

Somit solltest Du zu den meisten Investitionsmöglichkeiten, die sich Dir bieten, NEIN sagen. Es ist das wichtigste Wort an der Börse.

Warren Buffett unterstreicht die Wichtigkeit NEIN zu sagen mit seiner Lochkarten-Lektion.

Er ist der Überzeugung, dass sich das eigene finanzielle Wohlergehen dramatisch verbessert, wenn man zu Lebzeiten eine Investment-Lochkarte mit lediglich 20 Feldern hat, wobei man jedes Mal, wenn man ein Investment tätigt, ein Feld ausstanzt. Und wenn alle Felder verbraucht sind, dann kann man keine Investments mehr tätigen. 

Mit einer solchen Regel bzw. diesem Mindset würdest Du Dir sehr genau überlegen, ob Du etwas tust und was genau Du tust. Also Du würdest sicherstellen, dass Du Deine Investment-Entscheidungen sehr reflektiert tätigst und sie nicht aus einer kurzfristigen Laune heraus geschehen.

Meine Lesart der Lochkarten-Lektion ist, dass unterschiedliche ETFs bzw. Aktien als jeweils ein Feld gelten.

Und in der Logik würdest Du wenige Wertpapiere kaufen und diese Positionen dann im Zeitverlauf immer weiter ausbauen. 

Also 20 Investments meint, danach keine neuen Investments mehr zu tätigen, wohl aber bestehende Positionen weiter auszubauen. 

Ich lese das auch nicht wörtlich, also dass es niemals mehr als 20 Investments sein dürfen. In meinen Augen geht es mehr um ein Mindset. Es geht darum, zu fokussieren und nicht jede sich bietende Gelegenheit mitzunehmen.

Das hat dann zwei Effekte: Du tätigst einerseits nur wenige Investments, kannst also Deine Energie auf diese wenigen Entscheidungen fokussieren und Du läufst nicht Gefahr, Dich zu verzetteln. Gleichzeitig werden diese Positionen dann als Anteil in Deinem Depot auch sehr hoch gewichtet. Bei ETFs ist dies nachvollziehbar. 

Falls Du in Einzelaktien investierst, unterstreicht das dann aber auch nochmal die Notwendigkeit, diese Investitionsentscheidungen sehr sorgsam zu tätigen. Falls Du Dich für den Kauf einer bestimmten Aktie entscheidest, dann musst Dir Deiner Sache sehr sicher sein. 

Also mit der Lochkarten-Lektion von Buffett sagst Du zu weniger Investmentmöglichkeiten JA.  Stattdessen tätigst Du wenige und wohl überlegte Investments, mit denen Du Dich eingehend beschäftigt und zu denen Du Dir eine klare Meinung gebildet hast.

Und diese Vorgehensweise schützt Dich auch davor, bei möglichen Verkaufsentscheidungen vorschnell JA zu sagen. 

Wenn bspw. die Quartalszahlen nicht die Erwartungen des Marktes treffen und eine Aktie kurzfristig abgestraft wird, dann kann das für Dich als Anteilseigner ein emotionaler Ritt sein. 

Aber wenn sich Deine grundsätzliche Einschätzung zur Aktie nicht ändert und Du weiterhin von der langfristigen positiven Entwicklung des Unternehmens überzeugt bist, dann sagst Du NEIN, auf den kurzfristigen Missmut am Markt werde ich nicht reagieren und Du wirst die Aktie nicht verkaufen. 

Nun gibt es immer wieder Situationen an der Börse, in denen die ganz große einmalige Möglichkeit lockt. Auch hier gilt das wichtigste Wort an der Börse.

Du hast jetzt die Chance zuzuschlagen und wenn Du es nicht tust, dann verpasst Du das Geschäft Deines Lebens. 

Das kennen wir von Verkäufern: “Dieses Einzelstück ist ein absolutes Schnäppchen, ich habe viele Interessenten, Sie haben jetzt die Möglichkeit, in einer Stunde ist das weg und das Angebot kommt auch nicht wieder.”

Dann kann uns FOMO ereilen, also Fear of Missing Out, die Angst, etwas zu verpassen. 

Und dieses ewige Theater der einmaligen Gelegenheiten wird in der Börsenberichterstattung und auf Social Media von irgendwelchen Experten permanent befeuert. 

Das war im Jahr 2021 besonders abenteuerlich. Da gab es eine lange Liste mit scheinbar einmaligen Möglichkeiten, unglaublich reich zu werden – von Cryptowährungen, über NFTs bis hin zu diversen Tech-Unternehmen, die vielleicht noch keinen Umsatz erzielten, aber an der einen ganz großen Idee feilten. 

Überall lag das Geld gefühlt auf der Straße. Und wer es verpasste, der war selbst schuld. Wobei die meisten dieser Werte ein Jahr später kollabierten und hohe Verluste verzeichneten.

Und das Mantra in solchen Phasen der Euphorie lautet: “Handle jetzt oder bereue es ein Leben lang!” Auch hier gilt es NEIN zu sagen. Es ist das wichtigste Wort an der Börse.

Der Investor Bogumil Baranowski beschreibt das ganz anschaulich. Für ihn ist das Investieren eine ewige unaufgeregte Rundreise. Wenn Du heute eine Gelegenheit verpasst, ist das kein Problem, es werden noch viele folgen. Du wartest einfach auf die nächste Möglichkeit. Du musst Dich nicht stressen und unter Druck setzen oder übereilte Entscheidungen treffen. 

Beim Investieren ist ein langer Atem gefragt. 

Du kaufst nicht einfach die perfekte Aktie oder neueste Kryptowährung, die sich dann mal eben im Wert vervielfacht, sodass Du Deinen Job kündigen und in Wohlstand alt werden kannst. 

Der Aufbau eines Vermögens geschieht langfristig und Geldanlage begleitet Dich Dein Leben lang. Langfristig bedeutet, dass Du kontinuierlich sparst und Dein Geld über einen langen Zeitraum mit der in Ausgabe 11 beschriebenen Kraft des Zinseszins wachsen kann.

Das ist wie beim Wettrennen zwischen Schildkröte und Hase – die Schildkröte bewegt sich zwar langsam, aber dafür stetig, wodurch sie letzten Endes gewinnt. 

Abschließend lässt sich über das wichtigste Wort an der Börse sagen:

An der Börse bedeutet NEIN nicht viel und nicht übereilt zu handeln. Es bedeutet, Dich zu fokussieren und wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen, wie in der Lochkarten-Lektion dargestellt.

2017 gab es eine Dokumentation über Warren Buffett. Und in einer Szene werden er und sein guter Freund der Microsoft-Gründer Bill Gates darum gebeten aufzuschreiben, welche Eigenschaft oder Fähigkeit für ihren Erfolg maßgeblich war. 

Und beide schrieben unabhängig voneinander ein einziges Wort auf: Fokus

Wir neigen dazu, bei jeder sich bietenden, verlockend klingenden Möglichkeit dabei sein zu wollen. 

Doch unsere Ressourcen sind limitiert – wir können uns nicht mit allen Dingen beschäftigen, wir können nicht alle Unternehmen verstehen und wir haben nur begrenztes Kapital zur Verfügung. 

Sich zu fokussieren, das bedeutet NEIN zu sagen, das wichtigste Wort an der Börse.

NEIN zu vielen Investmentmöglichkeiten, NEIN zu hektischem Handeln, NEIN zum letzten Hype. 

Durch Fokussierung sagst Du JA zu wenigen ETFs, die Du dann lange hältst und vielleicht auch zu der ein oder anderen Einzelaktie. Wobei Deine Investitionsentscheidung durchdacht ist und Du Dir sicher bist, dass das zugrundeliegende Unternehmen wirklich hervorragend ist. 

Wahrscheinlich wird die Fokussierung auch Deinem Wohlbefinden gut tun. Du wirst ausgeglichener sein, wenn Du nicht den Drang verspürst, jeder Möglichkeit hinterherzujagen. Und Du wirst weniger Angst haben, etwas zu verpassen.

Warren Buffett vergleicht das Investieren in Einzelaktien mit Baseball: Du musst nicht jeden Ball schlagen, der Dir zugeworfen wird. Es ist klüger auf den perfekten Ball zu warten, nicht vorschnell in Einzelaktien zu investieren, sondern auf ein Unternehmen, dass in Deinem Circle of Competence liegt und das eine wirklich gute Investitionsmöglichkeit darstellt. 

Buffetts Kompagnon Charlie Munger hat hier einen gewohnt launischen Spruch parat. Für ihn ist Investieren ein paar großartige Unternehmen zu finden, die eine hervorragende langfristige Perspektive haben und dann auf seinem Hintern sitzen zu bleiben. Er nennt das “Sit on your ass investing”. 

Man muss nicht von Blume zu Blume fliegen. Man bleibt einfach sitzen und lässt seine Unternehmen jedes Jahr höhere Erträge produzieren.

NEIN zu hoher Aktivität und NEIN zu Market Timing. NEIN zum Versuch auf vielen Hochzeiten zu tanzen. JA zu Fokus und Ausdauer.

Das Titelbild ist in Hamburg entstanden.

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