Geldanlage und Vermögensaufbau

Die Kunst der Unternehmensbewertung

Warum ist Unternehmensbewertung wichtig? Eine Unternehmen kann hervorragend sein. Doch wenn der Preis der Aktie zu hoch ist, dann ist es kein gutes Investment. Die Frage ist, ob die Bewertung des Unternehmens bzw. der Aktie angemessen ist.

  • Welche Vorgehensweisen gibt es bei der Unternehmensbewertung?
  • Welche Hürden muss man bei diesem Thema überwinden?

Hier geht es zum Podcast:

Das Thema Unternehmensbewertung ist nicht ganz einfach und wirklich für Fortgeschrittene.

Deswegen: Wenn Du diesen Podcast vornehmlich hörst, um besser mit Geld umzugehen; wenn Geldanlage für Dich in erster Linie bedeutet, regelmäßig in einen ETF-Sparplan einzuzahlen, dann ist das Thema Unternehmensbewertung vielleicht eher nichts für Dich.

Wenn Du hingegen in einzelne Aktien investieren möchtest, dann solltest Du Dich meiner Meinung nach mit diesem Thema befassen. 

Ich werde in dieser Ausgabe einen Überblick darüber geben, wie Profis auf das Thema Unternehmensbewertung blicken. Ich werde mögliche Ansätze und Modelle der Unternehmensbewertung ansprechen, wobei je nach Situation eine andere Methode empfehlenswert sein könnte. 

Also ein, wie ich finde, spannendes, aber kein leichtes Thema. Und wenn Du hier tiefer einsteigen möchtest, dann kann diese Ausgabe ein guter erster Schritt sein.

Der Investor Joel Greenblatt erklärt Unternehmensbewertung ziemlich anschaulich. 

Er vergleicht die Bewertung eines Unternehmens mit dem Kauf von einem Haus. 

Angenommen, Du möchtest ein Haus kaufen und der Kaufpreis liegt bei 400.000 €. Deine Aufgabe ist es nun herauszufinden, ob das ein guter Preis ist oder auch nicht. 

Dazu würde man sich beim Hauskauf ein paar Fragen stellen. Eine Frage könnte sein: Wenn ich das Haus vermiete und abzüglich meiner Kosten erziele ich Mieteinnahmen von zum Beispiel 30.000 € im Jahr. Dann beträgt Deine jährliche Rendite bei einem Kaufpreis von 400.000 € 7,5%. Nehmen wir an, am Markt erhältst Du sonst 4% Zinsen. Dann könnte 7,5% Rendite auf einen guten Preis hindeuten. 

Eine andere Frage könnte sein: Zu welchem Preis werden vergleichbare Häuser in der Nachbarschaft oder in der Region verkauft? Greenblatt stellt dazu fest, dass er bei Fragen der Unternehmensbewertung ziemlich ähnlich vorgeht. Er fragt sich, wie günstig ein Unternehmen im Vergleich zu ähnlichen Unternehmen ist? Also zum Beispiel in der gleichen Branche? Wie günstig ist das Unternehmen auf Basis der erzielten Rendite im Vergleich zu anderen Unternehmen?

Bei der Unternehmensbewertung blickt er nicht nur auf den relativen Wert.

Er schaut sich ebenfalls die Historie an und er prüft, wie dieses und andere Unternehmen traditionell bewertet wurden und wie die Bewertung im Vergleich dazu heute ist. 

Vielleicht hatte ein Unternehmen in der Vergangenheit meist einen hohen Preis und heute ist der Preis im Vergleich zum Markt eher niedrig. 

Gleichzeitig sollte der relative Wert, also der Wert des Unternehmens im Vergleich zu anderen Unternehmen, auch nicht der einzige Maßstab sein. Das wäre wie wenn man auf dem Gipfel einer Aktienblase die billigste Aktie kaufen würden. 

Greenblatt nimmt als Maßstab für einen absolut günstigen Preis die Free Cashflow Rendite eines Unternehmens.

Da wird es dann inhaltlich komplexer. Kurz gesagt beschreibt der Free Cashflow die Finanzkraft eines Unternehmens. Es sind die frei verfügbaren finanziellen Mittel, die ein Unternehmen zur Rückzahlung von Krediten, zur Ausschüttung von Dividenden, für Aktienrückkäufe oder auch für Investitionen verwenden kann. 

Also um im Beispiel des Hauskaufs zu bleiben: Wie viel Miete bleibt mir nach Abzug der Kosten übrig.

Und die Free Cashflow Rendite ist der Free Cashflow pro Aktie im Vergleich zum Aktienkurs. Eine hohe Free Cashflow Rendite weist darauf hin, dass ein Unternehmen ordentlich Barmittel erwirtschaftet, mit dem es Schulden tilgen und zum Beispiel Dividenden zahlen kann.

Man kann verschiedene Unternehmen hinsichtlich ihrer Free Cashflow Rendite miteinander vergleichen. Also neben der Frage, ob es sich um einen absolut günstigen Preis handelt, prüft Greenblatt, ob der Preis relativ günstig ist, also im Vergleich zu ähnlichen Unternehmen, zum Aktienmarkt insgesamt und zum historischen Preis.

All diese Faktoren wägt er gegeneinander ab. Und somit ist die Bewertung eines Unternehmens seiner Meinung nach wie die Bewertung von einem Haus: Wie günstig ist es absolut und wie günstig ist es relativ. 

Unternehmensbewertung und Marktkapitalisierung

In Folge 29 über Aktienrückkäufe, da habe ich den Begriff der Marktkapitalisierung eingeführt. Kurz zur Erinnerung: Die Anzahl der Aktien eines Unternehmens multipliziert mit dem Aktienkurs ergibt die Marktkapitalisierung des Unternehmens. 

Marktkapitalisierung meint den Betrag, mit dem der Markt das Unternehmen bewertet. Also angenommen, ein Unternehmen hat 5 Millionen Aktien und der Aktienkurs liegt bei 12 €. Dann liegt die Marktkapitalisierung bei 5 Millionen mal 12 €, also 60 Mio. €. Das bedeutet, dass das Unternehmen an der Börse, also am Markt, 60 Mio. € wert ist. 

Und so wie Joel Greenblatt die Frage stellt, ob der Preis von einem Haus gerechtfertigt ist, ist an der Börse die Frage, ob der Marktwert, die Marktkapitalisierung gerechtfertigt ist. Das muss nämlich nicht so sein. 

  • Wenn das Unternehmen zum Beispiel nur 50 Mio. € wert wäre, dann wäre es am Markt überbewertet.
  • Wenn das Unternehmen aber in Wahrheit 70 Mio. € wert ist, dann wäre es am Markt unterbewertet.

Also der Marktwert ist nicht zwingend gleichbedeutend mit dem wahren Wert des Unternehmens.

Die Marktkapitalisierung besagt lediglich, was das Unternehmen aktuell nach Meinung des Marktes wert ist.

Und Börsenkurse sind Schwankungen unterworfen. Da erinnern wir uns an Folge 2 wenn die Börsen bebenDa sprach ich davon, dass der Aktienkurs eines Unternehmens kurzfristig für Meinungen, Emotionen und irrationales Verhalten anfällig ist.

Aber langfristig spiegelt der Aktienkurs durchaus den wahren Wert des Unternehmens wider. Also wenn Du als Investor in Einzelaktien investieren möchtest, dann möchtest Du wissen, wie viel ein Unternehmen tatsächlich wert ist und ob eine Aktie über- oder unterbewertet ist. 

Es gibt verschiedene Möglichkeiten und Methoden der Unternehmensbewertung

Eine Möglichkeit ist, dass man den Buchwert pro Aktie berechnet. Vereinfacht gesagt basiert der Buchwert auf der Bilanz eines Unternehmens. Dabei werden Vermögenswerte, wie zum Beispiel Maschinen erfasst, und davon werden die Verbindlichkeiten abgezogen. Und Buchwert pro Aktie ist dann der Buchwert geteilt durch die Anzahl der ausstehenden Aktien.

Dann kann man das Kurs-Buchwert-Verhältnis berechnen, kurz KBV, also der Aktienkurs geteilt durch den Buchwert pro Aktie. Ein KBV von 1 bedeutet dann, dass die Marktkapitalisierung dem Buchwert entspricht. 

Meistens ist die Marktkapitalisierung allerdings deutlich höher als der Buchwert. Das liegt zum Beispiel daran, dass die Ertragskraft des Unternehmens, also zukünftige Gewinne und auch das Wachstum nicht im Buchwert berücksichtigt werden. 

Also der Wert eines Unternehmens, lässt sich mit dem KBV nicht gut ermitteln. Aber man kann mit dem KBV die Bewertung ähnlicher Unternehmen miteinander vergleichen. 

Und diese Kennzahlen, also den Buchwert pro Aktie oder auch das KBV, kannst Du wie erläutert selbst berechnen, die werden aber auch auf den gängigen Finanz-Plattformen ausgewiesen.

Also, mit dem KBV, dem Kurs-Buchwert-Verhältnis kann man ähnliche Unternehmen miteinander vergleichen. 

Das reicht uns aber nicht zur Unternehmensbewertung

Uns interessiert ebenso, ob es sich bei dem aktuellen Unternehmenswert um einen absolut günstigen Preis handelt und wir möchten die Bewertung ebenso historisch einordnen. 

Das kann man zum Beispiel mit sogenannten Earnings Multiples. Das bedeutet auf Deutsch so viel wie Gewinnmultiplikatoren. Vereinfacht gesagt sind das Kennzahlen, die den Preis einer Aktie ins Verhältnis zur Ertragskraft, zum Gewinn des Unternehmens stellen. 

Die Idee ist, dass der Marktwert, der sich im Preis einer Aktie ausdrückt, zumindest theoretisch den zukünftig erwarteten Wert des Unternehmens, die zukünftigen Gewinne abbildet. Indem man diesen vom Markt unterstellten Wert ins Verhältnis zur tatsächlichen Ertragskraft setzt, kann man sehen, ob die Bewertung des Unternehmens eher hoch oder niedrig ist. 

Und das wohl berühmteste Earnings Multiple haben wir in diesem Podcast bereits kennengelernt, nämlich das Kurs-Gewinn-Verhältnis, kurz KGV aus Folge 31.

Zur Erinnerung: Das KGV drückt das Verhältnis von Aktienkurs zum Unternehmensgewinn aus. Der aktuelle Aktienkurs eines Unternehmens wird durch dessen Gewinn pro Aktie geteilt. 

Damit kann man sehen, welchen Faktor des Jahresgewinns man für die Aktie bezahlen muss, also ob der Aktienkurs eines Unternehmens mit Blick auf die Ertragskraft hoch oder niedrig, die Aktie günstig oder teuer ist. Und man kann ebenso den Vergleich zum historischen KGV oder auch zu anderen Aktien ziehen.

Wir haben also das KBV, Kurs-Buchwert-Verhältnis und das KGV, Kurs-Gewinn-Verhältnis als ein Beispiel für Earnings Multiples. 

Es gibt verschiedene Earnings Multiples, mit denen die Bewertung eines Unternehmens berechnet werden kann, zum Bespielt Enterprise Value to EBITDA bzw. kurz EV to EBITDA. Die Berechnung und Anwendung dieser Metriken ist zum Teil komplex und die werde ich an dieser Stelle nicht weiter vertiefen.

Und als komplex gilt insbesondere die Königsdisziplin der Unternehmensbewertung, nämlich Discounted Cash Flow, kurz DCF. Diese Methode ist wirklich nicht trivial. Kurz gesagt geht es darum, den Wert eines Unternehmens auf Basis der zukünftig erwarteten erwirtschafteten Erträge und deren Wert zum jetzigen Zeitpunkt zu ermitteln. 

Deswegen: Kennzahlen wie das KBV und das KGV sind relativ einfach zu verstehen. Die werden auch auf den gängigen Finanzplattformen ausgewiesen und damit kann man schon ganz gut arbeiten. 

Wenn man die Kunst der Unternehmensbewertung aber wirklich tief beherrschen möchte, dann sollte man tiefer in die Welt der Finanzen vordringen. Man sollte bspw. eine Bilanz lesen können, man sollte die Gewinn-und-Verlustrechnung eines Unternehmens verstehen und man sollte sich mit den verschiedenen Finanz-Kennzahlen auskennen.

Das sind klassische Inhalte eines Wirtschafts- bzw. Finanzstudiums. Wenn Du Dich aber dafür interessierst, dann gibt es ebenso sehr gute Erklärvideos im Internet. Für diesen Podcast sprengt das jedoch den inhaltlichen Rahmen. 

Abschließend lässt sich zur Unternehmensbewertung sagen: 

Die Preisentwicklung einer Aktie oder die Marktkapitalisierung eines Unternehmens allein sagen Dir nicht, ob die Bewertung gerechtfertigt ist.

Wenn Du in Einzelaktien investierst, dann kommt es auf das Gesamtpaket an: Ein qualitativ hochwertiges Unternehmen mit guten Zukunftsaussichten zu einem guten Preis.

Es gibt durchaus den Fall, dass ein schlechtes Unternehmen ein gutes Investment darstellt, zum Beispiel wenn die Bewertung phänomenal günstig ist. Aber das ist eine ganz andere Geschichte und sprengt den Rahmen dieser Folge.

Ansonsten gilt der bekannte Hinweis in diesem Podcast: Investitionen in Einzelaktien sind nicht für jedermann. 

Deswegen überlege Dir genau, ob die Investition in Einzelaktien Dein Weg der Wahl ist, oder ob Du, wie bereits erläutert, nicht doch auf einen passiven Investmentansatz mit zum Beispiel ETFs setzt. 

PS: Das Titelbild ist in Brandenburg entstanden.

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