Das Easterlin-Paradox

Das Easterlin Paradox beschreibt einen etwas widersprüchlichen Zusammenhang von Wohlstand und Glück. In dieser Folge geht es darum, was das Easterlin Paradox ist und was das für das Streben nach Glück mit Blick auf Geld und den Vermögensaufbau bedeuten kann.

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Das Easterlin Paradox

In Folge 16 mit einem Plädoyer für finanzielle Zuversicht, da sprach ich davon, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse und Lebensumstände in den letzten zweihundert Jahren massiv verbessert haben.

Die Lebenserwartung ist gestiegen, ebenso der Wohlstand, viele Menschen sind der Armut entkommen. Wir fahren in den Urlaub, ein Konzept, das vor zweihundert Jahren außer bei den oberen Tausend noch gar nicht existierte.

Und nun könnte man annehmen, dass wir dank dieses Aufschwungs auch zufriedener sind. Also frei nach der Formel: Je mehr Wohlstand, desto glücklicher. Doch so einfach ist es leider nicht. 

Mehr Wohlstand bedeutet nicht unbedingt mehr Glück

Der Ökonom Richard Easterlin beschäftigt sich seit einigen Jahrzehnten mit dem Zusammenhang zwischen Einkommen bzw. Wohlstand und subjektivem Glücksempfinden. 

Und in einem Aufsatz im Jahr 1974 stellte er fest, dass Einkommen und Wohlstand in den USA seit dem zweiten Weltkrieg zwar enorm gestiegen sind. Das persönliche Glücksempfinden hat sich aber nicht im gleichen Maße entwickelt.

Wohlstand und Glücksgefühl, die korrelieren zwar miteinander, aber nur zu einem gewissen Grad. Ab einem bestimmten Level bedeutet mehr Geld zu haben, nicht automatisch auch glücklicher zu sein.

Und dieses Phänomen ist, benannt nach ihm, das Easterlin Paradox.

Natürlich bin ich eher zufrieden, wenn meine Grundbedürfnisse gesichert sind

Umgekehrt bedeutet es großen Stress oder auch Existenzangst, wenn schon die Ernährung meiner Familie nicht sichergestellt ist. Doch es ist erwiesen, dass Menschen in wohlhabenden Ländern nicht zwangsläufig glücklicher sind, als solche in ärmeren Ländern. Und das wirkt merkwürdig, weil die Vermutung liegt ja schon nahe, dass sich ein größerer Wohlstand auch positiv auf das Glücksempfinden auswirken müsste. 

Easterlin hat festgestellt, dass sich das Glücksempfinden eher am relativen Wohlstand als am absoluten Wohlstand orientiert. Es geht um den sozialen Vergleich. 

Ein Beispiel dafür ist eine Beobachtung von Karl Marx. Der hat sinngemäß gesagt: Wenn man ein Haus hat, das den eigenen Bedürfnissen entspricht, dann könnte man damit zufrieden sein. Wenn aber jemand nebenan einen Palast errichtet, dann ist mein eigenes Haus, das eben noch vollkommen in Ordnung für mich war, in meiner Wahrnehmung nur eine armselige Hütte. 

Darüber hatte ich bereits in Folge 25 Jeder spielt sein eigenes Spiel gesprochen: Wir neigen dazu, uns mit anderen Menschen zu vergleichen. Und dann sehen wir, dass andere Menschen mehr Geld verdienen als wir, dass sie finanziell besser dastehen, und dass sie sich Dinge leisten können, die für uns unerreichbar sind. Das kann negative Emotionen erzeugen. 

Das Easterlin-Paradox macht Wachstum zum Nullsummenspiel

Ein Professor von mir mal erzählte folgende Anekdote:

Vor einigen Jahren arbeitete er als Psychologe in New York. Zu seinen Patienten zählten auch einige Hedgefonds-Manager, also Menschen, die in der Regel viel Geld verdienen. 

Wie es sich für Vermögende New Yorker gehört, hatten viele von ihnen ein Ferienhaus in den Hamptons. Das ist eine beliebte Region bei Superreichen, ca. 150 Kilometer von New York entfernt. 

Und er erlebte immer wieder, dass Patienten von ihm todunglücklich darüber waren, sie regelrechte Existenzängste hatten, weil sie das kleinste Ferienhaus in ihrer Straße hatten.

Das mag amüsant klingen und erscheint für Menschen mit einem normalen Einkommen maximal weltfremd. Aber das zeigt recht eindrucksvoll, wie stark wir uns mit unserer Umgebung vergleichen und wie sich relative Abstände beim Wohlstand auf das Glücksempfinden auswirken können.

Und dieser soziale Vergleich macht wachsenden Wohlstand in einer Volkswirtschaft zum Nullsummenspiel. Wenn bei breiten Teilen der Bevölkerung das Einkommen steigt, dann können sie mehr konsumieren. Aber daran gewöhnt man sich recht schnell.

Was sich nicht verändert, ist, wie Menschen im Vergleich untereinander dastehen.

Die Verhältnisse bleiben mehr oder weniger stabil. Das bedeutet, dass nicht alle Menschen zugleich wohlhabender und glücklicher werden können.

Bei niedrigem Einkommen, da kann jeder zusätzliche Euro einen Unterschied machen. Vielleicht weil man besser über die Runden kommt und es am Ende des Monats nicht eng wird. Insofern sind Menschen mit einem höheren Einkommen vielleicht tendenziell glücklicher. 

Aber wenn die grundlegenden Bedürfnisse erstmal gestillt sind, dann führt mehr Wohlstand alleine nicht zu mehr Glück. Ab einer bestimmten Schwelle steigt das Glück mit mehr Geld nur noch sehr langsam an oder überhaupt nicht.

Und aus dieser Erkenntnis könnte man auch ableiten, dass es für mein subjektives Glück vielleicht weniger entscheidend ist, ob alle meine finanziellen Wünsche erfüllt werden. 

Wenn ich mit meinem Einkommen grundsätzlich ein gutes Leben führen kann, dann könnte ich eigentlich zufrieden sein. 

Doch mein subjektives Glücksgefühl ist möglicherweise mehr dadurch getrieben, dass andere in meiner Wahrnehmung viel mehr besitzen als ich.

Ich kann absolut gesehen ein gutes Gehalt haben. Aber wenn mein Kollege bei einer vergleichbaren Tätigkeit mehr verdient als ich, dann wurmt mich das.

Und es kann ebenfalls sein, dass mit steigendem Wohlstand auch meine Erwartungen steigen. Vielleicht steigt mein Gehalt, aber ich habe mir mehr erhofft. Ich habe mich absolut verbessert, aber ich bin trotzdem enttäuscht.

Dazu passt auch das Konzept der hedonistischen Tretmühle oder auch der hedonistischen Adaptation. Das meint, dass ein positives Ereignis mir zwar kurzfristig Glück bescheren kann, aber dass mein subjektives Glücksempfinden sich schnell wieder auf die Normalität einpendelt. 

Ich passe mich an. Ein höherer Lebensstandard wird zur Normalität. Mein schickes neues Auto verliert den Reiz des Besonderen. Und demnach ist das Streben nach Glück allein durch ein steigendes Einkommen ein Rennen, das ich nicht gewinnen kann. 

Weitere Details zum Thema kannst Du auch in Folge 12 über die Lifestyle Falle nachhören.

Das Easterlin Paradox wird seit den 70er Jahren in der Wissenschaft heiß diskutiert. 

Es gibt immer wieder Studien, die Easterlin mal hinterfragen, mal bestätigen. 

Interessant ist bspw., dass wenn in einer Wirtschaftskrise die Einkommen sinken, also nicht nur das eigene, sondern auch im Umfeld, dann sollte nach dem Easterlin Paradox der soziale Vergleich nicht beeinflusst sein, ergo die Lebenszufriedenheit nicht sinken. Tut sie aber. 

Easterlin hat dazu gesagt, dass man sich in Krisenzeiten nicht nur mit anderen vergleicht, sondern dass man auch den alten Lebensstandard betrachtet, zumindest kurzfristig. Langfristig überwiegt aber der Vergleich mit anderen Menschen..

Wie schwer es ist, eine Korrelation zwischen dem individuellen Glücksempfinden und konkreten Geldbeträgen herzustellen, zeigt auch der Disput um eine Untersuchung von Daniel Kahneman und Angus Deaton. 

Laut Kahneman und Deaton werden Menschen in wohlhabenden Ländern mit steigendem Einkommen nicht glücklicher, wenn sie bereits ein Jahreseinkommen von 60 000 bis 90 000 Dollar erzielen.

Dem widersprechen Forscher wie Matthew Killingsworth. Er meint herausgefunden zu haben, dass Menschen durchaus glücklicher werden, wenn sie mehr verdienen, auch wenn ihr Einkommen bereits mehrere Hunderttausend Euro im Jahr beträgt. 

Das führt dann aber zu einer grundsätzlichen Frage:

Wenn wirtschaftliches Wachstum nicht der Weg zu mehr Glück ist, was ist es dann? 

Die Glücksforschung hat da verschiedene Antworten, die klingen zum Teil banal, also das Freunde, Familie und Gesundheit für das empfundene Glück sehr wichtig sind. Das deckt sich mit einer Einschätzung von Easterlin. Er spricht sich für eine Politik aus, die auf Dinge wie Gesundheit und Familie ausgerichtet ist, statt auf materielle Werte zu fokussieren.

Eine bekanntes Beispiel dafür ist das Land Bhutan. Dort hält man wenig vom Streben nach einem immer größeren Bruttoinlandsprodukt, stattdessen wurde dort das Bruttonationalglück zum Staatsziel erklärt. Das ist ein eher qualitätsorientierter Ansatz, bei dem neben dem materiellen Wohlstand auch das psychische Wohlbefinden der Gesellschaft gemessen wird. Daran orientieren sich auch andere Länder wie Island oder Neuseeland. 

Es gibt auch Überlegungen, wonach das Glück im Leben eines Menschen wie ein U verläuft. Also demnach sind junge Erwachsene weitestgehend glücklich, dann werden sie unglücklicher und im Alter steigt das Glück wieder. Nun könnte man denken, dass das mit Faktoren wie Stress auf der Arbeit und der neuen Freiheit der Rente zusammenhängt. Interessanterweise wurde der Effekt aber ebenfalls bei Affen beobachtet.

Abschließend lässt sich über das Easterlin-Paradox sagen:

Zu der bekannten Einschätzung, dass Geld allein nicht glücklich macht, gibt es auch ein Bonmot des verstorbenen Publizisten Marcel Reich-Ranicki:

“Geld allein macht nicht glücklich, aber es ist besser, in einem Taxi zu weinen als in der Straßenbahn.”

PS: Das Titelbild ist in Portugal entstanden.

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