Die Wertfalle, auf Englisch Value Trap, ist ein Phänomen, das zum Beispiel auftreten kann, wenn Anlegerinnen und Anleger auf der Jagd nach einer Schnäppchen-Aktie sind. Das vermeintliche Schnäppchen mag vielversprechend erscheinen, doch in Wirklichkeit haben sich die Anleger eine Verlierer-Aktie ins Portfolio geholt.
Über die Hintergründe der Value Trap:
- Woran kann man eine Value Trap erkennen?
- Wie vermeidet man es, in eine Value Trap zu investieren?
Und ein Hinweis zum Anfang: Diese Ausgabe richtet sich an Anlegerinnen und Anleger, die schon etwas fortgeschritten sind, also die sich bereits ein wenig in den Aktienmarkt eingearbeitet haben.
Hier geht es zum Podcast:
Über die Hintergründe der Value Trap
Wenn man in Einzelaktien investiert, dann möchte man in qualitativ hochwertige Unternehmen zu einem guten Preis investieren. Darüber habe ich mich in mehreren Folgen dieses Podcasts bzw. Blogs beschäftigt.
Und in Folge 31 über das Kurs-Gewinn-Verhältnis, kurz KGV, sprach ich darüber, wie uns eben diese Kennzahl beim Verständnis helfen soll, ob eine Aktie günstig oder teuer ist. Bei einem hohen KGV ist eine Aktie höher bewertet, man könnte auch sagen, teurer als bei einem niedrigen KGV.
Das KGV beschreibt hier allerdings nur die Markterwartung. Es drückt aus, wie der Markt das Unternehmen und die weitere Perspektive jetzt in diesem Augenblick bewertet. Ein höheres KGV kann bspw. ausdrücken, dass die Wachstumserwartung für das Unternehmen höher ausfällt, als dies bei einem niedrigen KGV der Fall ist. Also die Summe der Anleger, der Markt, trauen dem Unternehmen ein hohes Wachstum zu.
Auf die Spitze getrieben ist das ein Hype-Szenario. Der Aktienkurs eines Unternehmens klettert immer weiter. Er wächst deutlich schneller, als die Gewinne des Unternehmens mitwachsen. Äquivalent steigt das KGV, die Bewertung wird immer sportlicher. Vielleicht zu sportlich. In jedem Fall sind die Erwartungen der Investoren sehr hoch gesteckt und vielleicht ist eine mögliche positive Entwicklung des Unternehmens in der Zukunft im Aktienkurs bereits eingepreist. Nur diese Erwartungen sind subjektiv und vielleicht erfüllen sie sich nicht. Dann wäre das Unternehmen mit seinem hohen KGV überbewertet und es droht ein Kursrutsch.
Das Gegenstück zu diesem Szenario ist ein sehr niedriges KGV, vielleicht aufgrund einer niedrigen Wachstumserwartung oder weil das Unternehmen große Herausforderungen bewältigen muss, die Zukunft also ungewiss ist. Dann könnte es passieren, dass sich die Zukunft des Unternehmens besser entwickelt, als vom Markt prognostiziert. Das niedrige KGV, die niedrige Bewertung ist somit nicht gerechtfertigt, es locken Kursgewinne.
Und gerade auf diesen Fall spekulieren viele Investoren: Sie sehen ein niedriges KGV und sie zweifeln an, dass diese niedrige Bewertung gerechtfertigt ist. Sie sind der Meinung, dass das Unternehmen ungerechtfertigt oder zu sehr vom Markt abgestraft wurde und sie sind der Meinung, dass das Unternehmen tatsächlich mehr wert ist, als die aktuelle Marktmeinung unterstellt.
Anders ausgedrückt: Sie wittern ein Schnäppchen. Doch das kann gewaltig nach hinten losgehen, Stichwort Value Trap.
Ein Unternehmen bzw. Eine Aktie kann sehr günstig erscheinen. Die Betonung liegt auf “kann”. Ein niedriges KGV, ein im historischen Verlauf niedriger Aktienkurs oder eine niedrige Marktkapitalisierung des Unternehmens, diese Dinge allein sagen nichts darüber aus, ob eine Aktie günstig bzw. Ob die Bewertung gerechtfertigt ist. Und hiermit sind wir bei der Value Trap.
Von einer Wertfalle bzw. Value Trap spricht man, wenn Anlegerinnen bzw. Anleger auf Basis von bspw. Einem niedrigen KGV oder einem historisch günstigen Aktienkurs irrtümlich der Meinung sind, dass die Aktie mit einem Abschlag bewertet wird, also billig zu haben ist. Die Aktie ist nicht so billig, wie es scheint und tatsächlich gibt es wenig Hoffnung auf eine Erholung bzw. Verbesserung des Aktienkurs.
Die Anleger sitzen der Illusion auf, dass sie mit einem Invest in diese Aktie hervorragende Renditen erzielen, dass sie den Markt schlagen werden. Doch tatsächlich werden sie eine schwache Rendite generieren oder sogar Verluste erleiden.
Wie vermeiden wir es in die Value Trap zu tappen?
Grundsätzlich wäre eine Überlegung, dass man nur einen geringen Anteil des eigenen Vermögens in vermeintliche Aktienschnäppchen investiert, damit eine etwaige falsche Erwartung das eigene Portfolio nicht zu sehr belastet.
Und wie immer beim Investieren in Einzelaktien, sollte man seine Hausaufgaben machen. Wenn man sich für eine Aktie interessiert, die gut oder sogar günstig bewertet ist, dann kann man für sich prüfen, ob das auch eine vergleichsweise gute bzw. Günstige Bewertung ist. Also im Vergleich zum Index oder zu vergleichbaren Aktien. Eine Bank-Aktie vergleiche ich bspw. nicht unbedingt mit einer Pharma-Aktie, sondern mit anderen Bank-Aktien oder einem Bank-Index.
Das erinnert an Joel Greenblatt aus Folge 50 über die Kunst der Unternehmensbewertung. Er fragt sich ebenfalls, wie günstig ein Unternehmen im Vergleich zu ähnlichen Unternehmen ist. Also zum Beispiel in der gleichen Branche.
Und wenn man ein Unternehmen mit guter bzw. Günstiger Bewertung identifiziert hat, dann könnte man für sich prüfen, warum dies so ist. Also es geht um die Frage: Warum ist der Kurs der Aktie niedrig? Gibt es Anzeichen, dass dies vorübergehend so ist? Dass die Aktie ungerechtfertigt so günstig ist, der Markt ihr Potenzial vielleicht nicht versteht? Und was muss eigentlich passieren, damit der Aktienkurs wieder klettert?
Es gibt verschiedene Indikatoren bei einer Aktie, die auf eine Value Trap hindeuten können. Es kann sein, dass ein Unternehmen zwar sehr profitabel erscheint, aber tatsächlich ist es mit Herausforderungen konfrontiert oder es stehen Zeiten an, die weniger erfolgreich sind.
Eine Möglichkeit ist, dass sich das Unternehmen bzw. Die Branche am Ende eines Zyklus befindet. Stichwort Folge 65 über den ewigen Zyklus: Es gibt sogenannte zyklische Branchen. Das bedeutet, dass sie sich in besonderem Maße mit der Konjunktur entwickeln.
Ein Beispiel hierfür ist die Automobilbranche. Wenn die Wirtschaft brummt, die Löhne steigen, die Arbeitslosigkeit sinkt und die Stimmung ist insgesamt gut, dann gibt es tendenziell ebenfalls eine gute Nachfrage nach Neuwagen. Umgekehrt schieben viele die Neuanschaffung eines Fahrzeugs während einer Krise auf und sie fahren ihr altes Auto weiter.
Es kann ebenfalls sein, dass ein Unternehmen zwar sehr profitabel erscheint, tatsächlich aber finanziell schwach auf der Brust ist. Möglicherweise erwirtschaftet das Unternehmen auf den ersten Blick hohe Gewinne, gleichzeitig muss es aber hohe Schulden bedienen. Das kann sehr riskant sein. Zum Beispiel könnte sich die Ertragslage etwas verschlechtern, vielleicht weil wichtige Kunden abspringen, weil ein Wettbewerber Marktanteile abgräbt oder weil sich die Konjunktur verschlechtert. Also der Gewinn geht zurück, es müssen aber immer noch sehr hohe Schulden bedient werden.
Ein weiterer Indikator für eine Value Trap ist, dass ein Unternehmen Marktanteile verliert oder deutlich langsamer wächst als der Wettbewerb.
Auch hier kann das Unternehmensergebnis, der Gewinn, kurzfristig gut aussehen, aber über einen längeren Zeitraum wird sich das negativ niederschlagen.
Und damit zusammenhängend: Vielleicht hat das Management eine schlechte Strategie gewählt, wodurch das Unternehmen perspektivisch Probleme bekommt, vom Wettbewerb unter Druck gesetzt oder das Unternehmen sogar komplett ins Abseits gerät.
Das alles können für sich genommen oder auch in Kombination Faktoren sein, die eine Aktie zur Value Trap machen. Wichtig ist hier zur Einordnung, dass Indikatoren, ob eine Aktie zur Value Trap wird, vielfältig sein können. Die von mir genannten Punkte sind nur eine mögliche Auswahl.
Und es ist ebenfalls nicht gesichert, dass das dann auch so kommt oder ob das Unternehmen das Ruder nochmal herumreisst. Ein zyklischer Abschwung einer Branche kann ja durchaus zum Vorteil genutzt werden, wenn man der Überzeugung ist, dass es perspektivisch wieder bergauf geht und der Aktienkurs anzieht. Möglicherweise hat das Management eine falsche Entscheidung getroffen, die vom Markt negativ aufgenommen wurde, die vielleicht aber nicht dramatisch und relativ leicht zu korrigieren ist. Dann könnte die Aktie eine gute Kaufgelegenheit darstellen.
Wenn das Unternehmen hingegen grundlegende Probleme hat, dann kann das zu sehr nachhaltigen oder sogar existenziellen Problemen führen.
Nochmal die Automobilbranche: Die deutschen Hersteller genießen immer noch weltweit einen guten Ruf und Autos aus Deutschland stehen sinnbildlich für Qualität. Mit dem Wechsel hin zur E-Mobilität, der weiteren Entwicklung von vernetztem oder auch autonomem Fahren als auch dem zunehmenden Erfolg chinesischer Hersteller stellt sich bei manchem Hersteller und Zulieferer ernsthaft die Frage, wie sich das Unternehmen perspektivisch am Markt behaupten kann.
Ich glaube wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass eine Value Trap mitunter schwer zu erkennen ist.
Ein Beispiel sind Managementwechsel. Das ist wie bei Fußballtrainern: Das Management wird oft ausgetauscht, wenn es nicht richtig rund läuft. Und der Antritt eines neuen CEO, eines neuen Vorstandsvorsitzenden, ist von Investoren oft mit der Hoffnung verbunden, dass er oder sie nun die Probleme lösen wird und die Aktie endlich aus dem Tal der Tränen tritt. Doch es ist beileibe nicht sicher, dass dies auch eintreten wird.
Warren Buffett hat dazu sinngemäß gesagt:
„Wenn ein Management mit hervorragendem Ruf, ein Unternehmen mit einem miserablen Ruf übernimmt, dann bleibt der Ruf des Unternehmens intakt“.
Es kann aber auch gänzlich anders laufen.
Wenn ein Unternehmer bzw. eine Unternehmerin eine Firma aufbaut, dann ist die Person persönlich sehr involviert, sie hat sich mit dem Unternehmen voll identifiziert und ein Großteil ihres finanziellen Wohlergehens hängt direkt mit der Entwicklung des Unternehmens zusammen. Nun tritt der Gründer bzw. Die Gründerin ab und ein nun berufenes Management übernimmt diese bestehende und erfolgreiche Firma. Dann ist anzunehmen, dass das neue Management ganz anders agieren wird. Vielleicht hat der Gründer das Unternehmen auf Wachstum getrimmt und das neue Management will nun bloß nichts kaputt machen und steuert das Unternehmen mit einem Fokus auf Sicherheit.
Ein Beispiel hierfür ist Apple. Unter der Ägide von Gründer Steve Jobs war das Unternehmen auf Innovation getrimmt, zahlreiche wegweisende Produkte wurden gelauncht. Nach seinem Tod übernahm Tim Cook das Ruder. Unter ihm gab es zwar auch große Produktlaunches wie die Kopfhörer Earpods. Aber Jobs war immer das Genie, das Apple groß gemacht hat. Und es gab nicht wenige Stimmen, die meinten, dass Apple mit dem Tod von Steve Jobs die größten Zeiten hinter sich hat.
Tatsächlich kam es ganz anders.
Tim Cook trimmte das Unternehmen auf wirtschaftlichen Erfolg und er kaufte in großem Stil Aktien zurück. Und wenn man auf die Entwicklung von Apple an der Börse guckt, dann hat sich das Unternehmen insbesondere unter Cook hervorragend entwickelt und heute ist es das nach Marktkapitalisierung größte Unternehmen der Welt. Also hier hätte man eine Value Trap vermuten können, doch tatsächlich gehört die Apple Aktie zu den besten Performern des letzten Jahrzehnts.
Ich sagte bereits, dass man als Anlegerin bzw. Anleger seine Hausaufgaben machen sollte. Man sollte das Unternehmen und dessen Wettbewerbsumfeld genau analysieren. Man sollte es verstehen. Man sollte sich die Frage stellen, ob bei einer attraktiven Bewertung möglicherweise eine Value Trap lauert.
Das mag etwas ernüchternd klingen: Einerseits sind wir dazu angehalten, keinen zu hohen Preis für eine Aktie zu bezahlen und gleichzeitig kann ein niedriger Preis auf Probleme wie eine Value Trap hindeuten.
Das klingt in der Tat etwas verwirrend oder gar widersprüchlich. Aber leider ist die Realität nunmal kompliziert. Das gilt ebenfalls oder auch besonders für das Investieren in Einzelaktien. Dort gibt es meiner Erfahrung nach kaum einfache oder allgemeingültige Aussagen. Oder um es mit Warren Buffett zu sagen:
„Investieren ist einfach, aber nicht leicht“.
Das Titelbild ist in Chicago entstanden.