Investieren mit dem dreibeinigen Stuhl bezeichnet ein Konzept des Investoren Chuck Akre, mit dem dieser die Merkmale von Unternehmen beschreibt, die ein besonders vielversprechendes Investment darstellen.
Ein Hinweis vorab: Das Konzept des dreibeinigen Stuhls kann beim Investieren in Einzelaktien dabei helfen, gute Unternehmen zu identifizieren. Allerdings spreche ich mich nicht dafür aus, dass wir nun alle in Einzelaktien investieren sollten. Wie schon öfters in diesem Blog bzw. Podcast angesprochen, ist in den meisten Fällen ein passiver Investmentansatz mit einem breitgestreuten Portfolio ratsam. Aber für diejenigen, die sich für Einzelaktien interessieren, für die kann das Konzept des dreibeinigen Stuhls hilfreich sein. Und selbst wenn Du nicht in Einzelaktien investieren solltest, ist Akres Philosophie für Dich vielleicht interessant und kann Dir den einen oder anderen Hinweis für bessere finanzielle Entscheidungen geben.
Hier geht es zum Podcast:
Chuck Akre ist uns bereits in diesem Blog bzw. Podcast begegnet.
Zum Beispiel in Folge 14 über die erste Regel des Investierens.
Er gilt als einer der erfolgreichsten Investoren unserer Zeit und er hat mit Aktien von zum Beispiel Berkshire Hathaway oder mit dem Sendemastbetreiber American Tower über einen langen Zeitraum überdurchschnittlich hohe Renditen erwirtschaftet.
Für ihn lautet eine Kernfrage des erfolgreichen Investierens, was eine gute Investition überhaupt ausmacht. Die Beantwortung dieser Frage ist ein Schlüssel dafür, um beim Investieren mit Aktien überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen.
Hier setzt das Konzept des Investierens mit dem dreibeinigen Stuhls an.
Die Geschichte des dreibeinigen Stuhls geht laut Akre auf einen Melkschemel zurück. Diesen hatte sein Vater von einem Geschäftspartner erhalten und aus irgendeinem unerfindlichen Grund stand der Schemel bei ihm auf dem Schreibtisch.
Eines Tages saß Akre in seinem Büro, er betrachtete den Schemel und er dachte sich: “Mmh, dieser Melkschemel ist ja eigentlich das perfekte Konstrukt für mein Verständnis davon, was ein großartiges Investment ausmacht”.
Dreibeinige Stühle wackeln bekanntlich nicht und nach Meinung Akres steht ein großartiges Unternehmen bzw. eine großartige Aktie ebenso auf drei Beinen.
Das erste Bein ist die Qualität des Unternehmens.
Das meint in Akres Augen in erster Linie, ob es sich um ein renditestarkes Geschäft handelt. In einem Vortrag hat er hierfür mal als Beispiel den Zahlungsdienstleister MasterCard genannt.
Während ein durchschnittliches Unternehmen zum Beispiel 8% Gewinn nach Steuern erwirtschaftet, erzielte MasterCard seinerzeit 34%. Selbst wenn ein Unternehmen lediglich 10% Rendite erwirtschaftet, wäre das in seinen Augen schon richtig gut. Aber 34% seien wahrhaftig außergewöhnlich.
Und Akre verwendet bei seiner Investment-Recherche viel Zeit auf die Qualität des Unternehmens und dabei ist eine zentrale Frage für ihn: Was macht dieses Geschäft aus, dass es so rentabel ist, dass es eine so hohe Rendite erzielen kann?
Das zweite Bein ist die Qualität des Managements, also der Menschen, die das Unternehmen führen.
Das ist für Normalanleger nur schwer zu überprüfen, aber mit Qualität des Managements meint Akre sowohl die Fähigkeiten, also die Kompetenz, als auch die Integrität.
Die Manager müssen einerseits eine ausgewiesene Erfolgsbilanz in der Führung des Unternehmens vorweisen. Zugleich möchte er, dass sie ihre Investoren wie Partner behandeln. Damit meint er, dass das Management sorgsam mit dem ihm anvertrauten Unternehmen umgeht, dass es sich nicht unlauter verhält und sich zum Beispiel zu Lasten der Anteilseigner bereichert.
Das dritte Bein betrifft die Reinvestitions-Fähigkeit des Unternehmens.
Wenn ein Unternehmen eine hohe Rendite erwirtschaftet, dann ist die Frage, wie es diesen erwirtschafteten Gewinn verwendet.
Es kann
- den Anteilseignern Dividenden auszahlen, siehe auch Folge 20 über Tipps für Dividendenjäger.
- Die eigenen Aktien am Markt zurückkaufen. Darüber habe ich in Folge 29 über Aktienrückkäufe gesprochen.
- Das Geld wieder ins Unternehmen investieren.
Und für Chuck Akre ist das dritte Stuhlbein die Fähigkeit des Unternehmens, seine Gewinne kontinuierlich mit überdurchschnittlich hoher Rendite wieder zu reinvestieren. Wenn ein Unternehmen das schafft, dann treibt das die Wertschöpfung ungemein, da Gewinne und der Wert des Unternehmens kontinuierlich wachsen.
Der Buchwert
Das Wachstum des Werts einer Aktie lässt sich zum Beispiel aus der durchschnittlichen Wachstumsrate des Buchwerts je Aktie oder aus der Eigenkapitalrendite herauslesen.
In aller Kürze: Buchwert beschreibt den Wert der Schulden und des Vermögen eines Unternehmens in der Bilanz. Die Erläuterung von Eigenkapitel und Eigenkapitalrendite geht an dieser Stelle zu weit und wird in einer späteren Folge nochmal aufgegriffen.
Jedenfalls ist das Stichwort für das kontinuierliche Wachstum der Zinseszins, auf englisch Compounding, über den ich in Folge 11 über die wunderbare Kraft des Zinseszins gesprochen habe.
Als Konsequenz des Compoundings von Gewinnen und Re-Investitionen sollte sich dann auch das Wachstum des Aktienkurses beschleunigen. Akre bezeichnet Unternehmen, die ein Wachstum von Gewinn und Wert über einen langen Zeitraum schaffen als regelrechte “Compounding Maschinen”.
Die Bewertung einer Aktie
Neben dem dreibeinigen Stuhl, bestehend aus Qualität des Unternehmens, der Qualität des Managements sowie der langfristigen Möglichkeit zu wachsen, ist auch die Bewertung einer Aktie für Akre entscheidend.
Also ein Unternehmen bzw. Eine Aktie kann qualitativ hochwertig sein, aber der Aktienkurs muss in Akres Augen ebenfalls angemessen sein, damit er investiert. Weitere Details zur Bewertung eines Unternehmens kannst Du nochmal in Folge 31 über das Kurs-Gewinn-Verhältnis, kurz KGV, nachhören.
Und mit dem Konzept des dreibeinigen Stuhls schafft es Akre sich auf die in seinen Augen wirklich wichtigen Dinge bei einer Aktie zu konzentrieren.
Im Gegensatz zu manch anderen Investoren, setzt Akre nicht auf ausgefuchste quantitative Analysen. Er betont die Bedeutung der Weisheit durch Subtraktion. Damit meint er, dass er die aus seiner Sicht unwesentlichen Details ignorieren und die Störgeräusche der Kapitalmärkte ausblenden möchte.
Er möchte, wie er es nennt, das ‚Wesentliche‘ eines Unternehmens herausfinden. Das meint zum Beispiel die Beantwortung der Frage, warum es einem Unternehmen wie MasterCard gelingt, so hohe Gewinnmargen zu erzielen. Oder warum ein Unternehmen es schafft, den Buchwert je Aktie über einen langen Zeitraum kontinuierlich zu steigern.
Vom Großteil der Börsenberichterstattung hält er sich fern.
Er stellt zu den oft aufgeregten und kurzfristig denkenden Akteuren fest, dass sie ein anderes Geschäftsmodell als er verfolgen.
Die Aufgabe eines Aktienbrokers bspw. ist es, den Handel mit Aktien und anderen Wertpapieren zu realisieren. Und wenn ein Broker eine Börsensendung sponsert oder dort auftritt, dann besteht sein Interesse darin, Anleger zum Handeln zu ermutigen. Das schafft er laut Akre, indem er falsche Erwartungen weckt. Und die falschen Erwartungen beruhen auf der Vorstellung, dass ein Unternehmen XY in einem Quartal bspw. 1,37 Dollar pro Aktie verdient.
Dann kommt die Berichtssaison, das Unternehmen öffnet seine Bücher und berichtet über das letzte Quartal. Und man stellt fest, oha, das Unternehmen hat anstatt 1,37 Dollar sogar 1,38 Dollar pro Aktie verdient. Es läuft also gut, man sollte die Aktie kaufen. Oder das Unternehmen hat die Erwartungen verfehlt und nur 1,36 Dollar je Aktie verdient. Vielleicht doch besser verkaufen.
Und zum sehr kurzfristigen Handel mit Aktien, also dem Daytrading, stellt Akre fest, dass man da als Investor mit sehr leistungsfähigen Computeralgorithmen im Wettbewerb steht, die im Zweifelsfall viel mehr Informationen haben als man selbst. Dieses Vorgehen ist nicht gut für das eigene finanzielle Wohlergehen und macht am Ende des Tages nur den Broker reich.
Der Finanzautor Jason Zweig hat dazu festgestellt:
“I put two children through Harvard by trading options. Unfortunately, they were my broker’s children.”
Also zu deutsch:
“Ich habe mit dem Handel von Optionsscheinen zwei Kinder durchs Studium in Harvard gebracht. Leider waren es die Kinder meines Brokers.”
Akre ist bemüht, in den Wert von Unternehmen zu investieren und nicht mit Aktienkursen zu spekulieren.
Sein Ziel ist, sein Geld bzw. das seiner Kunden überdurchschnittlich zu vermehren und dabei ein unterdurchschnittliches Risiko einzugehen.
Da verfolgt Akre die gleiche Philosophie wie der Investor Howard Marks aus Folge 7 über Risiko. Für den ist die Essenz des Investierens Geld zu verdienen und dabei die Risiken zu kontrollieren.
Abschließend lässt sich über Investieren mit dem dreibeinigen Stuhl sagen:
Das Konzept des dreibeinigen Stuhls kann, wie ich finde, dabei helfen, sich bei der Analyse eines Unternehmens gut Fragen zu stellen. Das heißt aber nicht, dass es in der Realität einfach anzuwenden ist.
Und das heißt nicht, dass man bei der Suche nach erfolgversprechenden Aktien einfach eine Checkliste abhaken kann und schon erzielt man eine überdurchschnittliche Rendite.
Warren Buffett sagte:
„Investieren ist einfach, aber nicht leicht“.
Das mag etwas kontraintuitiv sein. Wenn etwas einfach ist, dann sollte es doch auch leicht sein. Das ist aber nicht so.
Wenn man in Einzelaktien investiert und wenn man mit dem Konzept des dreibeinigen Stuhls investieren möchte, dann muss man ein Unternehmen tief verstehen. Und man muss von der Qualität der eigenen Analyse auch wirklich überzeugt sein.
Man muss davon überzeugt sein, dass das zugrundeliegende Unternehmen langfristig besser dasteht als heute, um auch die Auf und Abs, die großen und kleinen Kursbewegungen an der Börse durchzustehen.
Vielleicht traust Du Dir das zu. Dann kann Chuck Akres Melkschemel Dir möglicherweise bei Deiner Analyse helfen. Vielleicht setzt Du auf ein breitgestreutes Portfolio und beschäftigst Dich nur am Rand mit ein paar Unternehmen und analysierst sie hinsichtlich des dreibeinigen Stuhls. Das wird Dich in jedem Fall nicht dümmer machen. Und vielleicht sagst Du auch: Das ist mir zu kompliziert oder zu zeitaufwendig, ich will einfach nur meinen ETF-Sparplan durchziehen und mich ansonsten nicht mit der Börse beschäftigen. Auch das natürlich vollkommen in Ordnung.
PS: Das Titelbild ist in Kalifornien entstanden.