Rebalancing

Rebalancing oder die Optimierung des eigenen Investment-Portfolios. Auf Deutsch lässt sich Rebalancing nur schwer 1:1 übersetzen. Sinngemäß bedeutet Rebalancing die Wiederherstellung der Gewichtung innerhalb des Portfolios.

In dieser Ausgabe geht es darum, was Rebalancing ist und wie man es zur Portfolio-Optimierung einsetzen kann. Ich werde erläutern, wie Rebalancing insbesondere bei einem passiven Investmentansatz das eigene Risikoprofil bewahren kann, um die eigenen finanziellen Ziele langfristig zu erreichen und ich werde darlegen, was Du als Anlegerin bzw. Anleger beim Rebalancing beachten solltest.

Hier geht es zum Podcast:

Warren Buffett und ETFs

In Folge 23 sprach ich über passives Investieren mit ETFs. Kurz zur Erinnerung: Ein ETF ist ein Aktienfonds, der oft viele 100 oder 1000 Aktien enthält und z.B. einen Aktienindex wie den DAX oder den Dow Jones nachbildet. Und in Folge 23 erzählte ich eine Anekdote über den Autor Tim Ferriss.

Ferriss fragte einst Warren Buffett, was dieser tun würde, wenn er wieder 30 Jahre alt wäre und mit kleineren Summen investieren würde. Also unter der Annahme: Er hat einen Vollzeitjob, kann also nicht in Vollzeit investieren. Die anfallenden Ausgaben sind gedeckt, es gibt keine finanziellen Abhängigkeiten und er hat für 18 Monate genügend Geld auf der hohen Kante. Was würde Buffett machen? Wie würde er investieren?

Buffett sagte, dass er sein Geld wahrscheinlich komplett in kostengünstige Indexfonds investieren würde. Und dann würde er diese Fonds langfristig liegen lassen und sich zurück an seine eigentliche Arbeit machen. 

Buffett ist mit dieser Einschätzung nicht allein. Viele vertreten die Meinung, dass diese Art der Geldanlage Meinung für die meisten Anleger für den langfristigen Vermögensaufbau sehr empfehlenswert ist: breitgestreut und mit langfristigem Zeithorizont sowie mit geringen Kosten und mit wenig Aktivität, also wenig Handel mit Wertpapieren.

Das Stichwort ist “buy and hold”, zu Deutsch “kaufen und halten”, über das ich bereits in Folge 39 über das Investieren mit dem Kaffeedosen-Portfolio gesprochen habe. 

Rebalancing und passives Investieren

Ein solcher Investment-Ansatz hat einige Vorteile, zum Beispiel spart man Kosten und ggf. Auch Steuern, die sonst beim regelmäßigen Kaufen und Verkaufen mit Wertpapieren anfallen würden. 

Doch dieser Ansatz bedeutet nicht, dass man keine klare Strategie hat oder keine klar definierten Ziele verfolgt. Auch mit einem solch passiven Investment-Ansatz sollte ich mir genau überlegen, welche Ziele ich verfolge und welche Kriterien und Einflussfaktoren für mich und für meine Situation wichtig sind. 

  • Wie viel Geld kann ich beiseite legen?
  • Wie flexibel bin ich bei meinen Finanzen?
  • Welche Sicherheitspolster benötige ich?
  • Welche Risikoneigung habe ich persönlich?
  • Wann benötige ich welchen Betrag? 

Die Beantwortung solcher Fragen definiert meine Anforderungen. Und auf deren Basis formuliere ich dann meine Strategie, um meine finanziellen Ziele zu erreichen.

Und wenn man einen “buy and hold”-Ansatz nicht mit Einzelaktien, sondern wie von Warren Buffett empfohlen mit breitgestreuten Wertpapieren wie ETFs verfolgt, dann ist dies wie in Folge 23 dargelegt zwar passives investieren. 

Aber passiv bedeutet nicht, dass man überhaupt nicht aktiv wird. Und hier ist ein Stichwort Rebalancing. 

Rebalancing beschreibt das Wiederherstellen der ursprünglich gewählten Gewichtung der Wertpapiere in einem Portfolio.

Was meint das genau?

Angenommen, Du möchtest ein Portfolio mit zwei ETFs zusammenstellen. Ein ETF soll einen Index für Industrieländer abbilden, zum Beispiel den MSCI World Index, der andere einen Index für Schwellenländer. 

Dein Ziel ist es, dass bspw. 70% des Portfolios Industrieländer ausmachen und 30% in Schwellenländern angelegt werden. Du hast 10.000 € zum Investieren zur Verfügung, also investierst Du 7.000 € in den Industrieländer-ETF und 3.000 € in den ETF für Schwellenländer.

Nun entwickelt sich der Schwellenländer-ETF hervorragend und ein paar Jahre später sind Deine ursprünglich investierten 3.000 € ganze 4.500 € wert. Der ETF auf Industrieländer hingegen ist leider zurückgegangen und der Wert in Deinem Portfolio beträgt nur noch 6.500 €. Das bedeutet unterm Strich: Dein ursprüngliches Portfolio von 10.000 € ist nun 11.000 € wert. 

Allerdings hat sich die Zusammensetzung geändert. 

Der Anteil des Industrieländer-ETFs in diesem Portfolio ist von 70% auf ca. 59% gesunken und der Anteil des Schwellenländer-ETFs ist von 30% auf ca. 41% gestiegen. 

Nun wäre eine mögliche Meinung, dass sich die Schwellenländer halt gut entwickelt haben und dass Du diesen Gewinner weiterlaufen lässt und Du nichts unternimmst. 

Und das ist absolut nachvollziehbar: Wenn die Kurse eines Wertpapiers steigen, dann erhöht sich halt der Anteil dieses Wertpapiers in Deinem Portfolio. Du hast ja keinen Schaden genommen bzw. Dein Vermögen ist größer geworden und die Kursgewinner nehmen nun einen höheren Anteil ein.

Eine andere Betrachtung wäre, dass das Portfolio etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist und dass die Exposition der Schwellenländer nun größer ist, als es Dir lieb ist. 

Aktien aus Schwellenländern sind vielleicht schwankungsanfälliger als solche aus Industrieländern. In manchen Jahren mögen sie sich sehr gut entwickeln, aber Aktien aus Industrieländern sind in Deinen Augen solider und somit sollten sie die Basis Deines Portfolios bilden mit einem Anteil von 70%, so wie Du es in Deiner Strategie definiert hast. 

Und mit Rebalancing würdest Du nun einen Teil des Schwellenländer-ETFs verkaufen, mit diesem Geld Industrieländer nachkaufen, um wieder auf die gewünschte Verteilung von 70% Industrieländer und 30% Schwellenländer zu kommen.

Rebalancing bei Aktien und Anleihen

Rebalancing kann ich mit verschiedenen ETFs machen, das gilt aber ebenso mit unterschiedlichen Anlageformen, also zum Beispiel Tagesgeld oder Anleihen. Über Investieren in Anleihen hatte ich in Folge 33 gesprochen. 

Ein oft genutzter Ansatz ist, dass ein Portfolio zu 60% aus Aktien bzw. Aktien-ETFs und zu 40% aus Anleihen besteht. Die Idee dabei ist, dass man Aktien für die langfristige Rendite hält, während Anleihen einerseits planbare Renditen, aber vor allem Stabilität ins Portfolio bringen sollen.

Und wie auch im ETF-Beispiel könnte man durch Rebalancing den ursprünglich gewählten Wertpapier-Mix wieder herstellen, wenn zum Beispiel der Aktienmarkt sehr gut gelaufen ist, woraufhin sich der Anleihen-Anteil im eigenen Depot verringert hat. 

Warum sollte man als Anlegerin bzw. Anleger ein Rebalancing des eigenen Portfolios durchführen?

Mit Rebalancing setzen wir ein vorab definiertes Regelwerk durch. Auch wenn ich einen passiven Investmentansatz verfolge, werde ich in der Regel ein klares Zielbild haben.

Im genannten Beispiel sollte das Kapital zu 70% in Industrieländern und zu 30% in Schwellenländern investiert werden. Oder anders ausgedrückt: Eine Schwellenländer-Exposition von 30% entspricht meinem persönlichen Risikoprofil.

Ich kann die ETFs nun komplett liegen lassen und gar nichts unternehmen. Das ist im Prinzip nicht schlimm. Aber mit den Jahren kann das zu etwas Wildwuchs im Portfolio führen, sodass das Portfolio nicht mehr meinem Risiko- bzw. Anlageprofil entspricht. Und ein zu Beginn ausgeglichenes Portfolio kann dann im Laufe der Zeit ein Ungleichgewicht haben. 

Mit Blick auf einen Mix Aktien vs. Anleihen oder Tagesgeld kann das dann bedeuten: Die Aktien bzw. Aktien-ETFs entwickeln sich womöglich deutlich stärker als Anleihen und Tagesgeld, der Aktienanteil in meinem Portfolio steigt und ein ursprünglich eher defensives Portfolio wird zunehmend offensiv. 

Mit Rebalancing steuere ich dagegen. Und Rebalancing hat auch einen weiteren positiven Effekt

In diesem Podcast bzw. Blog habe ich schon öfters über Verhaltensweisen gesprochen, die uns beim Investieren schaden können, zum Beispiel über Autoritätsgläubigkeit in Folge 5 oder über Confirmation Bias in Folge 28.

Und hier kann das dem Rebalancing zugrunde liegende Regelwerk dabei helfen, uns zu disziplinieren und keine übereilten oder rein emotional gesteuerten Handlungen durchzuführen. 

Ich habe meine langfristigen Ziele klar definiert. Und mit Rebalancing schaffe ich klare Leitplanken, nach denen ich Entscheidungen treffe. Somit bin ich unabhängiger von meinen eigenen Stimmungen als auch von kurzfristigen Hypes, die den Markt bewegen.

Was gibt es beim Rebalancing zu beachten? 

Grundsätzlich empfiehlt es sich, ein mögliches Rebalancing zu planen, also dass man nicht andauernd erratisch das eigene Portfolio umschichtet – das ist nicht nur aufwendig und aufreibend, sondern das verursacht auch Kosten. Das sind einerseits Transaktionskosten, die beim Kauf und Verkauf von Wertpapieren entstehen und wenn Wertpapiere mit Gewinn verkauft werden, dann fallen ebenso Steuern an. 

Also eine Möglichkeit wäre, dass man sich vornimmt, einmal im Jahr die Verteilung im Portfolio zu prüfen und wenn es eine Abweichung von zum Beispiel 10 Prozentpunkten zur angestrebten Verteilung gibt, dann nimmt man ein Rebalancing vor.

Die Herausforderung ist, dass man beim Rebalancing antizyklisch handelt. Was meint das?

Wenn manche Wertpapiere im Portfolio übergewichtet und andere untergewichtet sind und ich möchte den angestrebten Investment-Mix durch Rebalancing wieder herstellen, dann verkaufe ich Wertpapiere, die tendenziell besser gelaufen sind und ich kaufe diejenigen, die tendenziell schlechter gelaufen sind. Das könnte manchem emotional schwerfallen. 

Anstatt des aktiven Rebalancings, also dem Umschichten des Depots durch Kauf und Verkauf, kann man den angestrebten Investment-Mix alternativ auch über die Einzahlungen steuern.

Also angenommen man hat einen Industrieländer- und einen Schwellenländer-ETF und der Schwellenländer-ETF ist im Laufe der Zeit übergewichtet, dann könnte man die Sparrate für den Industrieländer-ETF erhöhen und im Gegenzug die Einzahlungen in den Schwellenländer-ETF verringern. 

Indem man das Rebalancing ausschließlich über Einzahlungen vornimmt, spart man einen Teil der Transaktionskosten und es fallen keine steuerpflichtigen Veräußerungsgewinne an, die man sonst beim Verkauf von Wertpapieren mit Gewinn zahlen müsste. 

Diese Vorgehensweise kann besonders attraktiv sein, wenn Dein Zeithorizont sehr lang ist. 

Die Steuern werden zwar in Zukunft bei einem Verkauf eines Wertpapiers mit Gewinn anfallen. Aber bis dahin kann sich Dein Geld mit der in Folge 11 beschriebenen wunderbaren Kraft des Zinseszins weiter vermehren.

Die eigentliche Frage ist in meinen Augen, welches Regelwerk man sich überhaupt auferlegt, also welche Verteilung man im Depot anstrebt. Also das ist die Frage der persönlichen Ziele und der eigenen Lebenssituation, über die ich zum Beispiel in Folge 1 über die ersten Schritte der Geldanlage gesprochen habe. 

Da sind dann Dinge wie Dein Alter und Dein Zeithorizont relevant. 

Wenn Du eher jung bist und Du planst über Jahrzehnte zu investieren, dann spricht das für eine höhere Aktienquote in Deinem Portfolio, die Du dann zum Beispiel mit ETFs auf Industrieländer und Schwellenländer auch regional breit abbildest. 

Aktienmärkte können stark schwanken. Aber historisch betrachtet haben sie über einen längeren Zeitraum die höchste Rendite.

Wenn Du hingegen vorhast, in absehbarer Zeit Geld aus Deinem Portfolio zu entnehmen, dann spricht das für einen höheren Anteil an Tagesgeld oder Anleihen in Deinem Portfolio. Ein möglicher Grund wäre, dass Du im Alter Deine Rente mit Ersparnissen aufbessern möchtest oder dass eine größere Anschaffung ansteht, für die Du Geld benötigst.

Mit einem höheren Anteil an zum Beispiel Tagesgeld oder Anleihen reduzierst Du die Schwankungsanfälligkeit in Deinem Portfolio, Du erzielst vermutlich eine geringere, aber planbare Rendite und Du kannst kalkulieren, welcher Betrag Dir wann zur Verfügung steht.

Insofern geht es nicht nur darum, mit Rebalancing den von Dir angestrebten Investment-Mix wieder herzustellen. Du solltest ebenso immer wieder hinterfragen, ob das Regelwerk, also der Investment-Mix noch Deinen persönlichen Umständen entspricht, um dann zum Beispiel im Alter oder wenn sich Deine Pläne ändern, das Regelwerk bzw. Dein Portfolio entsprechend anzupassen.

Zusammenfassend kann man über Rebalancing festhalten:

Rebalancing kann ein effektives Werkzeug sein, um das eigene Risikoprofil im Depot aufrechtzuerhalten und um sich selbst zu disziplinieren.

Mit Rebalancing kann man mögliche Verhaltensfallen umgehen, die dem eigenen finanziellen Wohlergehen schaden.

Doch so effektiv es ist: Man sollte Rebalancing mit Bedacht angehen. Zum Beispiel mit einem klaren Regelwerk, das vorgibt, wann, wie oft und bei welchen Abweichungen man Rebalancing vornimmt, um nicht nicht allzu häufig das eigene Depot umzuschichten.

PS: Das Titelbild ist in Portugal enstanden.

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