Investieren mit Überzeugung

Investieren mit Überzeugung: Warum ist es wichtig, dass wir von dem überzeugt sind, in das wir investieren? Wie und warum können wir überhaupt von etwas überzeugt sein? Und wie können wir mit der Kraft der Überzeugung bessere Investitionsentscheidungen treffen, wie können wir besser Investieren mit Überzeugung?

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Investieren mit Überzeugung

In Folge 46, wenn die Überzeugung nur geliehen ist, habe ich über Borrowed Conviction bzw. geliehene Überzeugung an der Börse gesprochen. Borrowed Conviction bedeutet, dass man seine Anlageentscheidungen auf der Grundlage von Nachrichten oder von Tipps Dritter fällt, ohne hinreichend selbst zu recherchieren. Man handelt also nicht aus eigener Überzeugung, sondern man leiht sich die Überzeugung eines anderen. Das ist kein Investieren mit Überzeugung. Und wenn man das macht, dann kann man beim Investieren großen Schaden nehmen. 

Doch warum ist es überhaupt wichtig, dass man beim Investieren von einer Aktie bzw. von einem Investment überzeugt ist?

Es gibt diese schönen Geschichten über Aktien, die sich im Wert vervielfacht haben. Und wenn man solche Geschichten hört, dann macht man vielleicht die Kalkulation, wie viel Geld man hätte verdienen können, wenn man seinerzeit in die Aktie investiert hätte.

Solche Aktien zu identifizieren, das knüpft an Chuck Akre an, aus Folge 41 über das Investieren mit dem dreibeinigen StuhlWenn man in Einzelaktien investiert, also wenn man von solchen Gewinneraktien profitieren möchte, dann muss man ein Unternehmen tief verstehen und man muss von der Qualität der eigenen Analyse wirklich überzeugt sein. 

Und um eine solche Vervielfachung im eigenen Portfolio zu erleben, muss man die richtigen Aktien nicht nur finden, sondern auch sehr lange dabei sein. Auch dafür braucht es eine große Überzeugung von der eigenen Analyse und von der Qualität der Aktie. Man muss davon überzeugt sein, dass das Unternehmen langfristig besser dasteht als heute. Damit man die Auf und Abs der Aktie durchsteht, die großen und kleinen Kursbewegungen. Und um einschätzen zu können, ob der Markt wieder mal einfach nur verrückt spielt oder ob die Aktie zu recht abgestraft wird und vielleicht doch kein so gutes Investment darstellt. 

Daraus ergibt sich dann die Frage: Wenn Überzeugung für das erfolgreiche Investieren wichtig ist: Wie bildet sich diese Überzeugung und wie gerät sie vielleicht auch ins Wanken? Wie schafft man es, von einem Investment und dessen zukünftigem Potenzial überzeugt zu sein? Wie kann mit Investieren mit Überzeugung?

Der Investor Josh Tarasoff hat gesagt, dass es zwei Arten von Überzeugungen gibt: explizite und implizite. 

Explizite Überzeugungen haben eine innere Logik, mit denen man einen Sachverhalt erklären kann. Man hat etwas herausgefunden und nun macht man eine nützliche Vorhersage. Ein Beispiel wäre die Prognose, dass man voraussichtlich um 15 Uhr ankommt oder dass morgen die Sonne scheint. 

Demgegenüber stehen implizite Überzeugungen laut Tarasoff für Gefühle anstatt für Logik. Man vertraut darauf, dass etwas geschieht. Ich vertraue darauf, dass ein Freund mich in einer Angelegenheit unterstützen wird oder dass ein Arbeitskollege die Deadline für ein Projekt einhält.

Während es bei der expliziten Überzeugung um eine konkrete Vorhersage geht, unterstellt die implizite Überzeugung, dass das, was man für gut und richtig befindet, schon eintreffen wird. 

Wenn ich mich für ein Investitionsobjekt interessiere, dann habe ich eine Investment-These, also eine Überlegung, warum dies eine gute Investition ist. Das könnte zum Beispiel sein, dass das Unternehmen weitere Marktanteile hinzugewinnen kann, weswegen der Umsatz steigt und das Unternehmen einen entsprechend hohen Gewinn erwirtschaftet, was sich wiederum positiv auf den Aktienkurs auswirkt. Das alles wären nach Josh Tarasoff explizite Überzeugungen. 

Investieren mit Überzeugung in der Praxis: Was ich mir so schön ausgemalt habe, meine expliziten Überzeugungen, das trifft in der Realität auf Hindernisse. 

Der Expansionsplan des Unternehmens lässt sich nicht wie erwartet realisieren oder durch einen verschärften Wettbewerb gerät der Marktanteil unter Druck und durch eine aufkommende Wirtschaftskrise geht die Nachfrage zurück. Das alles sind Dinge, die jetzt nicht außergewöhnlich sind, mit denen die explizite Überzeugung aber nicht umgehen kann.

Hier kann mir nur eine implizite Überzeugung weiterhelfen. Und wenn ich die habe, dann ist das kein blinder Glaube, sondern Intuition, die oft auf qualitativem Wissen basiert. Es ist das Vertrauen, dass das Unternehmen grundsätzlich gut aufgestellt ist. Dass das Management qualifiziert ist und umsichtig agiert, um das Unternehmen durch die aktuell schwierige Situation zu manövrieren. 

Und laut Tarasoff stehen explizite und implizite Überzeugungen oft in einem Spannungsfeld. Das ist für das Investieren mit Überzeugung ein Problem.

Explizite Überzeugung das ist Logik, Ursache und Wirkung. Die Aktie, das Unternehmen, das ist die Summe der Einzelteile, die jeweils Funktionen übernehmen. Das kann man analysieren, verstehen, kontrollieren und entsprechend prognostizieren. Das ist Prozessorientiert und technokratisch. Es geht um das Erreichen bestimmter Ziele.

Die implizite Überzeugung funktioniert anders. Die ist lebendig. Die betrachtet ein Unternehmen nicht als Summe der Einzelteile, als für ein bestimmtes Ziel aufgewendete Ressourcen. Implizite Überzeugung guckt eher ganzheitlich. Sie beobachtet und interessiert sich nicht nur für die harten Fakten, sondern achtet auch auf die Kultur und soziale Faktoren.

Im genannten Beispiel wird die explizite Überzeugung schnell nervös, wenn der Plan und vielleicht auch das eigene Bild der Wirklichkeit etwas zu wackeln beginnt. Die implizite Überzeugung kann die Dinge vielleicht nicht so gut beim Namen nennen und messen. Sie guckt eher auf die Zusammenhänge, ist dadurch aber nachsichtiger und auch resilienter als die explizite Überzeugung. 

Und geht es nach Tarasoff, dann sollten wir sowohl nach expliziter als nach impliziter Überzeugung streben. 

Was heißt das Investieren mit Überzeugung jetzt für unsere Entscheidungsfindung? 

In Folge 70 über Storytelling an der Börse zitierte ich den britischen Philosophen Bertrand Russell. 

Russell sagte, dass wir uns nicht von dem beeinflussen lassen sollten, was wir glauben möchten. Wir sollten lediglich die Fakten betrachten. Er war der Meinung, dass keine unserer Überzeugungen wirklich wahr ist. Es gibt immer einen Schatten von Unbestimmtheit und Irrtum. Und wenn wir der Wahrheit so nahe wie möglich kommen wollen, dann sollten wir Gewissheit vermeiden und dann müssen wir ebenfalls ständig an uns zweifeln. 

Diese Aussage steht irgendwie im Widerspruch zur impliziten Überzeugung. Ich sehe das aber nicht komplett widersprüchlich. Vielmehr zeigt das einmal mehr die Komplexität der Realität. Wir sollten unseren kritischen Verstand nicht ausschalten. Es geht ums Abwägen. 

Implizite Überzeugung ist im besten Fall auch von Fakten beeinflusst. Ich bin die Summe meiner Erfahrungen, wie in Folge 26 besprochen. Und es ist durchaus legitim, dass ich auf mein Bauchgefühl und meine Intuition höre. Die Fakten müssen halt stimmen. 

Kommen wir zum Investieren mit Überzeugung.

Beim Investieren mit Überzeugung gibt es zwei Seiten. Da wären einerseits meine eigenen Überzeugungen, wenn ich selbst in Einzelaktien investiere. Und da wären andererseits die Überzeugungen meines Gegenübers, wenn ich mein Geld den Geschicken eines Fondsmanagers anvertraue. 

Wenn ich in Einzelaktien oder in einzelne Marktsegmente investiere, dann ist es wichtig, dass ich von der Richtigkeit meiner eigenen Einschätzung überzeugt bin. Also anders ausgedrückt: Nur wenn ich von einer Investition äußerst überzeugt bin, sollte ich sie überhaupt tätigen. 

Wenn ich kein einzelnes Investment finde, von dem ich so richtig überzeugt bin, dann bin ich besser damit aufgehoben, in einen breiten Index zu investieren. Und egal wie stark meine Überzeugung in ein Investitionsobjekt wie zum Beispiel eine Aktie ist, bleibt die Frage, wie viel meines Vermögens ich überhaupt in diese Aktie investieren sollte.

Es gibt den Begriff des “High Conviction Investing”, wörtlich übersetzt bedeutet das “Investieren mit hoher Überzeugung”. Das beschreibt einen Investmentstil, bei dem für ein Portfolio vielleicht 20 Aktien ausgewählt werden, die ein besonders vielversprechendes Investment darstellen sollen. 

Also angenommen, jede dieser Aktien hat einen gleichgroßen Anteil im Portfolio, dann liegt der Anteil je Aktie am Gesamtportfolio bei 5%. Das ist schon ziemlich konzentriert. 

Das bedeutet: Die Anzahl der Aktien ist überschaubar. Somit kann jede Aktie einen großen Einfluss auf die Wertentwicklung des Portfolios haben. Das gilt im positiven wie im negativen, also wenn der Kurs der Aktie klettert oder auch abstürzt.

Wie so oft, hat auch die Finanzbranche die Wichtigkeit vom Investieren mit Überzeugung erkannt, aber auch das Potenzial von Überzeugungen für eine knackige Geschichte, die man bei der Vermarktung eines Fonds erzählen kann. 

Deswegen hat man sogenannte “High Conviction Funds” entwickelt. Also die Story ist: Wir haben hier wenige ausgewählte Aktien, von uns handverlesen, das sind Unternehmen mit beeindruckender Perspektive, mit einer vermutlich sensationellen Performance in den nächsten Jahren.

Also man hört meine Skepsis wahrscheinlich bereits raus. Das sind nicht selten Fonds, die mit viel Marketing-Brimborium angepriesen werden. Vermutlich haben sie auch ordentliche Gebühren, die man als Anleger zahlen muss.

Und nicht selten kommen sie mit einer ergänzenden Story daher. Also ein zugegeben etwas platter aber gern genutzter Klassiker wäre, dass die Unternehmen disruptive Innovatoren sind und dass sie die Zukunft ihrer jeweiligen Branche maßgeblich mitgestalten werden. Innovation, Zukunftsphantasie, das verkauft sich immer gut.

Das mag jetzt nicht pauschal für alle High-Conviction-Funds gelten, aber ich finde das zuweilen recht abenteuerlich. Und eine Frage an den Fondsanbieter wäre, was denn mit seinen anderen Fonds ist? Sind da dann die Aktien enthalten, von denen man nur mittelmäßig überzeugt ist? 

Und natürlich ist immer die Frage, ob der Fondsmanager mit seinen Überzeugungen am Ende des Tages richtig liegt. Weil eine Konzentration kann sinnvoll sein, wenn es sich um einen wirklich sehr guten Fondsmanager handelt. Das ist aber oft nicht der Fall. Oder wie in Folge 22 über passives Investieren mit ETFs besprochen: 90% der aktiven Fondsmanager schneiden über einen Zeitraum von 10 Jahren nach Kosten schlechter ab als der Markt. 

Im alltäglichen Leben ist die implizite Überzeugung ganz natürlich. Man könnte hierzu auch Intuition sagen. Das ist sehr qualitativ.

Beim Investieren hingegen geht es um vermeintlich harte Fakten, um Aspekte, die gemessen werden können. Das ist quantitativ und belegbar. Und das folgt einem mehr oder weniger strukturierten Prozess.

Allein für die Finanzbranche, also bspw. Fondsmanager, ist es immens wichtig klar und deutlich mit ihren Kunden, den Anlegerinnen und Anlegern zu kommunizieren und ihre Überzeugung von einem Investment auszudrücken. Das funktioniert mit expliziten Überzeugungen deutlich besser.

Meiner Meinung nach sollten wir die impliziten Überzeugungen nicht vernachlässigen. Investieren ist auch eine Übung, sich die Welt, die Komplexität der Realität greifbar zu machen. Und das ist nicht immer schwarz-weiß. Das ist oft ein Abwägen. Das sind die Grauzonen. 

Insofern ist das Investieren und somit auch Aussagen und Annahmen über die Qualität eines Investments meiner Meinung nach mehr eine Kunst als eine Wissenschaft. Da sind wir wieder bei dem Begriff Qualität, den auch Investoren wie Warren Buffett immer wieder anführen. 

Doch was ist das überhaupt, Qualität? 

Chuck Akre hat mit seinem dreibeinigen Stuhl ein Framework zur Hand, mit dem er die Qualität einer Investition bestimmen möchte. Es kann aber weitere Indikatoren für Qualität geben. 

  • Wenn ein Unternehmen ein wichtiges Problem löst oder seine Kunden begeistert, dann ist das in meinen Augen ein Zeichen von Qualität.
  • Wenn das Management langfristig denkt, nicht einfach nur für das nächste Quartal optimiert und die Firma nicht übermäßig verschuldet, dann ist das meiner Meinung nach ebenfalls Qualität.
  • Und wenn ein Unternehmen starke Burggräben aufweist, über die ich in Folge 52 gesprochen habe, dann ist auch das Qualität.

Wenn ich dann der Meinung bin, dass das Unternehmen hart messbar wie auch inhaltlich qualitativ gut dasteht, wenn es ein fähiges wie auch verlässliches Management hat und wenn es sich darüber hinaus und insgesamt für mich auch einfach richtig gut anfühlt, dann wäre zumindest bei mir persönlich die Überzeugung für ein Investment gegeben.

Abschließend lässt sich zum Investieren mit Überzeugung festhalten, dass es neben der expliziten Überzeugung, den hart überprüfbaren Fakten auch um implizite Überzeugung, um Intuition und Bauchgefühl geht.

Vielleicht lässt sich die explizite und die implizite Überzeugung auch so miteinander verknüpfen: Die explizite Überzeugung ist die notwendige Bedingung. Die ist genährt durch eine vornehmlich quantitative Analyse. Da geht es um Kennzahlen, Gewinnmargen oder auch die Bewertung der Aktie. Und die implizite Überzeugung ist dann die hinreichende Bedingung. Die ist qualitiativ, da fließen meine Erfahrungen ein, mein Bauchgefühl und meine Intution. 

Doch egal wie überzeugt man von einer Aktie ist. Am Ende zählt das Ergebnis. Und um das Ergebnis sicherzustellen, sollten wir uns unserer Sache sicher sein.

Da ist ein Stichwort Circle of Compentence. Das kannst Du auch nochmal in Folge 17 nachhören. Einen weiteren Aspekt habe ich in Folge 13 über die Macht der Wahrscheinlichkeit besprochen und zwar die Sicherheitsmarge, auf Englisch Margin of Safety. Mit der Sicherheitsmarge erkennen wir an, dass unsere Einschätzungen tendenziell etwas zu optimistisch sein können und dass wir durchaus falsch liegen können. 

Mit der Sicherheitsmarge schaffen wir eine Fehlertoleranz. Und diese Fehlbarkeit unserer Einschätzungen sollten wir aller Überzeugung nicht aus dem Blick verlieren.

PS: Das Titelbild ist auf Mallorca entstanden.

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