Geldanlage und Vermögensaufbau

Action Bias an der Börse

Action Bias oder auf Deutsch Handlungsneigung beschreibt die Tendenz zu handeln, anstatt nichts zu tun. 

Ich werde in dieser Ausgabe darüber sprechen, warum wir diese Handlungsneigung haben, wie sie uns in Fragen der Geldanlage schaden kann und was wir dagegen unternehmen können.

Hier geht es zum Podcast:

Action Bias, der Drang zu Aktivität, zum Handeln entsteht oft in unsicheren Situationen.

Dabei gibt das Handeln ein Gefühl der Kontrolle, obwohl das Handeln eher nutzlos oder sogar schädlich sein kann. 

Der israelische Verhaltensforscher Miki Bar-Eli hat das zum Beispiel bei Fußball-Torhütern beim Elfmeterschießen beobachtet. Statistisch gesehen, wird beim Elfmeter ungefähr gleich häufig nach Links, in die Mitte oder nach Rechts geschossen. Ergo sollte ein Torwart sich ähnlich verhalten, also gleich häufig nach links bzw. rechts springen, oder einfach stehenbleiben. 

Bar-Eli hat das ausgewertet und festgestellt, dass kaum ein Torwart in der Mitte stehen bleibt, sondern eher in eine der beiden Ecken springt. 

Wenn nun aber ⅓ der Elfmeter in der Mitte des Tores platziert wird, ein Torwart aber weniger als ⅓ der Elfmeter in der Mitte stehen bleibt, sondern nach links bzw. rechts springt, dann reduziert er die Wahrscheinlichkeit, möglichst viele Elfmeter zu halten. 

Mit Blick auf die Wahrscheinlichkeitsverteilung wäre es die optimale Strategie für den Torwart, einfach in der Mitte stehen zu bleiben. Doch die Action Bias motiviert ihn dazu, in eine der beiden Ecken zu springen. Er vollzieht er eine chancenreduzierende Handlung.

Action Bias lässt sich in vielen Situationen beobachten. 

Wenn eine Website lange braucht, um zu laden, neigen wir dazu, sie immer wieder neu zu laden.

Wenn Menschen an einer Ampel oder vor einem Aufzug warten, dann drücken sie oft mehrmals hintereinander das Knöpfchen, als wenn das den Prozess beschleunigen würde.

Bei einem Stau wechseln viele Autofahrer mehrmals die Spur, weil sie das Gefühl haben, dass es auf der anderen Spur schneller vorangeht. Tatsächlich wird der Verkehr durch solches Verhalten oft noch zähfließender und die Unfallgefahr steigt.

Warum verspüren wir Action Bias?

Warum haben wir den Drang zu handeln, auch wenn das Abwarten eine ebenso gute oder sogar bessere Alternative darstellt? 

Action Bias ist vermutlich evolutionär bedingt. In frühmenschlichen Zeiten gab es viele Bedrohungssituationen und für das Überleben war es essentiell, die Kontrolle zu erlangen. 

Und wenn Du einem zähnefletschenden Säbelzahntiger gegenüberstehst, dann gibt Dir passives Abwarten keine Kontrolle über die Situation. Da ist aktives Handeln deutlich effektiver. In solchen Situationen geht es um schnelle Reaktionen. Wenn Du da zu lange überlegst oder gar keine Reaktion zeigst, hast Du ein Problem. 

Es gibt das Konzept der Kampf-oder-Flucht-Reaktion. Beides impliziert Handeln. 

In der heutigen Zeit ist dieser Impuls nicht mehr überlebenswichtig. Aber dennoch gibt es viele Situationen, in denen Aktivität von Vorteil bzw. gern gesehen ist.

Nehmen wir den Torwart beim Elfmeter. Ein Verharren in der Mitte des Tores wäre, wie erläutert, die optimale Strategie. 

Die Fans wären aber vermutlich alles andere als begeistert, wenn er stehen bleibt und zusehen muss, wenn der Ball in eine Ecke fliegt. Wenn er in die falsche Ecke springt, dann ist das Publikum vielleicht eher nachsichtig. 

In diesem Zusammenhang könnte auch die Normtheorie von Daniel Kahneman und Dale Miller eine Erklärung sein. Demnach ruft ein schlechtes Ergebnis, das aus unüblichem Verhalten resultiert, eine negativere Reaktion hervor als ein identisches Ergebnis, das aus erwartbaren Verhalten resultiert. 

Das normale Verhalten ist es, dass der Torwart in eine Ecke springt. Wenn er nicht handelt, also in der Mitte stehen bleibt, dann weicht er von der Norm ab. Und wenn er dann ein Tor kassiert, fühlt er sich schlechter, als wenn er gesprungen wäre. 

Action Bias kann auch durch Börsennachrichten oder Kursbewegungen an den Aktienmärkten provoziert werden, so dass wir uns zum Handeln genötigt sehen.

Sie kann aber ebenfalls an den eigenen Charaktereigenschaften oder an den eigenen Lebenserfahrungen liegen.

Eine selbstbewusste Person könnte den eigenen Einfluss oder die eigenen Fähigkeiten überschätzen. Dazu habe ich in Folge 29 über Aktienrückkäufe am Beispiel von erfolgreichen Managern gesprochen.

Einige Top-Manager zeichnen sich durch Charaktereigenschaften wie Angriffslust und ein übermäßig großes Ego aus. Das könnte dazu verleiten, waghalsige Geschäfte abzuschließen. 

Und weil ein Manager von sich und seiner Kompetenz derart überzeugt ist, übersieht er negative Aspekte oder Risiken, die eigentlich gegen den Deal sprechen. Er schafft es nicht, seine Handlungen objektiv zu bewerten.

Man kann das auch am Finanzmarkt immer wieder beobachten: 

Anlegerinnen und Anleger überschätzen sich und ihre Fähigkeiten, zum Beispiel in der Vorhersage, welche Aktie sich besonders gut oder schlecht entwickeln wird. 

Und das verleitet sie zum Handeln. Vielleicht geht das mal gut. Nicht selten führt das aber zu schlechten finanziellen Entscheidungen, wobei es besser gewesen wäre, die Füße stillzuhalten. Oder sie gehen hohe Risiken ein und tätigen Investitionen, die eher nicht so gut sind. 

Überhaupt ist Action Bias oft am Werk, wenn Anleger Entscheidungen treffen in der Meinung, dass sie wissen, wie sich die Zukunft entwickelt. 

Tatsächlich haben sie meist nicht die notwendigen Informationen, um die Zukunft vorherzusagen. Somit ist die Wahrscheinlich hoch, dass sie mit ihrer Prognose falsch liegen.

Action Bias kann ebenfalls dazu führen, dass eine Entscheidung eher impulsiv und mit kurzfristigem Blick gefällt wird.

Dabei werden die langfristigen, womöglich negativen Implikationen vernachlässigt. Stichwort Instant Gratification aus Folge 6. Man gibt dem Handlungsdrang nach, das unmittelbare Bedürfnis ist befriedigt. Aber langfristig hat man einen finanziellen Schaden.

Über Lebenserfahrungen und wie sie das eigene Denken und Verhalten prägen, habe ich in Folge 26 gesprochen. Ein Anleger hat in der Vergangenheit eine Aktie womöglich nicht gekauft, die dann eine phänomenale Entwicklung genommen hat. 

Und nun sieht er eine vielversprechende Gelegenheit und er ist anfällig für Action Bias. Also er trifft die Entscheidung, wird aktiv, um die Erfahrung der Vergangenheit zu vermeiden. 

Was kannst Du nun tun, um der Gefahr falscher Handlungen durch die Action Bias zu begegnen?

Wenn Action Bias zu eher unreflektierten Handlungen führt, dann könnte es helfen, systematisch den Spannungsbogen zu durchtrennen. Du könntest Dich auf Deine finanziellen Ziele und auf Deinen langfristigen Plan für den Vermögensaufbau besinnen, wie in Folge 1 über die ersten Schritte der Geldanlage beschrieben.

Du könntest Reize verringern, die zu Action Bias führen können. Sei es eine hektische und kurzfristige Finanzberichterstattung, der Lärm in den sozialen Medien oder auch der permanente Blick ins eigene Depot. 

Du könntest bewusst innehalten und hinterfragen, warum Du eine bestimmte Handlung tätigen möchtest. Bei wichtigen Entscheidungen kann es auch empfehlenswert sein, mal eine Nacht drüber zu schlafen. Ist die Handlung, die Aktivität das Ergebnis einer kritischen Analyse, also eine bewusste Entscheidung. Ist die Handlung im Einklang mit Deinem definierten Plan. Oder gibst Du nur dem Drang nach zu agieren.

Vielleicht ist Aktivität ja die richtige Entscheidung. Aber Du handelst nicht unreflektiert. 

Bist Du von der Erwartungshaltung Dritter beeinflusst? Verspürst Du Verlustaversion, über die ich in Folge 10 gesprochen habe?

Hast Du das Gefühl von Kontrollverlust und Dein Handeln ist eigentlich eine Übersprungshandlung, um der Unsicherheit einer Situation zu begegnen?

Wenn Du das Gefühl hast, dass Dich durch das Handeln besser fühlst, dass Du einer Situation aktiv begegnest, dann könntest Du Dir vergegenwärtigen, dass Abwarten nicht bedeutet, dass Du aufgibst und die Situation passiv über Dich ergehen lässt.

Nicht-Handeln kann eine bewusste Entscheidung sein, Stichwort Folge 19: Das wichtigste Wort an der Börse lautet NEIN. Aber das ist natürlich schwierig. Wenn Du jetzt handelst, dann siehst Du auch umgehend eine Auswirkung.

Wenn Du abwartest und nicht aktiv wirst, dann wird es dauern, bis Du siehst, ob das Nichtstun die richtige Entscheidung war. 

Die Vorteile von Inaktivität bzw. der Schaden von übermäßiger Aktivität können kontraintuitiv sein.

In vielen Lebensbereichen haben wir das anders gelernt. Wenn Du fitter werden möchtest, dann solltest Du mehr Sport treiben. Wenn Du mehr Wissen möchtest, dann solltest Du mehr lesen.

Doch beim Investieren sind Geduld, Selbstbeherrschung und reflektiertes Handeln eine Tugend.

Übermäßiges oder auch sprunghaftes Handeln hingegen ist oft der Weg zu schlechter finanzieller Performance. 

Oder um es mit Warren Buffett zu sagen: Aktivität korreliert nicht mit Leistung.

PS: Das Beitragsbild ist in Berlin entstanden.

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