Ist die Rente sicher? Wie ist die Situation des Rentensystems in Deutschland, der Rentenfinanzierung heute? Wie könnte die zukünftige Entwicklung vermutlich verlaufen? Was bedeutet das nun für uns als Gesellschaft als auch für Dich, als Bürgerin bzw. Bürger?
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Ist die Rente sicher?
Es war das Jahr 1986, da sagte der damalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm einen der wohl berühmtesten Sätze der deutschen Politik:
Die Rente ist sicher.
Doch ist die Rente sicher? Heute, knapp 40 Jahre später, sendet ein Großteil der Politik weiterhin das Signal, dass sich an der Gültigkeit der Aussage nichts verändert hat und man als Beitragszahler bzw. Beitragszahlerin guten Gewissens und mit Zuversicht auf den eigenen Ruhestand blicken kann.
Nach meiner Beobachtung, gibt es in der Bevölkerung meist zwei unterschiedliche Sichtweisen auf das Thema:
Da sind diejenigen, die das ganz entspannt sehen. Sie glauben dem Rentenversprechen. Vielleicht hören sie hier und da, dass die Finanzierung der Rente sich zwar schwierig gestalten könnte, doch sie vertrauen darauf, dass der Staat es schon richten wird. Vielleicht sehen sie das Problem gar nicht oder sie beschäftigen sich nicht mit der Thematik. Wenn ich heute 30 oder 40 Jahre alt bin, dann liegt das alles noch ganz weit von mir entfernt.
Die Stimmen der anderen Gruppe nehme ich zunehmend stärker wahr. Und das ist die Gruppe derjenigen, die sich sorgen. Das sind gerade jüngere Menschen, die sich fragen, ob das in Zukunft noch so stimmen wird – ist die Rente sicher? – und ob das Rentenversprechen aufgeht. Also ob die Rente nicht nur sicher ist, sondern ob wir damit nach einem Erwerbsleben den Ruhestand finanzieren können und wir nicht Gefahr laufen, von Altersarmut betroffen zu sein. Wobei es natürlich schon heute Menschen gibt, die trotz einer langjährigen Erwerbsbiografie in Altersarmut leben.
Und um diese Frage zu beantworten, also ob die Rente, so wie wir sie kennen, sicher ist und ob die zu erwartende Rente genug sein wird, wenn Du heute zum Beispiel 30 oder 40 Jahre alt bist, um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns zwei unterschiedliche Dimensionen angucken:
- Da wäre einerseits das Gesamtbild, das Rentensystem. Und daran hängt die Frage: Was können wir heute mit Blick auf die Zukunft davon erwarten?
- Und andererseits wäre da die individuelle Betrachtungsweise, also wie kannst Du für Dich auf das Thema blicken. Wie steht es um Deine Rente, wie ist Deine finanzielle Perspektive im Alter?
Dies ist der erste Teil einer Doppelfolge zum Thema Rente. Heute beschäftige ich mich mit unserem Rentensystem insgesamt. In der nächsten Folge widme ich mich dann der individuellen Perspektive.
Ist die Rente sicher? Das Rentensystem
Um die Frage zu beantworten ob das stimmt, ist die Rente sicher, sollten wir zunächst nochmal beleuchten, wie unser Rentensystem funktioniert.
Die Rente finanziert sich mit einer sogenannten Umlagenfinanzierung. Das heißt: Diejenigen, die arbeiten, zahlen in die Rentenkasse ein und die Rentner erhalten Geld aus der Rentenkasse. Also zur Einordnung: Es gibt einige Berufsgruppen in Deutschland, die trotz Berufstätigkeit nicht in die Rente einzahlen, zum Beispiel Beamte und viele Selbständige.
Ein zentrales Thema ist der demografische Wandel. Die Gesellschaft altert, wir werden weniger und vor allem weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter.
Und mit der Generation der Baby Boomer, also der geburtenstarken Jahrgänge nach dem zweiten Weltkrieg, gehen bald viele Menschen in Rente. Sie werden also zu Rentenbeziehern und finanzieren diese nicht weiter. Gleichzeitig kommen vergleichsweise wenige Arbeitskräfte hinzu, die in die Rentenkasse einzahlen.
Was bedeutet das konkret? Ist die Rente sicher?
Im Jahr 1962, da kamen in Westdeutschland auf einen Rentenbezieher noch sechs aktiv Versicherte, also Menschen, die in die Rentenkasse einzahlen. 1973, da waren es nur noch vier Beitragszahler pro Rentenbezieher, 1988 waren es drei.
Heute gibt es in Deutschland rund 40 Millionen Rentenversicherungspflichtige und demgegenüber stehen etwa 19 Millionen Menschen, die eine Altersrente beziehen. Das Verhältnis liegt also ungefähr bei zwei zu eins.
Das Institut der deutschen Wirtschaft schätzt, dass der Wert weiter sinken wird und im Jahr 2030 auf jeden Rentner nur noch 1,5 Beitragszahler kommen. Also um das nochmal zu unterstreichen: In wenigen Jahren wird die Rente eines Menschen durch die Abgaben von nur 1,5 Beitragszahlern finanziert. Im Jahr 2050 könnte der Wert auf nur 1,3 Beitragszahler pro Rentenbezieher weiter sinken.
Also zu sagen, dass das Rentensystem vor großen Herausforderungen steht, ist da schon fast eine Untertreibung.
Nun hat die Bundesregierung vor kurzem geplant, dass neben der Umlagenfinanzierung eine kapitalgedeckte Finanzierung der Rente hinzukommen soll, das sogenannte Generationenkapital landläufig auch Aktienrente genannt.
Die Idee dabei ist, dass das Geld nicht einfach nur herumliegt, sondern am Kapitalmarkt investiert wird, um eine Rendite zu erzielen, was wiederum die Rentenkasse entlasten soll.
In Deutschland ist das eine Neuheit, in Ländern wie Norwegen oder den Niederlanden ist das bereits gelebte Praxis. Es ist aber mehr als fraglich, ob das angesichts der zu erwartenden Entwicklungen reichen wird. Denn schon heute wird die Rente jedes Jahr mit über 80 Mrd. € durch Mittel aus dem Bund bezuschusst, also mit Steuergeldern.
Anders ausgedrückt: Schon heute fließt ungefähr jeder fünfte Euro des Bundeshaushalts in die Finanzierung der Rente. Der demografische Wandel aber wird weitergehen und die Situation in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zusätzlich verschärfen. Ist die Rente sicher?
Allein die zukünftige Finanzierung der Rente ist schon eine verdammt große Herausforderung für unser Land.
Man muss das Thema aber auch im Kontext der insgesamt hohen Kosten für soziale Absicherung sehen, wobei wir uns auf weiter steigende Kosten und Sozialabgaben einstellen müssen. Wir haben eine sehr großzügige und weiter wachsende Sozialpolitik, aber trotzdem ein im internationalen Vergleich relativ geringes Rentenniveau.
Wir führen viele Debatten über den Wert des Sozialstaats und den möchte ich auch überhaupt nicht in Abrede stellen. Es wird in meinen Augen aber sehr viel darüber gesprochen, welche Leistungen man hier und da noch zusätzlich anbieten sollte, während gefühlt niemand darüber spricht, wie das finanziert werden soll und wie es denen ergeht, die das alles erwirtschaften.
Das ist die arbeitende Bevölkerung. Die ist ebenfalls von Inflation betroffen, hatte vielleicht Lohneinbußen durch Kurzarbeit während der Corona-Pandemie und kämpft gerade in den Städten mit steigenden Lebenshaltungs- und Wohnkosten, während im ganzen Land und insbesondere in ländlichen Gebieten die Infrastruktur zunehmend marode ist. Diese Menschen kommen nicht in den Genuss vieler staatlicher Sozialmaßnahmen, dürfen sie aber alle bezahlen.
Um die Infrastruktur, den Sozialstaat zu finanzieren, zahlen deutsche Arbeitnehmer im internationalen Vergleich sehr hohe Abgaben für Rente, Pflegeversicherung, Krankenkasse und die Arbeitslosenversicherung. Unter den 38 Mitgliedstaaten der Industrieländer der OECD liegt Deutschland bei der Belastung der Arbeitseinkommen durch Steuern und Sozialabgaben auf Platz zwei. Nur Belgien hat mehr. Die Abgabenquote eines verheirateten Paar mit Kindern in Deutschland liegt bei 40,9%. Der Durchschnitt der OECD-Länder liegt bei 29,4%.
Es ist absehbar, dass diese Abgaben in Zukunft deutlich steigen werden.
Die Krankenkasse DAK schätzt, dass die Abgaben zukünftig bei 48,6% liegen. Das ist schon ziemlich krass. Deutschland hat eine Sozialleistungsquote von ca. 30,5%. Dieser Wert gibt an, welchen Anteil am Bruttoinlandsprodukt der Staat für Sozialleistungen ausgibt. Das Bruttoinlandsprodukt ist der Wert aller Waren und Dienstleistungen, die in einer Volkswirtschaft erwirtschaftet werden. Also wir geben bereits fast ein Drittel unserer Wirtschaftskraft für Sozialleistungen aus und gleichzeitig wird prognostiziert, dass dieser Wert noch deutlich steigen wird.
Nun könnte man angesichts dieser Zahlen sagen, dass es notwendig ist, Leistungen zu kürzen. Die Frage ist nur wo. Weil egal wie man es macht, irgendjemandem wird etwas weggenommen. Das ist politisch nur schwer durchzusetzen und damit riskiert man weitere gesellschaftliche Verwerfungen.
Gleichzeitig ist die Abgabenlast dermaßen hoch, dass bei der prognostizierten weiteren Erhöhung der Protest der arbeitenden Bevölkerung enorm sein dürfte. Und dann wird sich mancher die Frage stellen, ob es sich überhaupt lohnt zu arbeiten. Und wieder andere, vermutlich gerade junge und hochqualifizierte Menschen, werden im Ausland ihr Glück, was die Situation weiter belasten würde.
Wir befinden uns also in einer Zwickmühle.
Ich möchte keine apokalyptischen Szenarien malen. Aber das ist in meinen Augen schon ziemlicher Sprengstoff für unser Land und unsere Gesellschaft. Das kann einem schon ernsthaft Sorgen bereiten und es ist anzunehmen, dass die Debatten um Verteilung und um Abgaben zunehmend härter werden.
Kommen wir zurück zur Ausgangsfrage: Ist die Rente sicher?
Die Entwicklung in Deutschland vollzieht sich ähnlich in anderen Industrieländern. Und es gibt Stimmen, die sagen, dass angesichts dieser Entwicklungen ein Kollaps der weltweiten Rentensysteme bevorsteht. Ob es wirklich zum Kollaps kommt, das kann ich nicht beurteilen. Aber die Zahlen lügen nicht und sie zeigen, dass die Situation sehr ernst ist.
Unterm Strich hat die Politik meiner Meinung nach vier Optionen, wobei keine attraktiv ist und zum Teil ungewollte Nebenwirkungen erzeugt.
- Wenn immer mehr Rentnern immer weniger Beitragszahlende gegenüberstehen, die die Rente finanzieren, dann könnte man einerseits das Rentenalter anheben. Das ist ein heißes Eisen. Wir hatten bereits ziemlich aufgeheizte Debatten über die Rente mit 68 oder mit 70. Solche Forderungen werden in Zukunft wohl lauter werden.
- Eine weitere Möglichkeit ist, dass man die Rentenzahlungen verringert. Auch das ist ein Thema, mit dem sich kein Politiker beliebt macht. Da geht es dann um Dinge wie Respekt vor der Lebensleistung der arbeitenden Bevölkerung aber auch um ein Gerechtigkeitsempfinden – wenn ich mein Leben lang eingezahlt habe, dann habe ich einen Anspruch darauf, dass ich im Alter finanziell gut dastehe und auch deutlich besser als diejenigen, die nicht eingezahlt haben.
- Eine dritte Möglichkeit ist, dass auch solche Gruppen, die bisher nicht rentenversicherungspflichtig sind, in das Rentensystem einzahlen müssen.
- Und viertens: Auch Firmen, die mit wenigen Mitarbeitern und somit wenigen Renteneinzahlern hohe Gewinne erzielen, tragen die Rentenkosten über eine sogenannte Maschinensteuer mit. Das wäre vor allem ein Thema für die High-Tech-Branche.
Auf die Konsequenzen dieser Maßnahmen einzugehen, sprengt an dieser Stelle den Rahmen. Und wie es letztlich kommen wird, das vermag ich nicht vorauszusagen.
Aber tatsächlich sind die Renten bereits heute ziemlich niedrig.
Im Jahr 2023 lag die durchschnittliche Rente nach mindestens 45 Versicherungsjahren nach Angaben der Bundesregierung bei 1543 Euro je Monat. Dieser Wert ist brutto, das heißt neben einer eventuell zu zahlenden Einkommenssteuer gehen da auch noch Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung runter.
Also wenn man mit 65 Jahren in Rente geht, dann bedeuten 45 Versicherungsjahre, dass man seit seinem 20. Lebensjahr kontinuierlich und ohne Unterbrechungen in die Rentenkasse eingezahlt hat.
In Deutschland beträgt die maximale Rente übrigens ca. 3.500 Euro brutto. Die erhält man, wenn man 45 Jahre lang den maximalen Rentenbeitrag eingezahlt hat. Das sind in Deutschland weniger als 100 Menschen.
Bei den meisten ist das deutlich weniger. Tatsächlich erhalten Männer im Schnitt 1.728 Euro Rente, Frauen nur 1.316 Euro. Und rund jede und jeder Fünfte mit mindestens 45 Versicherungsjahren erhält laut Bundesregierung eine Rente von weniger als 1.200 Euro. Das sind mehr als eine Millionen Menschen.
Ist die Rente sicher? Ich bin da skeptisch.
Wenn man das alles zusammen nimmt, also den demografischen Wandel, die schon jetzt sehr angespannte Rentenfinanzierung, absehbar weiter steigende Kosten des Sozialstaats und die schon heute alles andere als üppig ausfallenden Rentenzahlungen, wenn man das alles zusammen nimmt, dann ist die Rente meiner Meinung nach alles andere als sicher.
Es ist alles andere als sicher, dass wir wie geplant den Ruhestand antreten können. Es ist alles andere als sicher, wie hoch die Rente in 15, 20 oder 30 Jahren tatsächlich ausfallen wird. Und es ist alles andere als sicher, dass man mit der Rente in Zukunft seine Lebenshaltungskosten bestreiten kann.
Und dann müssen wir uns als Gesellschaft und natürlich auch individuell darauf einstellen, dass sehr viele, wenn nicht die meisten der heute jungen Menschen in Zukunft von Altersarmut bedroht sind oder sie bis ins hohe Alter weiter werden arbeiten müssen.
Was bedeutet das nun für Dich? Ist die Rente sicher?
Die individuelle Perspektive, die werde ich in der nächsten Folge tiefer beleuchten. Aber schon jetzt lässt sich festhalten: Es ist ziemlich offensichtlich, dass wenn man sich nur auf das System verlässt, dann droht einem ernsthaft die Gefahr von Altersarmut.
Am Anfang der Folge sagte ich, dass die Zahl der jungen Menschen, die sich um ihre Renten und ihr Auskommen im Alter sorgen, steigt. Tatsächlich hat das Meinungsinstitut Civey herausgefunden, dass 80% der 18- bis 29-Jährigen pessimistisch auf die Altersvorsorge blicken.
Gleichzeitig wird die Altersvorsorge als Hauptziel angegeben, weswegen junge Menschen sparen und investieren. Und genau darum geht es: Wenn Du im Ruhestand über genügend Geld verfügen möchtest, dann musst Du auch selbst vorsorgen.
Finanzen, finanzieller Bedarf, finanzielle Wünsche: Diese Themen sind zutiefst individuell und deswegen halte ich mich in diesem Podcast auch bewusst mit eindeutigen Empfehlungen zurück. Aber mit Blick auf die Rente und auf drohende Altersarmut für breite Teile der Gesellschaft lautet mein dringender Appell:
Beschäftigt Euch mit euren Finanzen. Sprecht in Eurer Familie und mit Euren Freunden darüber und wenn ihr es noch nicht macht, dann fangt an zu sparen und zu investieren.
Wie das geht, was man machen kann, wie man effektiv spart, wie man auch mit kleineren Beträgen effektiv investiert, wie man überhaupt startet, darüber habe ich mich in diesem Podcast in vielen der bisherigen Folgen beschäftigt. Deswegen: Falls Du diesen Podcast bzw. Blog erst seit kurzem hörst oder erst jetzt für Dich entdeckst, dann lade ich Dich herzlich dazu ein, auch die alten Folgen zu hören.
Und bei aller Dringlichkeit möchte ich ebenfalls betonen, dass Du nicht resignieren solltest, falls Du Dich noch nicht mit Deinen Finanzen beschäftigst und falls Du noch nicht damit begonnen hast zu sparen und zu investieren. Ja, es ist besser, möglichst früh anzufangen und dann auch stetig im Ball zu bleiben. Aber auch wenn Du mit bspw. MItte 30 oder Mitte 40 beginnst, kannst Du noch eine Menge erreichen, wenn Du es nur angehst.
Und das Thema Finanzen mag für manche etwas abschreckend sein. Da werfen irgendwelche Experten mit komplizierten Begriffen um sich und in der Schule wurde das Thema vermutlich gar nicht behandelt. Aber die wirklich wichtigen Dinge, die Du wissen musst, die sind gar nicht so kompliziert. Du musst kein Super-Investor werden.
Wenn Du Dich ein bisschen mit der Materie beschäftigst, davon bin ich überzeugt, dann kannst Du für Dich sehr gute finanzielle Entscheidungen treffen und langfristig ein ordentliches Finanzpolster aufbauen.
Dies ist der erste Beitrag einer Doppelausgabe über die Rente – hier zur Frage „Ist die Rente sicher?“; in der nächsten Ausgabe geht es dann um die Rentenlücke.
PS: Das Titelbild ist an der Costa Brava entstanden.