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Survivorship Bias – kluge Finanzentscheidungen jenseits trügerischer Erfolgsgeschichten

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Survivorship Bias oder auf Deutsch der Überlebenseffekt kann auftreten, wenn wir bei der Betrachtung von zum Beispiel erfolgreichen Menschen, erfolgversprechenden Strategien oder erfolgreichen Aktien nur einen kleinen und nicht repräsentativen Datensatz auswerten. 

Und zwar, wenn wir lediglich die “Überlebenden” oder auch die “Erfolgreichen” beobachten. Also weniger erfolgreiche Menschen, Situationen, in denen eine Strategie nicht erfolgreich war oder Aktien von Unternehmen, die gescheitert sind, die ignorieren wir.

Das kann dann zu einem verzerrten Ergebnis führen, wobei das eigentliche Ergebnis unter Berücksichtigung aller Ereignisse oder aller relevanten Elemente anders bzw. schlechter ausfallen würde. 

Kurzum: Durch Survivorship Bias werden die Aussichten auf Erfolg systematisch überschätzt.

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Der Begriff Survivorship Bias geht auf den Zweiten Weltkrieg zurück. 

Damals verzeichneten die Alliierten herbe Verluste ihrer Flugzeuge. Daraufhin beschloss man, die Panzerung der Flugzeuge zu verbessern.

Doch man konnte die Flugzeuge nicht beliebig stark panzern. Zu dicke und zu viele Panzerungen hätten das Gewicht und somit Reichweite und Flugeigenschaften eingeschränkt.

Nun ist es intuitiv naheliegend, diejenigen Bereiche eines Flugzeugs gezielt zu verstärken, die besonders gefährdet sind. So dachte man auch seinerzeit. 

Und man stellte fest, dass diejenigen Flugzeuge, die nicht abgeschossen wurden und heil zurückkamen, dass diese Flugzeuge an manchen Stellen besonders viele Einschusslöcher aufwiesen. An anderen Stellen wiederum waren diese Flugzeuge nahezu unversehrt. Daraufhin wurden die besonders von Einschüssen betroffenen Stellen zusätzlich verstärkt. Doch leider erhöhten sich trotz dieser Maßnahme die Chancen der Flugzeuge nicht, von einem Einsatz wieder zurückzukehren.

Tatsächlich wäre es besser gewesen, die Flugzeuge rund um das Cockpit zu verstärken. Dort hatten die zurückgekehrten Flugzeuge zwar kaum Einschusslöcher. Doch ein Treffer beim Cockpit würde in vielen Fällen zu einem Absturz führen. Das lässt sich aber nicht aus den zurückgekehrten Flugzeugen, den Überlebenden, herauslesen. Dazu hätte man die abgeschossenen Flugzeuge untersuchen müssen.

Diese verzerrte Beobachtung, das ist der Überlebenseffekt, die Survivorshiop Bias. 

Erfolge sind sichtbarer als Nicht-Erfolge. Damit wird aber nicht zwingend der Grund für das Nicht-Scheitern sichtbar. Und durch Survivorship Bias kann die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs systematisch überschätzt werden. 

Wir schauen auf die Gewinner, auf das, was offenbar erfolgreich ist. Und aus ihrem Erfolg leiten wir die Hypothese ab, dass sie das Rezept für Erfolg haben bzw. sind. 

Und das wird durch mediale Berichterstattung und durch Social Media noch verstärkt. Dort werden uns Erfolge und erfolgreiche Menschen permanent präsentiert. 

Wir bewundern diejenigen, die erfolgreich investieren, die eine hohe Rendite erwirtschaften, die es zu Reichtum gebracht haben. Wir bewundern Menschen, die den Durchbruch als Influencer, Schauspieler oder Musiker geschafft haben. 

Wir sehen überproportional viele Erfolge. Und daraus wachsen bei uns Begehrlichkeiten. Viele junge Menschen träumen davon, Schauspieler oder Influencer zu werden. Weil die erfolgreich sind. Das kann man jeden Tag eindrucksvoll bei Instagram & Co. sehen. 

Man sieht aber nicht diejenigen Menschen, die scheitern. 

Die Geschichte einer Sängerin, die entgegen aller Widerstände und aller Nein-Sager an sich geglaubt hat, die jahrelang vor kleinem Publikum aufgetreten ist und die es irgendwann dann geschafft hat. Sie startet richtig durch, wird reich und berühmt. Das ist eine verdammt tolle Geschichte. 

Zur Wahrheit gehört ebenso, dass es neben ihr zig weitere ebenso talentierte Sängerinnen gab, die ebenso hart gearbeitet haben, aber die es leider nicht geschafft haben. Erfolge haben mehr Sichtbarkeit als Misserfolge. Über die wird weniger berichtet.

Mark Zuckerberg, Gründer von Meta, Steve Jobs, Gründer von Apple. Beide haben die Uni geschmissen und haben es dann der Welt so richtig gezeigt. Diese Geschichten sind bekannt. Weitaus weniger bekannt sind die Geschichten von Menschen, bei denen der Abbruch der Ausbildung wohl keine so gute Idee war.

Survivorship Bias lässt sich auch an der Börse und beim Investieren beobachten. 

Die meisten Unternehmensgründungen scheitern. Wir aber lieben Geschichten über erfolgreiche Startups. In der Dot-Com-Blase Anfang der 2000er Jahre wurden hunderte Unternehmen weggefegt und haben nicht überlebt. Wir kennen heute vornehmlich die überlebenden Unternehmen, wie Apple, Microsoft oder Adobe. Also vor allem Unternehmen, die in den folgenden zwei Jahrzehnten zu globalen Gewinnern wurden.

Und bei jungen und stark wachsenden Technologie-Aktien kann man nicht nur eine hohe Volatilität, also hohe Schwankungen des Aktienkurses beobachten. Gerade solche Unternehmen sind auch anfälliger dafür, komplett pleite zu gehen und vom Markt zu verschwinden, als dies bei etablierten Firmen der Fall ist.

Wenn wir auf die Amazons und Googles dieser Welt gucken, dann sehen wir in den letzten zwei Jahrzehnten einige Unternehmen, die einen enorm starken Lauf an der Börse hatten und die ihren Aktionären hohe Gewinne gebracht haben.

Dann mag mancher für sich daraus ableiten, dass Technologie-Aktien besonders attraktiv sind. Und vielleicht baut er oder sie ein besonders Technologie-lastiges Portfolio.

Wenn man aber nicht nur die Überlebenden sondern auch die Firmen in seine Beobachtung mit einbezieht, die es heute nicht mehr gibt, dann würde der Technologie-Sektor als Investment vielleicht nicht ganz so vielversprechend aussehen. 

Und dann könnte man zu dem Schluss kommen, dass Technologiefirmen zwar einen relevanten Anteil am Portfolio haben könnten, aber dass es ebenfalls sinnvoll sein kann, breiter zu diversifizieren und auch in Aktien von zum Beispiel Konsumgüterherstellern oder Industrieunternehmen zu investieren.

Das gilt grundsätzlich: Wenn man Backtesting macht, also wenn man eine Anlagestrategie oder eine Branche auf Basis historischer Daten bewertet, dann sollte man die Survivorship Bias auf dem Schirm haben und auch die Nicht-Überlebenden mit einbeziehen. 

Nur, wenn die Nicht-Überlebenden ebenfalls berücksichtigt werden, zeigt sich die wirkliche Rendite und die Effektivität einer Anlagestrategie. 

Survivorship Bias bei Fondsmanagern und Fonds

Ein beliebtes Thema von Finanzanalysten und auch von manchen Medien ist das Ranking und die Diskussion von besonders erfolgreichen Fondsmanagern bzw. Deren Fonds. Und aus den Erfolgen werden Erkenntnisse über die Märkte oder über besonders vielversprechende Investmentstrategien abgeleitet. 

Doch wenn ein Fonds nicht performt, also keine gute Rendite erwirtschaftet, dann wird der Fonds oft geschlossen oder mit anderen Fonds fusioniert. Er überlebt also nicht. Das passiert gar nicht selten. Laut Stiftung Warentest werden jeden Monat rund 70 Fonds aufgelöst oder fusioniert. 

Und die aufgelösten bzw. fusionierten Fonds verschwinden häufig aus den entsprechenden Datenbanken und auch in Finanzanalysen werden oft nur die überlebenden Fonds untersucht. Es bleiben also nur die Überlebenden, also die Fonds mit einer guten Rendite, bestehen.

Würde man hingegen das ganze Bild betrachten, also auch die Misserfolge mit in den Blick nehmen, dann sähe die Performance mancher Fondsmanager oder mancher Investment-Strategien deutlich schlechter aus. 

Und wenn wir erfolgreiche Fonds bzw. Fondsmanager betrachten, dann gehen wir davon aus, dass sie auch in Zukunft erfolgreich sein werden. Doch wenn sie in der Vergangenheit sehr erfolgreich waren, dann fahren sie nicht selten danach schlechte Ergebnisse ein, zum Beispiel weil ihre Strategie nicht mehr aufgeht. Weitere Details dazu kannst Du in Folge 24 über Star-Investoren noch eiinmal nachhören.

Survivorship Bias kann ebenfalls bei der Betrachtung von Börsen-Indizes auftreten. 

Der Deutsche Aktienindex DAX bspw. hat seit seiner Auflegung im Juli 1988 im Schnitt knapp 8% pro Jahr zugelegt.

Der DAX ist ein Gütesiegel. Das steht für die Stärke der deutschen Wirtschaft, für Größe und langfristigen Bestand, für Seriosität und Vertrauen. Daraus könnte man ableiten, dass Unternehmen aus dem DAX ein besonders gutes langfristiges Investment darstellen. Doch da muss man aufpassen.

Es gibt verschiedene Aufnahmekriterien für den DAX. So muss ein Unternehmen bspw. seinen Sitz in Deutschland haben und mit Blick auf die Marktkapitalisierung zu den größten Unternehmen gehören. 

Und dann erfolgt jedes Jahr eine Überprüfung und ggf. eine Anpassung der DAX-Zusammensetzung. Also ein Unternehmen kann aus dem DAX fliegen und ein anderes neu aufgenommen werden. 

Die Unternehmen im DAX wechseln. 

BASF oder Bayer bspw. sind seit der Gründung 1988 im DAX vertreten. Andere Unternehmen wie Beiersdorf, Continental oder die Lufthansa mussten den DAX zwischenzeitlich verlassen, schafften dann die Wiederaufnahme. Und wieder andere Unternehmen verschwanden vom Markt, wie die Dresdner Bank, die von der Allianz übernommen wurde. 

Die Hypo Real Estate ging im Zuge der Finanzkrise pleite und wurde verstaatlicht. Und spätestens seit der spektakulären Pleite von Wirecard wissen wir, dass der Titel DAX-Mitglied nicht zwingend für seriöses Wirtschaften steht.

Der Punkt ist: Die historische Performance des DAX von ca. 8% pro Jahr ist real. Das gilt aber nicht per se für die im DAX enthaltenen Unternehmen. 

Und man sollte nicht unterstellen, dass die Mitgliedschaft im wichtigsten deutschen Aktienindex mit einem guten Investment gleichzusetzen ist. 

Survivorship Bias und Finanzautoren oder Influencer in den sozialen Medien.

Es gibt viele Buchveröffentlichungen, in denen die Erfolge einzelner Investoren besprochen werden, während Influencer oder vermeintliche Gurus gerne lautstark ihre Erfolgsgeheimnisse präsentieren. Das sind dann nicht selten eher waghalsige Börsengeschäfte oder Investitionen in den neuesten Hype, wobei Du den Eindruck erliegen kannst, dass alle außer Dir selbst gerade das große Geld scheffeln, Stichwort Verlustaversion oder FOMO.

Doch selbst wenn man unterstellt, dass die im Einzelfall berichteten Erfolge stimmen, siehst Du nicht das komplette Bild.  Die Beobachtungen und Erfahrungen können ja durchaus stimmen.

Es sind in der Regel aber Einzelfälle. Und Du erfährst nicht, ob die Beobachtung eines repräsentativen Datensatzes zum gleichen Ergebnis kommen würde, also ob die Erkenntnisse wirklich als Leitfaden zum finanziellen Erfolg taugen.

Vielleicht haben andere eine besprochene Anlagestrategie ebenfalls angewendet. Sie waren nur leider nicht erfolgreich. Also ohne Berücksichtigung der Nicht-Überlebenden, kann die Darstellung verzerrt sein und die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Strategie kann überschätzt oder komplett falsch eingeschätzt werden. 

Wir Menschen fühlen uns nunmal von Erfolgsgeschichten angezogen. 

Autoren und Influencer können gerade das: gut Geschichten erzählen. Ihre Geschichten geben uns ein Gefühl von Kontrolle, dass wir schon das richtige tun, wenn wir nur ihre Tipps beherzigen. 

Sie geben uns Orientierung. Wir wollen ihnen nacheifern und vielleicht ereilt uns auch Gier oder Neid, dass wir diesen Erfolg ebenfalls erzielen möchten. 

Und auch wenn die Informationen stimmen, passiert es häufig, dass Anleger schlicht zu spät auf den Zug aufspringen. Wenn die Geschichte bspw. lautet “Aktie XY hat sich in den letzten drei Jahren verdoppelt” – dann hat sich der Kurs halt in der Vergangenheit gut entwickelt. Das muss aber nicht für die Zukunft gelten. Nicht selten ist die Party an der Börse bereits geschehen und die weitere Kursentwicklung ist eher mau.

Grundsätzlich sollten wir uns beim Investieren der Survivorship Bias bewusst sein, um verführerische Geschichten kritisch zu hinterfragen. 

  • Gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen einem Erfolg und der zugrundeliegenden Geschichte bzw. Strategie?
  • Handelt es sich um eine Ausnahme? Also ist das ein Einzelfall oder gibt es ebenso Datenpunkte, die dem Ergebnis widersprechen, bei denen das Ergebnis nicht von Erfolg gekrönt war?
  • Und wie wahrscheinlich ist es, das Ergebnis mit dem gleichen Vorgehen zu reproduzieren?

Das kann dann auch in der schmerzhaften Erkenntnis resultieren, dass die einfachen Wahrheiten und Formeln für schnellen Reichtum eben nicht existieren. Dass wir abseits von individuellen Faktoren, von Glück und Zufall eben nicht die einfache Abkürzung zu Reichtum und finanzieller Unabhängigkeit nehmen können. 

Charlie Munger ist der Meinung, dass unrealistische oder zu hohe Erwartungen zu ständiger Unzufriedenheit und zu Misserfolg führen können. Er plädiert dafür, dass die eigene Erwartungshaltung auf einer realistischen Einschätzung beruhen sollte. Auf Basis dessen, was realistisch erreichbar ist und was man selbst kontrollieren kann. 

Das heißt nicht Mittelmaß, zeugt aber von einer gesunden Grundhaltung. Also die Chance, Multimillionär zu werden, ist wohl eher gering. Es ist ebenso unwahrscheinlich, Wohlstand über Nacht aufzubauen. Oder dass man die eine Aktie findet, die einem ein Vermögen beschert.

Es gibt hervorragende Investoren wie Warren Buffett, die mit Einzelaktien reich geworden sind. Viele haben damit aber langfristig eine eher niedrige Rendite eingefahren. Deswegen sollte man gründlich hinterfragen, ob das finanzielle Glück in der Auswahl von Einzelaktien liegt. 

Es mag ebenso Anleger geben, die mit riskanten Optionsgeschäften hohe Renditen eingefahren haben. Viele andere haben damit ein Vermögen in den Sand gesetzt. 

Ich persönlich bleibe meinem Investmentansatz treu. 

Ich investiere mit einem langfristigen Zeithorizont und einem konservativen sowie breitgestreuten Portfolio, wie ich es in diesem Podcast schon öfters besprochen habe, zum Beispiel in Ausgabe 1 über die ersten Schritte der Geldanlage oder auch in Ausgabe 14 über die erste Regel des Investierens

Da ist die Datenlage nämlich ziemlich eindeutig. Mit diesem Vorgehen kann man über einen langen Zeitraum ein komfortables Finanzpolster aufbauen. Und obendrein kann man dabei auch noch ruhig schlafen und muss sich nicht permanent um seine Ersparnisse sorgen.

PS: Das Titelbild ist in Griechenland entstanden.

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