In dieser Ausgabe geht es um Aktien mit Burggräben. Konkret wird in diesem Beitrag vertieft:
- Was Burggräben im Kontext der Geldanlage überhaupt sind und
- Warum sie bei der Identifikation erfolgversprechender Unternehmen bzw. Aktien wichtig sind
- Wie sie Dir, als Anlegerin und Anleger, bei der Geldanlage helfen können.
Hier geht es zum Podcast:
Aktien mit Burggräben. Warum und was meint das überhaupt?
Ich habe in diesem Podcast schon öfter über qualitativ hochwertige Aktien gesprochen. Zum Beispiel in Folge 14 über die erste Regel des Investierens.
Da sagte ich: Wenn wir erfolgreich in Einzelaktien investieren wollen, dann sollten wir nur Aktien von qualitativ hochwertigen Unternehmen besitzen. Da stellt sich die Frage, was nun qualitativ hochwertig bedeutet.
Qualitativ hochwertige Unternehmen haben zum Beispiel am Markt nachgefragte Produkte, sie haben solide Finanzen und ein fähiges wie auch vertrauenswürdiges Management. Und ein weiteres Anzeichen für Qualität sind Burggräben.
Der Begriff der Burggräben im Kontext der Geldanlage wurde von Warren Buffett geprägt.
Mit Burggräben meint er Wettbewerbsvorteile, mit denen ein Unternehmen im Markt wettbewerbsfähig ist und es auch bleibt, um langfristig seine Gewinne und Marktanteile zu schützen.
Dabei gibt es grundsätzlich vier gängige Arten von Burggräben: Immaterielle Vermögenswerte, Wechselkosten, Netzwerkeffekte und Kostenvorteile.
Wann genau der Begriff im Kontext der Börse zum ersten Mal aufkam, ist nicht ganz sicher. Buffett nannte den Begriff zum Beispiel bei der Hauptversammlung seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway im Jahr 1995. Jedenfalls ist die Analogie weit verbreitet und der Begriff der Burggräben, auf Englisch Moats, ist in der Börsenwelt fest etabliert.
Die Idee von Burggräben ist, dass ein profitables Unternehmen Wettbewerb anzieht.
Also Wettbewerber dazu verleitet, das erfolgreiche Geschäftsmodell oder Produkt zu kopieren. Dieser erhöhte Wettbewerb wiederum führt zu sinkenden Renditen, das Geschäftsfeld wird somit weniger attraktiv. Umgekehrt kann ein Unternehmen seine Profite mit starken Burggräben dauerhaft schützen. Und das wird sich langfristig dann ebenso positiv auf den Aktienkurs auswirken.
Der Investor Pat Dorsey hat hierzu gesagt, dass es für die meisten Menschen vernünftig ist, mehr für etwas zu bezahlen, das langlebig ist. Von Küchengeräten über Autos bis hin zu Häusern.
Und das gleiche gilt für den Aktienmarkt. Langlebige Unternehmen, also Unternehmen mit starken Wettbewerbsvorteilen, sind wertvoller als Unternehmen, die über keine starken Wettbewerbsvorteile verfügen, weil sie nur schwer konkurrieren und schnell unter die Räder kommen können.
Entsprechend sollte man, wenn man in Einzelaktien investiert, gezielt nach Unternehmen mit starken Burggräben suchen.
Kommen wir zu den verschiedenen Arten der Burggräben.
Da wären zunächst immaterielle Vermögenswerte als Burggräben
Das sind zum Beispiel Marken oder Patente und Lizenzen.
- Patente können, zumindest für eine gewisse Zeit, Wettbewerber daran hindern, bestimmte Produkte zu verkaufen oder eine Technologien zu nutzen.
- Lizenzen können unter Umständen sogar per Gesetz Wettbewerb fernhalten.
- Starke Marken schaffen Vertrauen und sie verringern die Suchkosten für die Kunden.
Ein Beispiel für niedrige Suchkosten durch eine Marke wäre: Du brauchst eine Gesichtscreme. Dann ist die Chance relativ hoch, dass Du zum Markenprodukt greifst. Das kennst Du aus der Werbung.
Du hast Vertrauen, dass die Qualität bei einem Markenprodukt schon stimmen wird und Du musst Dich nicht tiefer mit verschiedenen Cremes beschäftigen, um ein Produkt zu finden, das Deinen Ansprüchen genügt. Eine starke Marke kann ebenfalls die Zahlungsbereitschaft erhöhen. Bei wenig differenzierten Produkten, also zum Beispiel Energie, da ist die Auswahl stark preisabhängig.
Im genannten Beispiel der Gesichtscreme sind viele Verbraucher bereit, mehr Geld für das Markenprodukt auszugeben. Das Unternehmen hat zudem eher die Möglichkeit, steigende Kosten an die Verbraucher weiterzugeben, also den Preis zu erhöhen.
Also Marken sind wirklich starke Wettbewerbsvorteile. Und die Strahlkraft einer Marke kann so weit gehen, dass sie eine Produktkategorie regelrecht dominiert. Bei Online-Shopping, kommt Dir vermutlich Amazon in den Sinn, bei Fast Food denkst Du an McDonald’s und bei Gesichtscreme an Nivea. Und mit googlen, Tesa und Tempo haben es manche Marken sogar bis in unseren Sprachgebrauch geschafft.
Das Problem mit immateriellen Vermögenswerten ist, dass sie endlich sein können. Ein Patent kann ablaufen, eine Lizenz kann widerrufen oder sonstwie geändert werden und eine über Jahrzehnte aufgebaute etablierte Marke kann auch großen Schaden nehmen.
Burggraben Nummer 2: Die Wechselkosten.
Wechselkosten bedeuten, dass es schwierig ist, von einem Anbieter zu einem anderen zu wechseln. Sei es, weil es zeitintensiv und aufwändig ist, weil es ein Risiko beinhaltet oder weil es Geld kostet.
Ein Beispiel sind Handy-Betriebssysteme. Du hast Dir das mühsam eingerichtet, Kontakte synchronisiert, verschiedene Apps installiert, Passwörter gespeichert, Du kennst Dich mit dem Betriebssystem aus.
Auf ein anderes Modell mit dem gleichen Betriebssystem zu wechseln, das fällt relativ leicht. Auf ein anderes Betriebssystem zu wechseln, das hingegen ist richtig viel Aufwand.
Burggraben Nummer 3: Die Netzwerkeffekte.
Netzwerkeffekte sind ein sehr spannendes aber auch etwas umfangreicheres Thema, das ich in einer späteren Folge nochmal vertiefen werde. Netzwerkeffekte bedeuten, dass der Wert eines Produktes oder einer Dienstleistung mit zunehmender Anzahl der Nutzer steigt.
Ein frühes Beispiel für Netzwerkeffekte war die Einführung des Telefons. Wenn es nur ein einziges Telefon gibt, dann ist das ziemlich nutzlos. Je mehr Menschen ein Telefon haben, desto attraktiver wird das Produkt. Wenn Du ein Telefon hast und Dein Freund kauft sich auch eins, dann hat er einen direkten Nutzen, aber durch den weiteren Anschluss steigt für Dich ebenfalls der Nutzen.
Und Netzwerkeffekte können wir gerade in der digitalisierten Welt bei sehr vielen Produkten und Geschäftsmodellen sehen. Social Media Unternehmen bspw., da sind Netzwerkeffekte ein Kern des Produkts. Man nutzt Plattform XY, weil sie von vielen Menschen genutzt wird und je mehr Menschen die Plattform nutzen, desto attraktiver wird sie.
Ähnlich Taxi-Apps. Die bedienen einen sogenannten zweiseitigen Markt, den Markt für Fahrer und den für Fahrgäste. Wenn viele Fahrer eine Taxi-App nutzen, dann gibt es ein großes Angebot an Fahrern, ergo ist das Produkt für Fahrgäste attraktiv. Viele Fahrgäste nutzen die App, somit wird eine große Nachfrage nach Fahrten erzielt, was die App wiederum attraktiv für die Fahrer macht.
Also Netzwerkeffekte können die Wertigkeit eines Produkts immer weiter verstärken und sie sind meiner Meinung nach der potenziell stärkste und auch nachhaltigste Burggraben. Das kann man zum Beispiel an den vielen erfolglosen Social-Media-Netzwerken der letzten Jahre sehen. Die fielen meist durch eine oder mehrere besondere Funktionen auf und sind zum Teil mit großem Hype gestartet. Aber letztlich konnten sie sich gegen die großen Plattformen nicht durchsetzen. Und ein wesentlicher Grund dafür sind Netzwerkeffekte.
Burggraben Nummer 4: Die Kostenvorteile
Während die bereits genannten Burggräben dabei helfen können, Wettbewerber auf Abstand zu halten und dadurch den Preis zu kontrollieren, zielt Burggraben Nummer 4, die Kostenvorteile, wie der Name bereits vermuten lässt auf die Kosten des Unternehmens.
Kostenvorteile entstehen immer dann, wenn ein Unternehmen strukturell und dauerhaft niedrigere Kosten hat als seine Wettbewerber. Das ist nicht zu verwechseln mit niedrigen Preisen. Wenn ein Unternehmen Kostenvorteile hat, dann kann es günstigere Preise als der Wettbewerb anbieten, das macht es aber nicht unbedingt. Kostenvorteile kann man oft sehen, wenn ein Unternehmen etwas grundsätzlich anders macht oder auch ein neues Unternehmen bestehende Strukturen hinterfragt.
Ein Beispiel der letzten Jahre sind Billigflieger. Es gibt verschiedene Gründe, wie Billigairlines ihre Kostenvorteile realisieren. Sie haben bspw. das Produkt “Flug” filetiert. Bis dahin kaufte man ein Ticket für eine bestimmte Reiseklasse, also Economy oder Business Class, rundum sorglos.
Bei Billigairlines kauft man in der einfachen Variante nur die Transportleistung, also den Flug. Alles weitere wie Verpflegung, Sitzplatzauswahl oder Gepäck muss man extra bezahlen.
Etablierte Airlines arbeiten mit großen Flughäfen als Drehkreuze mit Umsteigen und Anschlussflügen. Billigairlines hingegen fliegen Punkt-zu-Punkt, also von einer Stadt zur anderen. Das spart Koordinierung und Zeit, die die Flieger am Boden verbringen.
Und Billigairlines durchforsten alles nach möglichen Kosteneinsparungen. Sei es die Nutzung kleiner regionaler Flughäfen oder auch durch preiswerte Außenpositionen an den Flughäfen, also dass die Maschine nicht direkt am Gate parkt sondern man erst noch den Bus nehmen muss.
Und die Frage ist, ob Kostenvorteile nachhaltig sind, also ob ein Konkurrent die Kostenvorteile replizieren kann. Aber tatsächlich passiert es gar nicht selten, dass es anderen Unternehmen schwer fällt, dies zu tun, sei es weil sie strukturell anders aufgestellt sind oder weil sie am Markt anders positioniert sind.
Abschließend lässt sich über Aktien mit Burggräben sagen:
Burggräben können ein starker Faktor dafür sein, dass Unternehmen langfristig erfolgreich sind.
Ich finde das Thema ist grundsätzlich interessant, also zum Beispiel, dass man sich bei verschiedenen Unternehmen die Frage stellt, ob sie Burggräben haben und wie nachhaltig diese sind
Und wenn Du in Einzelaktien investierst, dann solltest Du Dich meiner Meinung nach unbedingt mit Burggräben beschäftigen.
Zur Wahrheit gehört ebenfalls, dass nicht alles, was wie ein Burggraben aussieht, auch einer ist. Ein großer Marktanteil ist gut, es ist aber nicht per se ein Wettbewerbsvorteil. Es gab viele marktbeherrschende Unternehmen, die von kleinen angreifenden Unternehmen in Schwierigkeiten gebracht wurden – eben weil sie keinen starken Burggraben hatten.
Das gleiche gilt für die Größe eines Unternehmens. Größe kann hilfreich sein, um im Wettbewerb zu bestehen, muss es aber nicht. Ein Beispiel ist Nokia. Die Firma war der absolute Weltmarktführer bei Handys und scheinbar unangreifbar. Und dann hat Apple mit dem iPhone den Markt komplett revolutioniert. Heute gibt es Nokia noch, aber für Handys sind sie bedeutungslos.
Auch ein technologischer Vorsprung mag im Wettbewerb helfen, er ist aber oft nicht nachhaltig. Viele Technologien stehen perspektivisch auch der Konkurrenz zur Verfügung oder sie werden durch neue Innovationen abgelöst. Besonders angesagte Produkte können einem Unternehmen kurzfristig ordentliche Gewinne bringen. Das ist oft aber nicht auf Dauer, weil der Wettbewerb nicht schläft und ähnliche Produkte auf den Markt bringt oder weil sich die Moden ändern.
Überhaupt ist das eine spannende Frage:
Wie nachhaltig ist ein Burggraben, ein Wettbewerbsvorteil überhaupt?
Damit werde ich mich in einer späteren Folge nochmal tiefer beschäftigen.
Und ein besonders fähiges Management ist großartig und es kann unter Umständen auch manche Schwäche des Unternehmens wettmachen oder daran arbeiten, dass sich die Burggräben eines Unternehmens verbessern, es ist aber kein struktureller Wettbewerbsvorteil.
Und selbst wenn man ein qualitativ hochwertiges Unternehmen mit starken Burggräben identifiziert hat, sollte man auch die Bewertung des Unternehmens bzw. der Aktie nicht aus den Augen verlieren. Der Preis sollte angemessen sein. Wenn der Preis einer Aktie zu hoch ist, dann handelt es sich nicht um ein gutes Investment.
Darüber hatte ich in Folge 41 über Investieren mit dem dreibeinigen Stuhl und in Folge 50 über die Kunst der Unternehmensbewertung gesprochen.
Zur Wahrheit gehört ebenfalls, dass nur wenige Investoren qualitativ hochwertige Unternehmen sicher identifizieren können.
Deswegen wie so oft in diesem Podcast der Hinweis: Ich möchte Dir nicht vom Investieren in Einzelaktien abraten. Aber das Investieren in Einzelaktien ist nicht leicht. Sei Dir bewusst, dass es für die Mehrheit der Anlegerinnen und Anleger empfehlenswert ist, ihr Geld lieber passiv und breitgestreut zu investieren als ihr finanzielles Glück im Kauf von Einzelaktien zu suchen.
PS: Das Titelbild ist in Brandenburg entstanden.