Wer hat Angst vorm Investieren? Um Missverständnissen vorzubeugen: Wenn ich in dieser Ausgabe über Ängste und Sorgen bei den eigenen Finanzen und beim Investieren schreibe, dann meine ich NICHT Geldprobleme. Wenn Du Geldprobleme hast, also wenn Dir die Überschuldung droht oder Du nicht weißt, wie Du Deine Rechnungen bezahlen kannst, dann solltest Du Dir professionelle Hilfe suchen, zum Beispiel bei der Schuldnerberatung der Verbraucherzentralen.
In dieser Ausgabe geht es um Ängste beim Umgang mit den eigenen Finanzen und um die Scheu, sein finanzielles Schicksal und den Vermögensaufbau in die eigenen Hände zu nehmen. Ich spreche über häufige Gründe solcher Ängste und was Du dagegen unternehmen kannst.
Hier geht es zum Podcast:
In Ausgabe 16 mit einem Plädoyer für finanzielle Zuversicht sprach ich davon, dass wir in stürmischen Zeiten und gefühlter Dauerkrise leben. Das kann dazu führen, dass wir die Lage insgesamt negativ einschätzen.
Wir neigen dazu, schlechte Informationen weitaus stärker zu beachten, als wir es mit positiven Informationen tun. Psychologen bezeichnen das als Negativity Bias. In diesem Zusammenhang ist auch Doomscrolling interessant. Das beschreibt den mitunter exzessiven Konsum schlechter Nachrichten, was laut Krankenkassen wie der AOK Ängste und negative Emotionen verursachen oder verstärken kann.
Und auch wenn Ängste und Sorgen zum Leben dazugehören, ist die Frage, ob sie immer gerechtfertigt sind und wie wir ihnen begegnen.
Der römische Philosoph und Stoiker Seneca sagte über unbegründete Ängste, dass wir öfter in der Phantasie als in der Wirklichkeit leiden.
In einem Brief an einen Freund schrieb er, dass dieser nicht unglücklich sein solle, bevor die Krise kommt. Denn es könnte sein, dass die Gefahren, vor denen er sich fürchtet, ihn niemals treffen werden. Das Unglück sei wankelmütig. Vielleicht kommt es, vielleicht nicht, und bis dahin sollte man sich auf die besseren Dinge konzentrieren.
Auch viele Psychologen und Therapeuten sind der Meinung, dass wir uns mental immer wieder ins Hier und Jetzt zurückholen und nicht zu stark von unseren Fantasien bestimmen lassen sollten. Und der Theologe James Gordon Gilkey stellte in den 1930er Jahren fest, dass wir uns zwar viele Sorgen machen, aber dass vielleicht nur 8% unserer Ängste und Sorgen eine reale Grundlage haben.
Geld ist ein vielfach emotional aufgeladenes Thema.
Das zeigen Begriffe, die oft mit Geld assoziiert werden, wie Gier, Großzügigkeit, Besitz oder Status. Und es ist ein Thema, das viele Aspekte im alltäglichen Leben betrifft.
- Erkennt mein Chef meine Leistung und bekomme ich eine Gehaltserhöhung?
- Können wir uns den geplanten Urlaub leisten?
- Welche Einsparungen müssen wir vornehmen, um die Reparatur des Autos zu bezahlen?
Selbst wenn man für sich solche Fragen alle mit JA beantworten kann, leben wir in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit, die gerade die jüngere Generation vor Herausforderungen und schwierige Fragen stellt.
Und bei Geldfragen geht es in letzter Konsequenz auch oft um Fragen der eigenen Existenz und des eigenen Lebensentwurfs. Da lauern Ängste.
Bezeichnend ist, dass die Ursachen vieler Beziehungskrisen in finanziellen Problemen begründet sind. Der Kauf eines Eigenheims erscheint für immer mehr Menschen finanziell unerreichbar. Und die Zeit der Rente mag noch Jahrzehnte entfernt sein, aber den ein oder anderen beschleicht schon heute das ungute Gefühl, dass das alles vielleicht nicht gut ausgehen wird und breiten Teilen der Bevölkerung perspektivisch Altersarmut droht.
Ob die Ängste nun begründet sind oder nicht: Ich glaube, dass solche Sorgen zusätzlich dadurch genährt werden, dass sich viele Menschen mit Finanzen schlicht nicht auskennen.
Finanzen sind nicht Teil der schulischen Lehrpläne
Und anders als beispielsweise in den USA sind Geldanlage und Vermögensaufbau bei uns auch nicht unbedingt ein Thema, über das man sich im Freundeskreis austauscht.
Wenn man dann erlebt, dass manche Dinge vielleicht nicht so wie geplant umgesetzt werden können, Stichwort Finanzierung des Eigenheims. Wenn sich Skepsis breitmacht, ob die Finanzierung im Alter durch den Staat nun wirklich abgesichert ist, dann ist die Sorge angesichts der grundsätzlichen Unwissenheit über Finanzen vielleicht noch größer.
Eine Möglichkeit, diesen Sorgen zu begegnen, wäre es, die eigenen Finanzen selbst in die Hand zu nehmen.
Doch da lauert direkt die nächste Hürde. Unsicherheit bei den eigenen Finanzen ist eine Sache. Viele Menschen denken zudem, dass Investieren komplex und nur etwas für Profis ist. Dass man zum Investieren viel Wissen benötigt oder dass Investieren nur etwas für Menschen mit viel Geld ist.
Investieren mag auf manche wie eine Raketenwissenschaft wirken. Dieses Image wird durch einige Protagonisten der Finanzwelt gepflegt, wie in Folge 5 über Autoritätsgläubigkeit besprochen.
Also manche Finanzanalysten oder Influencer erwecken durch den übermäßigen Einsatz von Fachbegriffen oder kompliziert klingenden Abkürzungen den Eindruck, dass sie in Wahrheit Zauberer sind und mit den ganz großen Weisheiten um sich werfen.
Börse, Aktien, Investieren, das sind Dinge, die auf manche Menschen regelrecht einschüchternd wirken.
Vielleicht sorgen sie sich, dass an der Börse viele Gefahren lauern. Dass das eher ein Glücksspiel ist und man Geld verbrennt. Oder dass Betrüger einen um die eigenen Ersparnisse bringen.
Und wie bei der grundsätzlichen Beschäftigung mit Finanzen mag auch bei Fragen der Geldanlage und des Investierens Wissen bzw. Unwissen für viele Menschen ein wesentlicher Unsicherheitsfaktor sein.
Infolgedessen investieren sie nicht. Vielleicht wird Geld angespart. Was ja schonmal gut ist. Oft liegt es dann aber nur auf dem Konto rum. Dort liegt es ja sicher. Doch da wird das Geld im Laufe der Zeit von der Inflation regelrecht aufgefressen, anstatt eine Rendite zu erwirtschaften und sich zu vermehren.
Durch stetiges Sparen vermehrt sich das Geld, aber durch die Inflation verliert es an Kaufkraft. Und indem nicht investiert wird, erwirtschaftet man keine Rendite und man lässt einen wichtigen Teil des Vermögensaufbaus sein, was über einen langen Zeitraum richtig viel Geld entspricht, wie in Folge 11 über die wunderbare Kraft des Zinseszins erläutert.
Also das Nicht-Investieren erschwert das Erreichen finanzieller Ziele, wie den Kauf einer Immobilie oder den Vermögensaufbau als finanzielles Polster fürs Alter.
Wie kannst Du einer Angst vorm Investieren begegnen?
Da wäre einerseits die Angst bzw. Sorge, dass Geldanlage nur etwas für Menschen mit viel Geld ist. Dem kann entgegnet werden, dass man dank Online-Brokern und ETFs auch mit geringen Beträgen gut investieren kann.
Da erinnern wir uns an Ausgabe 1 über die ersten Schritte der Geldanlage: Egal ob Du z.B. 10% Deines Einkommens investierst oder mit einem kleineren Betrag startest – es ist zutiefst individuell, wie viel Geld Du zur Seite legen kannst und vielleicht auch möchtest. Aber auch wenn der Betrag nur überschaubar ist, dann ist dies kein Grund, nicht zu sparen und zu investieren.
Vorbehalt Nummer 2:
Investieren ist nur etwas für Profis, da muss man richtig viel für Wissen.
Es gibt zweifelsohne komplexe Finanzinstrumente und ja, die sind nur etwas für Profis und ja, Du solltest nur in das investieren, was Du wirklich verstehst.
Aber ganz ehrlich: Für die meisten Anleger sind solche Finanzinstrumente sowieso irrelevant. Wenn Du langfristig ein Vermögen aufbauen möchtest, dann fährst Du mit einem breitgestreuten Aktienportfolio, dass Du zum Beispiel mit einem ETF-Sparplan umsetzt, sehr gut.
Das ist auch keine Raketenwissenschaft. Das habe ich zum Beispiel in der ersten Folge erläutert und in den Folgen 22 und 23 über passives Investieren mit ETFs vertieft.
Und darüber hinaus geht es vielfach um das eigene Verhalten und um psychologische Fallen, in die man tappen kann. Wenn Du mehr über diese Themen erfahren möchtest, dann gibt es dazu zahlreiche gute Quellen, zum Beispiel Bücher oder auch Internetvideos von Vorlesungen und Vorträgen.
Der Punkt ist: Wenn Du diese Themen besser verstehen möchtest, dann geht das. Dafür musst Du nicht Finanzen oder Wirtschaft studieren.
Und interessanterweise ist Aktienanlage eine der wenigen Disziplinen, bei der Anfänger keine strukturellen Nachteile gegenüber Profis haben. Profi-Investoren müssen oft kurzfristig performen, was ironischerweise zu langfristig schlechteren Renditen führen kann.
Als Privatanleger wiederum kannst Du mit einem langen Zeithorizont ein breitgestreutes Portfolio ganz entspannt im Laufe der Zeit wachsen lassen.
Die Angst, dass man an der Börse nur Geld verliert.
Die Börse entwickelt sich in Zyklen, also können Aktienmärkte auch mal ordentlich absacken. Das kann einen natürlich emotional mitnehmen, das ist aber soweit normal. Stichwort Ausgabe 2 Wenn die Börsen beben und Ausgabe 10 über Verlustaversion.
Und da sollte man sich nicht von der immer wieder aufgeregten und meist sehr kurzfristigen Börsenberichterstattung verunsichern lassen.
Wie in diesem Blog bzw. Podcast schon öfters erläutert, sollte man es unbedingt vermeiden, kurzfristig zu agieren oder gar auf kurzfristige Entwicklungen zu reagieren oder sie zu antizipieren und danach zu handeln.
In Ausgabe 16 zitierte ich den Investor Peter Lynch. Der hat sinngemäß gesagt: Investoren haben mehr Geld damit verloren, sich auf Marktkorrekturen vorzubereiten oder sie zu antizipieren, also durch die Marktkorrekturen selbst verloren wurde.
Historisch betrachtet haben sich die Aktienmärkte von jedem Crash wieder erholt und sind über einen langen Zeitraum gestiegen. Da sind wir wieder beim erwähnten breitgestreuten Portfolio und beim langen Zeithorizont.
Man kann das auch umdrehen: Wenn Du Dein Geld nur auf dem Konto liegen lässt, wo es keine oder nur eine minimale Rendite erwirtschaftet, dann ist nahezu garantiert, dass Du mit Blick auf die Inflation langfristig Geld verlierst bzw. Dass Dein Erspartes an Kaufkraft einbüßt.
Der Autor und Investor Robert Allen stellte dazu die rhetorische Frage:
„Wie viele Millionäre kennst Du, die durch Investitionen auf Sparkonten reich geworden sind?“
Die Antwort lautet: keine.
Abschließend lässt sich über Angst vorm Investieren sagen:
Ich glaube der beste Weg, um seinen Ängsten vor den eigenen Finanzen oder auch vorm Investieren zu begegnen ist es, sich diesen Ängsten zu stellen und mehr über diese Themen zu lernen.
Die Beschäftigung mit den eigenen Finanzen ist eine Selbsterfahrung. Da lernst Du viel über Dich selbst, über Deine Denkmuster, Deine Emotionen, aber auch über Deine Ziele.
Mit einem besseren Verständnis Deiner Finanzen und Deiner selbst kannst Du finanzielle Ziele definieren und einen Plan aufstellen, wie Du diese erreichen willst. Das nimmt Dir Ängste.
Der beste Tag, um mit dem Vermögensaufbau zu beginnen, war gestern. Der zweitbeste ist heute.
Mit einem breitgestreuten Portfolio, zum Beispiel mit einem ETF-Sparplan, ist das Investieren gar nicht schwer und das benötigt nicht viel Geld.
Du kannst auch erstmal mit kleineren Beträgen starten, um Dich dem Thema Geldanlage und Vermögensaufbau zu nähern, um ein besseres Gefühl zu entwickeln und um Ängste abzubauen. Jedenfalls sind kleine Beträge kein Grund, nicht mit dem Investieren zu beginnen.
Dass wir Ängste haben, ist in Ordnung und soweit normal. Wir sollten aber nicht den Kopf in den Sand stecken und nichts tun, also das Thema Finanzen einfach von uns wegschieben, wir sollten nicht resignieren und wir sollten nicht unüberlegt handeln.
Investieren ist kein Glücksspiel, sondern das Ergebnis eines langfristigen und besonnenen Prozesses.
Reichtum kommt selten über Nacht, Vermögensaufbau geschieht langfristig. Mit einem nachhaltigen Budget, kontinuierlichem Sparen und einem breitgestreuten Portfolio ist die erfolgreiche Geldanlage planbar.
Ängste und Sorgen wiederum können individuell unterschiedlich sein. Und nicht selten hängen sie mit unseren Lebensumständen zusammen, Stichwort Ausgabe 26 über die Summe der Erfahrungen.
PS: Das Beitragsbild ist in Brandenburg entstanden.