Finanzielle Freiheit und die FIRE Bewegung

Finanzielle Freiheit und die FIRE Bewegung. FIRE steht für Financial Independence, Retire Early, auf Deutsch finanzielle Unabhängigkeit, vorzeitiger Ruhestand. Und FIRE ist eine, wie ich finde, interessante aber letztlich auch etwas spezielle Strategie der Vermögensplanung.

Ich werde in dieser Folge darüber sprechen, was die FIRE Bewegung genau ist, also warum und wie die Anhänger dieser Bewegung die finanzielle Freiheit erreichen möchten. Und ich werde darüber sprechen, welche Aspekte in meinen Augen auch eher kritisch zu sehen sind.

Hier geht es zum Podcast:

Finanzielle Freiheit kann individuell eine unterschiedliche Bedeutung haben.

Und es gibt viele Gründe, die finanzielle Freiheit anzustreben. Für manche Menschen bedeutet das Sicherheit. Sicherheit meint zum Beispiel, die eigene Existenz oder den Lebensstandard zu wahren, wenn ein einschneidendes Ereignis eintritt, zum Beispiel der Verlust des eigenen Arbeitsplatzes. Das kann ebenfalls bedeuten, die eigene Familie finanziell abzusichern, falls ein Katastrophenfall wie Krankheit oder gar Tod eintritt. Vielleicht möchte man seinen Angehörigen bestimmte Dinge bieten können, für kommende Generationen Wohlstand aufbauen, oder man möchte die Freiheit haben, mehr Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen oder den eigenen Hobbies zu widmen.

Und finanzielle Freiheit zum Gewinn von Zeit, das ist das Stichwort für die FIRE Bewegung, die ich bereits in Folge 35 Zeit ist Geld kurz angesprochen habe. 

Zur Erinnerung: Den Anhängern der FIRE Bewegung geht es darum, durch eine hohe Sparrate und durch niedrige Lebenshaltungskosten möglichst schnell ein Vermögen aufzubauen oder auch ein passives Einkommen mit zum Beispiel Dividenden zu erzielen, um finanziell frei zu sein, nicht mehr arbeiten zu müssen, also frei über die eigene Zeit zu verfügen.

Also für die FIRE Bewegung bedeutet Reichtum nicht viel konsumieren zu können. Vielmehr geht es um Geld als Mittel zum Zweck, nämlich um Zeit zu gewinnen bzw. Um die Möglichkeit, Zeit so zu verbringen, wie man es möchte. Reichtum ist demnach Kontrolle über die eigene Zeit. Das Ziel der FIRE Bewegung ist es, möglichst früh den Ruhestand zu erreichen.

Finanzielle Freiheit und der Renteneintritt

Das Renteneintrittsalter wurde seit dem Jahr 2012 schrittweise angehoben und liegt für die meisten eher jüngeren Menschen aktuell bei 67 Jahren. Wenn manche Menschen nun über den vorzeitigen Ruhestand sprechen, dann meinen sie damit, vielleicht mit Anfang 60 in Rente zu gehen. Die Anhänger der FIRE Bewegung sind da etwas ambitionierter. Sie verfolgen eher das Ziel, bereits mit 50 Jahren oder noch deutlich früher nicht mehr arbeiten zu müssen.

Nicht mehr arbeiten zu müssen, bedeutet dann nicht zwangsläufig, nicht mehr zu arbeiten. Vielmehr soll die finanzielle Freiheit einem die Möglichkeit geben, unbeschwert zu leben und wichtige Entscheidungen wie zum Beispiel die Art und die Dauer der Arbeit frei von finanziellen Zwängen tätigen zu können. 

Und dieses Ziel, die finanzielle Freiheit, das möchten Anhänger der FIRE-Bewegung durch Sparsamkeit erreichen. 

Hier ist das Stichwort der sogenannte Frugalismus. Frugal bedeutet so viel wie sparsam und die Frugalisten plädieren für Disziplin und Verzicht, um eben viel sparen zu können. Über Sparsamkeit hatte ich bereits in Folge 36 über Sparquote und Sparrate erhöhen kurz gesprochen. Und mit Frugalismus werde ich mich auch nochmal tiefer in einer späteren Folge auseinandersetzen. In aller Kürze bedeutet dies zum Beispiel ein Verzicht auf unnötigen Konsum, wobei nötig bzw. Unnötig auch etwas im Auge des Betrachters liegen kann. 

Sparsam zu sein, das ist schonmal eine wichtige Eigenschaft auf dem Weg zur finanziellen Freiheit. 

Das reicht aber nicht. Das Ersparte sollte ebenso gewinnbringend investiert werden. Anhänger der FIRE-Bewegung investieren oft bereits in sehr jungem Alter und oft achten sie bei ihren Investments auf geringe Kosten, eine breite Streuung, eine attraktive Rendite und – ganz wichtig – ein überschaubares Risiko. 

Eine Möglichkeit wäre hier zum Beispiel das Investieren in ETFs, über das ich in Folge 22 und 23 gesprochen habe. Und mit einem Fokus auf das Management von Risiken agieren sie getreu der Maxime aus Folge 21 über die Kunst ein Vermögen zu erhalten

Langfristiger Investment-Erfolg verlangt nach zwei Dingen: Ein Vermögen aufzubauen und es zu erhalten. Güter anzuhäufen und sie nicht wieder zu verlieren. Eine Rendite erwirtschaften und sie nicht ins Risiko stellen. Und das einmal aufgebaute Vermögen nicht ins Risiko zu stellen, ist für einen FIRE-Anhänger essentiell. 

Wenn ich finanziell frei bin, also nicht mehr arbeiten muss, ich vielleicht auch nicht mehr arbeite, sondern von der Rendite meiner Investitionen lebe, dann muss ich unbedingt vermeiden, mein Vermögen ins Risiko zu stellen. 

Mit Struktur zur finanziellen Freiheit

Bei vielen Menschen, die das Ziel des langfristigen Vermögensaufbaus verfolgen, läuft das Sparen und Investieren so eher nebenbei. Dabei ist es sinnvoll früh anzufangen und dann auch am Ball zu bleiben, also zum Beispiel mit einer festen monatlichen Sparrate, die zum Beispiel via Sparplan in einen ETF investiert wird. 

Idealerweise hat man auch ein gutes Verständnis über die eigenen Ausgaben und man hat einen Haushaltsplan, wie in Folge 1 über die ersten Schritte der Geldanlage besprochen. Und für die meisten Menschen ist es eine gute Devise, dass man im Rahmen seiner Möglichkeiten spart und investiert. Selbst wenn die Beträge eher überschaubar sind, dann ist dies kein Grund, es nicht zu tun.

Doch Menschen, die die finanzielle Freiheit anstreben, die gehen das Ganze meist ein wenig strukturierter und auch ambitionierter an. Und nicht selten haben sie für sich eine strategische Finanzplanung gemacht. 

Dazu gehört zunächst, den Status Quo genau zu verstehen. Also man macht einen Kassensturz, wie in Folge 36 beschrieben.

  • Was sind meine Vermögenswerte?
  • Was sind meine Einnahmen?
  • Vielleicht auch die Frage: Kann ich meine Einnahmen erhöhen?
  • Welche fixen wie variablen Ausgaben habe ich im Monat?
  • Wie kann ich noch weitere Einsparungen vornehmen?
  • Und wie hoch kann ich meine Sparrate pushen?

Und dann kann man Ziele definieren. Also mit Blick auf die finanzielle Freiheit wäre das die Frage: Bei welchem Betrag bin ich finanziell frei und wie lange braucht es bei meiner Sparrate und einer zum Beispiel in der Vergangenheit üblichen Rendite, bis ich diesen Betrag erreiche?

Welchen Betrag benötige ich für meine finanzielle Freiheit, damit ich von den Erträgen, der Rendite, leben kann?

Daran hängt zunächst die Frage, wie viel Geld ich benötige. Deren Beantwortung kann zu sehr grundsätzlichen Diskussionen führen. Das kann nicht nur individuell unterschiedlich beantwortet werden, sondern das hängt auch stark vom eigenen Lebensstil ab, von der Lebenserwartung, aber auch von der zu erwartenden Inflationsrate.

Das führt an dieser Stelle in den Details zu weit und wird in späteren Folgen weiter vertieft. Aber angenommen, ich kalkuliere für mich mit 2.000 € im Monat, also 24.000 € im Jahr. 

Dann ist die Frage, wie hoch mein Vermögen sein muss, damit ich sicher eine Rendite erwirtschafte, die 24.000 € im Jahr beträgt, also damit die Rendite meine Lebenshaltungskosten trägt.

Eine oft zitierte Herangehensweise und in der Szene beliebt ist die sogenannte 4-Prozent-Regel. 

Demnach sollte man das 25-Fache seiner jährlichen Ausgaben ansparen und in ein breit gestreutes Portfolio investieren. Dann kann man, so jedenfalls die Theorie, pro Jahr 4 Prozent des investierten Vermögens entnehmen und das Vermögen wird bei einem Zeitraum von 25 Jahren nicht komplett aufgebraucht, wobei der entnommene Betrag jedes Jahr mit Blick auf die Inflation um 2% erhöht wird.

Also um im Beispiel zu bleiben: 24.000 € geteilt durch 0,04 bzw. 4%, ergibt 600.000 €. Das bedeutet: Bei einem Vermögen von 600.000 € entspricht 4% Rendite 24.000 €. Und 24.000 mal 25 entsprechen ebenso 600.000, da schließt sich der Kreis. Nach einem Jahr würden die 24.000 € um 2% erhöht auf 24.480 €, im Jahr darauf um weitere 2% auf 24.970 € usw.

Es gibt ein prominentes Beispiel für eben jene 600.000, nämlich Peter Adeney, der unter dem Namen Mr. Money Moustache einer der bekanntesten Protagonisten der FIRE-Bewegung ist. Adeney jedenfalls hat 2005 im Alter von Anfang 30 mit einem Vermögen von 600.000 Dollar aufgehört, in seinem regulären Job zu arbeiten. 

Meiner Meinung nach ist die 4-Prozent-Regel nur eine vereinfachte Faustformel und sollte wirklich mit Vorsicht genossen werden. 

Zunächst geht die 4%-Regel auf eine Studie zurück, die etwas anders gerechnet hat. Und zwar fanden Forscher in Texas im Jahr 1998 heraus, das wenn man sein Geld in jeder beliebigen 25-jährigen Phase zwischen 1926 und 1995 zu 75% in den US-Aktienindex S&P 500 und zu 25% in Anleihen investierte, dann konnte man jedes Jahr 4% plus Inflation abheben und man hatte am Ende der 25 Jahre noch immer Geld übrig.

Das ist mit Sicherheit eindrucksvoll, aber wenn ich mit 50, 40 oder sogar 30 Jahren in den Ruhestand gehe, dann ist es wünschenswert und auch einigermaßen wahrscheinlich, dass ich noch mehr als 25 Jahre Lebenszeit vor mir habe. Es kann ebenso sein, dass mein Finanzbedarf im Alter steigt, zum Beispiel weil ich höhere medizinische Kosten tragen muss. 

Die Studie hat zudem nur die Vergangenheit betrachtet. Wir wissen aber nicht, wie genau sich die Aktienmärkte in den nächsten Jahrzehnten entwickeln werden. Da können 4% jährliche Entnahme auch recht aggressiv kalkuliert sein. 

Die letzten Jahre haben auch gezeigt, dass die Inflation ordentlich hochschießen kann. Und wenn zum Beispiel die Wohn- und Energiekosten explodieren, geht die Rechnung vielleicht auch nicht mehr auf. Zudem sollte man für familiäre oder gesundheitliche Notfälle gewappnet sein, die ungeplante Kosten verursachen können.

Die 4%-Regel wird oft heiß diskutiert, da gibt es leidenschaftliche Debatten von Kritikern und auch Befürwortern. Das Thema werde ich zu einem späteren Zeitpunkt nochmal vertiefen. 

Aber für den Moment bleibt für mich festzuhalten, dass es da einige offene Fragen gibt und ich persönlich würde mein finanzielles Wohlergehen jedenfalls nicht ohne weiteres von der 4%-Regel abhängig machen. 

Finanzielle Freiheit und die FIRE Bewegung

So, wie Lebensmodelle im Allgemeinen sehr unterschiedlich sein können, so ist auch die FIRE-Bewegung relativ heterogen. Es gibt verschiedene Kategorien oder Unterarten der FIRE-Bewegung, die jeweils für einen leicht unterschiedlichen Ansatz stehen. 

Die Anhänger von “Lean Fire” bspw. fokussieren darauf, ihre Ausgaben maximal niedrig zu halten. Die Idee ist, dass wenn man nur wenig im Leben benötigt, dann ist auch ein ebenso geringes Vermögen notwendig, um einzig von der Rendite zu leben. Das verlangt halt einen sehr minimalistischen Lebensstil. Das ist gelebter Frugalismus und nicht jedermanns Sache. Andererseits ist mit “Lean Fire” zumindest eine gewisse finanzielle Freiheit auch für Menschen mit einem nicht ganz so hohen Einkommen theoretisch möglich.

Demgegenüber stehen die Anhänger von “Fat Fire”. Die wollen nicht minimalistisch leben, sondern einen gewissen Lebensstandard wahren, zum Teil wird auch ein eher luxuriöser Lebensstil angestrebt. Ergo benötigen sie auch ein eher höheres Vermögen, um ihren Lebensstil aus der Rendite zu finanzieren. Das ist also nur was für Besserverdiener, Erben oder auch Unternehmer, also die oberen 1% der Vermögens- und Einkommenspyramide, die sich auch eine sehr hohe Sparrate leisten können. 

Neben diesen beiden eher extremen Auslegungen gibt es weitere Abstufungen, zum Beispiel die Anhänger vom sogenannten Barista-FIRE. Deren Bestreben ist es, nur noch in Teilzeit zu arbeiten. Der Begriff des Barista-FIRE lehnt sich dabei an das Beschäftigungsverhältnis in vielen Cafés an, das sind zumindest in den USA häufig Minijobs. Sie sind also weiterhin sozial- und rentenversicherungspflichtig beschäftigt, sie benötigen nicht so viel Geld, sie haben aber mehr Freizeit, als dies bei einer Vollzeitbeschäftigung der Fall wäre.

Unterm Strich lässt sich festhalten, dass die FIRE-Bewegung in den letzten Jahren zwar an Popularität gewonnen hat. 

Doch die notwendige Disziplin und Ausdauer ist vielleicht nicht für jeden etwas. Und das Ziel der finanziellen Freiheit mag in Zeiten von Energieunsicherheit, steigenden Wohn- und Lebenshaltungskosten und einer insgesamt eher schwierigen wirtschaftlichen Lage, auch etwas weit weg von der Realität erscheinen.

FIRE in der Praxis angewendet, kann auch etwas extrem erscheinen, also eine übermäßige Sparsamkeit, die auch Formen von Geiz annehmen kann. Das deckt sich nicht unbedingt mit dem Lebensentwurf vieler Menschen. Ob und wie man das umsetzt, ist wie bei allen finanziellen Entscheidungen zutiefst individuell und von den persönlichen Lebensumständen, der finanziellen Situationen und auch den eigenen Zielen abhängig.

Das gleiche gilt für die Frage, ob man die finanzielle Freiheit überhaupt erreichen kann. Das hängt von vielen Faktoren ab. Wenn man ein nur niedriges Einkommen hat und nichts erbt, kann man sich noch so sehr strecken, das bleibt wahrscheinlich nur ein Traum. Gleichzeitig kann ein genügsamer Mensch mit geringen Ausgaben in vielen Fällen durchaus eine gewisse finanzielle Freiheit erreichen. Und auch wenn Du ein hohes Einkommen erzielst oder ein hohes Vermögen besitzt, wirst Du nicht finanziell frei sein, wenn Du einen sehr aufwendigen Lebensstil pflegst, der Deine finanziellen Mittel überstrapaziert.

FIRE impliziert, dass der anzustrebende Lebenszustand auf später verschoben wird. Das ist im Prinzip das Gegenteil davon, sich nicht schon heute um seine finanzielle Situation im Rentenalter zu kümmern. Und so wie es riskant ist, sich nicht mit der Zukunft zu beschäftigen, kann auch das weite Aufschieben des anzustrebenden Lebenszustands schiefgehen. Ich kann erkranken oder früh sterben. Siehe auch die Lifestyle-Falle aus Folge 12: Wir leben in der Annahme, dass Schicksalsschläge wie Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Scheidung immer nur den anderen passieren. 

Ich sollte mir also Gedanken machen, wie ich diesen Lebenszustand nicht nur in der Zukunft skizziere, sondern ob ich nicht schon heute damit anfangen soll. Es ist ja sinnvoll, Zukunftspläne zu schmieden und auf Ziele hinzuarbeiten. Aber das Leben findet hier und jetzt statt.

Ich finde, dass auch wenn man sich nicht als Teil der FIRE-Bewegung sieht, kann man sich trotzdem von ihr inspirieren lassen. 

Denn sie vertritt meiner Meinung nach einige sinnvolle und durchaus empfehlenswerte Dinge. Eine klare Übersicht der eigenen Finanzen, das Hinterfragen, welche Ausgaben einen überhaupt glücklich machen und die eigene Lebensqualität steigern, die Definition konkreter Sparziele und ganz grundsätzlich: mit dem Sparen und Investieren loszulegen. 

Das sind alles richtige und wie ich finde wichtige Punkte. Und auch wenn man vieles richtig macht, ist die finanzielle Freiheit am Ende des Weges nicht garantiert. 

Doch allein den Weg zu skizzieren und zu beschreiten kann schon dabei helfen, einen bewussteren Umgang mit Geld zu erlangen und den Vermögensaufbau motiviert und diszipliniert anzugehen. 

Und wenn man für sich klar hat, welche Ausgaben einen wirklich glücklicher machen, dann wird man vermutlich genügsamer und auch erfüllter sein.

PS: Das Titelbild ist in Louisiana entstanden.

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