Hab’ keine Angst vor ETFs.
Bei Fragen des Geldes und der Geldanlage haben nicht wenige Menschen Bedenken, Sorgen oder sogar Ängste – darüber sprach ich in Folge 40 Wer hat Angst vorm Investieren. Das kann sich zum Beispiel darin äußern, dass man den Umgang mit den eigenen Finanzen scheut oder dass man sein finanzielles Schicksal und den Vermögensaufbau nicht beherzt angeht.
In dieser Folge beschäftige ich mich mit einem bei ETFs häufig diskutierten Aspekt. Nämlich der Frage, ob nicht angesichts des zunehmenden Erfolgs von ETFs Gefahren lauern können. Dieses Thema kursiert immer wieder in der Finanzberichterstattung
Und da mögen sich manche fragen, wie das zu bewerten ist, also ob ETFs Opfer des eigenen Erfolgs werden und ob man sich als Anlegerin bzw. Anleger vielleicht nicht besser umorientieren und andere Investitionsobjekte in den Blick nehmen sollte.
Hier geht es zum Podcast:
ETFs sind ein viel besprochenes Thema
Das gilt für diesen Podcast bzw. Blog aber auch insgesamt für die Welt der Geldanlage und des Vermögensaufbaus.
Kurz zur Erinnerung: ETF, das steht für Exchange Traded Fund oder auch an der Börse gehandelter Fonds. Ein ETF ist ein Aktienfonds, der oft viele 100 Aktien enthält und z.B. einen Aktienindex wie den DAX oder den Dow Jones nachbildet. Also im Gegensatz zu aktiv gemanagten Fonds bilden ETFs nur einen Index nach. Bei aktiv gemanagten Fonds wählt ein Fondsmanager nach eigenem Ermessen Aktien aus.
Ganz allgemein bieten sich ETFs für viele Anlegerinnen und Anleger an, weil sie sehr kostengünstig sind und man mit geringem finanziellen Einsatz breit diversifiziert investieren kann. Zudem ist man nicht vom Können bzw. Erfolg eines Fondsmanagers abhängig.
Nun bin ich wahrlich nicht als einziger der Meinung, dass ETFs grundsätzlich eine sehr gute Sache für den langfristigen Vermögensaufbau sind. In Folge 32 über die Macht der Zahlen sprach ich über Jack Bogle, den 2019 verstorbenen, legendären Gründer des Finanzdienstleisters Vanguard.
Bogle gilt als Pionier bei Indexfonds und somit auch von ETFs.
Das war im Jahr 1975. Und bei seinen Investment-Kollegen kam diese Produktinnovation seinerzeit gar nicht gut an. Bogles Produkt war halt ein frontaler Angriff auf ihre teuren Finanzprodukte und auf ihr Geschäftsmodell. Und als Reaktion spotteten viele, dass Indexfonds halt für Menschen seien, die es nicht besser wissen. Die keine Ahnung haben, welche Aktien sie kaufen sollen.
Das alles natürlich vor dem Hintergrund, dass die meisten Finanzmanager den Markt nicht schlagen können, sie also schlechter performen als der Markt, wobei sie für ihre Dienste hohe Gebühren nehmen.
Weitere Details dazu kannst Du in Folge 22 über passives Investieren mit ETFs nachhören.
Doch das von Bogle erfundene Produkt überzeugte bekanntlich und seitdem haben ETFs einen wirklich beeindruckenden Siegeszug angetreten.
Mittlerweile haben ETFs einen Marktanteil von schätzungsweise etwa 40%. Daraus lässt sich allerdings nicht die Aussage ableiten, dass 40% aller in einem Index enthaltenen Aktien nun in ETFs investiert sind. Also anders ausgedrückt: Man kann nicht einfach die Aussage treffen, dass zum Beispiel 40% aller Siemens- oder Apple-Aktien in ETFs enthalten sind. 40% meint nur den Marktanteil von ETFs im Vergleich zu bspw. Aktiven Fonds.
Dennoch hat der hohe Marktanteil, der Erfolg von ETFs Konsequenzen. Er ruft Kritiker auf den Plan und es besorgt manchen Marktteilnehmer.
Die Erfolgsgeschichte der ETFs hat ihre Spuren im Markt hinterlassen.
Wie bereits erläutert, schaffen es die meisten aktiven Manager mit ihren Portfolios nicht, besser abzuschneiden als der Markt. Ein ETF wiederum ist definitionsgemäß zumindest in der Theorie ein Spiegelbild des jeweiligen Marktsegments.
Und wenn ein ETF in seiner Zusammensetzung das jeweilige Marktsegment spiegelt, also alle Aktien des Marktsegments enthält, dann wird die Rendite des ETFs der Marktperformance ziemlich nahe kommen.
Eine Konsequenz dieser Entwicklung ist zum Beispiel, dass sich mancher aktiv gemanagte Fonds in seiner Zusammensetzung vergleichbaren ETFs angenähert hat. Abseits der meist höheren Kosten wird der aktive Fonds somit ähnlich wie vergleichbare ETFs performen.
Dann kann man ebenfalls hinterfragen, warum es überhaupt einen Fondsmanager benötigt und einmal mehr stellt sich die Frage, wodurch die höheren Kosten des aktiven Fonds überhaupt gerechtfertigt sind.
Die Kritik am Siegeszug der ETFs liegt oft darin begründet, dass durch zu hohe Investitionen in ETFs die Marktkräfte ausgehebelt werden könnten.
Was meint das genau?
Wenn man mit Einzelaktien handelt, dann erfolgen Kauf- und Verkaufsentscheidungen meist auf Basis der Entwicklung der zugrundeliegenden Unternehmen. Und sie sind ebenfalls dadurch getrieben, ob die Bewertung einer Aktie nach Meinung der Investoren gerechtfertigt oder über- bzw. untertrieben ist.
Im Ergebnis findet im Markt eine Preisbildung statt. Man könnte auch sagen, dass der Aktienhandel ein Preisbildungs-Mechanismus ist.
Die zugrundeliegende ökonomische Theorie besagt, dass Kapital ein knappes Gut ist. Der Markt lenkt, indem er dieses knappe Gut dort allokiert, wo es ökonomisch betrachtet am sinnvollsten ist. Also beim Investieren lenkt der Markt das Kapital dorthin, wo es eine Rendite erwirtschaftet.
Wenn eine Aktie nach Meinung des Marktes einen attraktiven Preis hat, dann wird die Aktie gekauft. Dadurch steigt der Preis, die Rendite verschlechtert sich. Bis der Preis nach Meinung des Marktes eine angemessene Höhe erreicht.
Umgekehrt werden aus Sicht des Marktes weniger rentable bzw. zu teure Aktien verkauft, sie werden vom Markt abgestraft. Dadurch sinkt der Preis einer Aktie, die Rendite verbessert sich.
Diese Preisfindung im Markt, so die Kritiker, die findet bei ETFs nicht statt.
Bei ETFs wird der Markt einfach in der Breite gekauft. Dann handeln viele Anlegerinnen und Anleger diese Wertpapiere nicht aktiv. Somit fehlt der Preissetzungs-Mechanismus. Also anstatt bestimmte Aktien zu bestimmten Kursen zu kaufen und zu verkaufen, werden ETFs einfach nur gekauft und gehalten.
Das gleiche gilt für die im jeweiligen ETF enthaltenen Aktien. Und wenn immer mehr ETFs auf einen bestimmten Index gekauft werden, also zum Beispiel den MSCI World oder den DAX, dann bedeutet das, dass für die in ihm enthaltenen Aktien immer weniger eine aktive Preisfindung stattfindet.
Und nach Meinung von Kritikern werden somit wichtige Marktmechanismen außer Kraft gesetzt. Das wiederum kann zu Verzerrungen der Kurse und zu Marktineffizienzen führen.
Diese Debatte zwischen Befürwortern und Kritikern von ETFs wird seit einiger Zeit sehr leidenschaftlich geführt. Und da mögen sich manche Anlegerin und mancher Anleger die Frage stellen, ob das denn so eine gute Idee ist, den eigenen Vermögensaufbau mehr oder weniger stark auf ETFs basierend anzugehen.
Was wäre aus Sicht von Anlegerinnen und Anlegern denn die Alternative zu ETFs?
Je nach individuellen Umständen, könnte bspw. Tagesgeld relevant sein. Diese Frage, also Tagesgeld oder ETF?, hatte mir eine Hörerin gestellt. Das kannst Du nochmal in Folge 60 nachhören.
Wäre es eine Alternative zu ETFs in Einzelaktien zu investieren? Das kann man natürlich machen, viele tun das auch. Ich persönlich glaube, dass das für die meisten Anleger maximal zur Beimischung im Portfolio geeignet ist.
Bei den meisten Anlegerinnen und Anlegern ist es meiner Meinung nach nicht ratsam, ihr Portfolio maßgeblich auf Einzelaktien aufzubauen. Um erfolgreich in Einzelaktien zu investieren, muss man
- die richtigen Aktien identifizieren, man muss
- den richtigen Zeitpunkt bzw. Preis zum Einstieg finden und man muss
- ebenfalls richtig liegen, wenn es darum geht, ob eine Aktie wieder verkauft werden sollte.
Und nach dem Verkauf einer Aktie stellt sich erneut die Frage, wie man das Geld erneut gewinnbringend anlegen kann. Also, selbst wenn man erfolgreich in eine Aktie investiert hat, ist noch lange nicht gegeben, dass man dieses Kunststück fortwährend wiederholen kann, sodass man über das gesamte Portfolio nachhaltig eine gute Rendite erwirtschaftet.
Eine andere Alternative zu ETFs wären aktiv gemanagte Fonds, die hatte ich bereits angesprochen.
Das kann man machen, in manchen Fällen ist das vielleicht auch die richtige Entscheidung. Sehr oft hingegen sind die hohen Kosten nicht gerechtfertigt und man erwirtschaftet eine vergleichsweise geringe Rendite.
ETFs hingegen sind wie erläutert kostengünstig, man erwirtschaftet die durchschnittliche Marktperformance. Und das hat sich bewährt.
Daran schließt sich die Frage an:
- bleibt das so?
- Ist die Kritik gerechtfertigt oder überzogen?
- Sind das Unkenrufe derjenigen, die ihre einst fetten Provisionen in der Welt der ETFs davonschwimmen sehen?
- Oder laufen wir ob der hohen Popularität von ETFs sehenden Auges in ein Marktversagen hinein, wodurch wir am Ende des Tages einen großen finanziellen Schaden nehmen werden?
Wie bereits erläutert, können ETFs laut Kritikern den Preissetzungs-Mechanismus im Markt außer Kraft setzen. Das möchte ich nochmal vertiefen.
Stell Dir vor, ein Investor verkauft eine große Menge Aktien eines Unternehmens. Es gibt keine bestimmten Neuigkeiten oder nachvollziehbaren Grund, warum er dies tut. Er tut es. In der Folge schrumpft die Marktkapitalisierung des Unternehmens.
Kurz zur Erinnerung aus Folge 50 über die Kunst der Unternehmensbewertung: Die Anzahl der Aktien eines Unternehmens multipliziert mit dem Aktienkurs ergibt die Marktkapitalisierung des Unternehmens. Also Marktkapitalisierung meint den Betrag, mit dem der Markt das Unternehmen bewertet.
Und wenn die Marktkapitalisierung aufgrund vieler Aktienverkäufe zurückgeht, andere Marktteilnehmer sehen aber keinen Grund für den Verkauf. Sie sind der Meinung, dass die vorige Marktkapitalisierung gerechtfertigt war und sie den wahren Wert des Unternehmens widerspiegelte. Dann wäre nach einem solchen Rückgang der Marktkapitalisierung zu erwarten, dass andere Investoren die Aktie wieder kaufen, da sie eine günstige Bewertung wittern.
Bei ETFs ist das nicht unbedingt der Fall. Da kaufen die Investoren wie erwähnt den Markt in der Breite. Sie stellen sich vermutlich gar nicht die Frage, was ein einzelnes Unternehmen nun wert ist. Und sie reagieren nicht, wenn eine Aktie gehandelt wird bzw. Der Kurs schwankt.
Gleiches gilt, wenn es bspw. Schlechte Nachrichten eines Unternehmens gibt.
Dann könnte es sein, dass der Investoren in unserem Beispiel die aktuelle Marktkapitalisierung des Unternehmens als nicht mehr gerechtfertigt ansieht, oder er sieht eine schlechte Perspektive für die Aktie. Somit verkauft er die Aktie.
Auch hier würde es von den meisten ETF-Anlegern eher keine Reaktion geben. Das wäre zumindest der Fall, wenn man mit ETFs einen passiven Investmentansatz verfolgt.
Und die Befürchtung der Kritiker ist, dass die Preisfindung bei zu vielen ETF-Investitionen nicht mehr stattfindet. Egal ob der Preis für ein Wertpapier gerechtfertigt ist oder nicht: Einmal gekauft, halten Investoren das Wertpapier und tragen nicht zur Preisfindung im Markt bei.
Und wenn man das gedanklich auf die Spitze treibt, dann wäre der Markt dysfunktional. Ungerechtfertigt zu hohe oder zu niedrige Preise würden vom Markt nicht mehr korrigiert. Und im schlimmsten Fall versagt der Markt in seiner Preisbildungsfunktion.
Ist das eine gerechtfertigte Sorge? Droht uns angesichts des Erfolgs von ETFs ein Marktversagen?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir etwas genauer hinschauen.
Wie zuvor besprochen, haben ETFs einen Marktanteil von schätzungsweise 40%. Die Zahl variiert mal nach oben oder unten. In jedem Fall ist der Erfolg unbestreitbar. Aus dieser Zahl lässt sich allerdings nicht herauslesen, wie viele der ETF-Investitionen passiv erfolgen.
Der Investor und Börsen-Autor Gerd Kommer sieht einen deutlich geringeren Markanteil passiver Investitionen mit ETFs.. Er argumentiert, dass Investitionen in ETFs eine Sache sind.
Passives Investieren hingegen geht noch einen Schritt weiter. Das Stichwort ist “Buy and Hold”, auf deutsch “kaufen und halten”. Das ist wortwörtlich zu verstehen: Ein ETF wird gekauft und bleibt dann lange im Portfolio liegen. Er wird also nicht gehandelt und trägt somit nicht zur Preisfindung bei.
Man kann mit ETFs aber auch aktiv investieren. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn man den ETF beim Erreichen eines bestimmten Kurs-Gewinn-Verhältnisses wieder verkauft. Weitere Details zum Kurs-Gewinn-Verhältnis, kurz KGV, kannst Du nochmal in Folge 31 nachhören.
Es kann ebenfalls sein, dass jemand einen ETF wieder verkauft, wenn er oder sie meint, zum aktuellen Zeitpunkt mit anderen Investitionsarten eine höhere Rendite zu erwirtschaften.
Dieses aktive Investieren mit ETFs dürfte von den meisten Privatanlegerinnen und -Anlegern eher nicht verfolgt werden. Gerd Kommer schätzt allerdings, dass ungefähr die Hälfte der in ETFs investierten Gelder von institutionellen Anlegern aktiv investiert werden.
Zudem ist ETF nicht gleich ETF. Natürlich gibt es ETF-Klassiker, die in große Indizes wie den MSCI World investieren. Daneben gibt es aber zahlreiche weitere Arten von ETFs, die sich in ihrer Ausgestaltung deutlich unterscheiden können und von denen einige durchaus aktiv investieren und nicht einfach nur einen weitverbreiteten Index abbilden.
Indexfonds und ETFs mögen einen Marktanteil von ca. 40% haben. Der Marktanteil passiver Investitionen, also Investitionen, die wie beschrieben nicht wie aktive Investitionen zum Preisfindungs-Mechanismus am Markt beitragen, der Marktanteil passiver Investitionen liegt laut Kommer hingegen eher bei unter fünf Prozent.
Also in der Theorie mögen die Kritiker der ETFs berechtigte Punkte haben. In der Praxis sieht die Sache aber deutlich entspannter aus und passives Investieren mit ETFs ist lange nicht so groß, wie allgemein unterstellt.
Geht es nach Kommer, dann sollte man auf die besorgte oder teils hysterische Kritik an ETFs nicht zu viel geben.
Tatsächlich wird sie durch die Zahlen nicht gestützt und bei genauerer Betrachtung verdienen nicht wenige der Kritiker ihr Geld mit aktiven Fonds. Das delegitimiert sie nicht in ihrer Meinung, sie haben aber mindestens einen Interessenkonflikt und stehen mit ihren Finanzprodukten im Wettbewerb mit ETFs.
Auch mancher Finanz-Influencer stimmt in den aufgeregten Kanon mit ein. Das mag manchmal berechtigte Sorge sein, nicht selten ist es meiner Meinung nach aber der Schrei nach Aufmerksamkeit. Und Aufmerksamkeit erzeugt man erfahrungsgemäß gut mit zugespitzten lauten Aussagen oder auch indem man Ängste schürt.
Ob der Anteil passiver Investments mit ETFs nun bei 5 oder 10% liegt, das mag ich nicht beurteilen. Aber ich persönlich bleibe bei meiner Meinung, dass ETFs mit das beste sind, was der Geldanlage und dem Vermögensaufbau in den letzten Jahrzehnten passiert sind.
Und ich persönlich werde in meinem Portfolio auch in absehbarer Zukunft nicht auf ETFs verzichten.
PS: Das Titelbild ist im Salzkammergut entstanden.