Wie Instant Gratification Deinen finanziellen Zielen schadet

Vermögensaufbau Podcast

Instant Gratification könnte wörtlich mit “sofortige Befriedigung” übersetzt werden. Das ist vielleicht etwas missverständlich… Jedenfalls beschreibt der Begriff unser Bedürfnis und das daraus resultierende Handeln, dass wir auf einen zukünftigen Vorteil oder Nutzen zugunsten eines geringeren, aber dafür unmittelbaren Nutzens verzichten. Also es ist die sofortige Befriedigung von Wünschen und Bedürfnissen. Ein häufiges Phänomen ist das Prokrastinieren, also das extreme Aufschieben von Dingen.

Zum Beispiel steht die Abgabe einer Arbeit an, Du ziehst es im Moment aber vor, Deine Lieblingsserie zu bingen, wohlwissend, dass Dich das in Zeitnot bringen und Du richtig Stress haben wirst.

Prokrastinieren, das habe ich auch schon öfters bei Finanzen beobachtet. Loszulegen, sich mit seinen Finanzen zu beschäftigen, das ist erstmal mühsam. Und dann denkt man sich vielleicht: Ja, ich werde das angehen. Aber nicht heute, heute habe ich keine Lust. In einer Woche oder in einem Monat habe ich leider immer noch keine Lust. Dann passiert es schnell, dass ein Jahr vergeht und ich bin noch keinen Schritt weiter.

Wahrscheinlich kennst Du das auch, dass Du langfristige Ziele bzw. Langfristige Vorteile beiseite wischst, um eben kurzfristig zu profitieren – das ist die Tücke von Instant Gratification. Dieses Phänomen begegnet uns auch häufig als Verbraucher, ist aber auch im Umgang mit unseren Finanzen wichtig.

Und diesem Thema möchte ich in dieser Ausgabe auf den Grund gehen und auch beleuchten, was wir dagegen unternehmen können.

Hier geht es zum Podcast:

Instant Gratification begegnet uns oft als Verbraucher. Und der Handel als auch Konsumgüterhersteller, die wissen um die süße Versuchung und nutzen sie entsprechend.

Eine Kreditkarte erleichtert Impulskäufe. Wenn Du mit Kreditkarte zahlst, dann hast Du keinen sichtbaren Abfluss von Barmitteln. Das fühlt sich nicht so an, wie Geld auszugeben. Das Geld wird bei Dir auch erst am Monatsende eingezogen. Die Belohnung, den Konsum hast Du aber jetzt sofort.

Finanzierungsangebote nutzen ebenfalls Instant Gratification

Die Werbung macht es Dir mit Instant Gratification schmackhaft. Dieser Fernseher, der kann jetzt dir gehören und die Bezahlung? Gar kein Problem, den zahlst du ganz unkompliziert über mehrere Jahre ab. Aber du kommst schon heute, jetzt, sofort in den Genuss dieses Hightech-Geräts der letzten Generation.

Und das birgt natürlich die Gefahr, dass Du Zeug kaufst, das Du eigentlich gar nicht benötigst, oder Dir vielleicht nicht leisten kannst. In jedem Fall bindet es finanzielle Mittel und Deine Fixkosten steigen.

Videospiele und Apps, die treiben das oft auf die Spitze. Stichwort In-App-Payment. Da wird der Akt des Kaufens gamified. Also Du wirst mit spielerischen Mitteln zum Kauf getriggert und Dir wird ein richtig gutes Gefühl vermittelt. Du kannst jetzt sofort das nächste Gimmick oder Level in diesem Videospiel freischalten, indem du einfach 2 € bezahlst.

Viele Online-Geschäftsmodelle setzen auf Convenience, also Bequemlichkeit und Einfachheit, bei der Bestellung und auf eine schnelle Lieferung. Auch damit werden Impulskäufe gefördert, die Deinem langfristigen Vermögensaufbau im Weg stehen können. Und es wird an das Bedürfnis der Instant Gratification appelliert. Zahlung mit einem Klick, Lieferung in 10 Minuten.

Also der Einfluss von Technologie auf Instant Gratification ist enorm. Alle Informationen der Welt sind jederzeit für uns abrufbar. Und das macht was mit uns. Achte mal darauf: Wenn ein Video oder eine Website nicht wie gewohnt sofort da ist, sondern 2-3 Sekunden braucht, um zu laden. Diese wenigen Sekunden triggern viele Menschen schon. Die vermeintliche Wartezeit macht einen wahnsinnig.

Warum verspüren wir aber überhaupt dieses Bedürfnis nach Instant Gratification?

Instant Gratification zahlt stark auf das Lustprinzip ein. Damit hat Sigmund Freud beschrieben, dass wir Vergnügen, Freude und Genuss anstreben und Schmerz vermeiden wollen. Es ist zutiefst menschlich, dass wir Dinge wollen und wir wollen sie JETZT.

Die Zukunft ist ungewiss und das kann dazu verleiten, dass man den zwar kleinen aber unmittelbaren Nutzen dem zukünftigen sehr großen aber auch unsicheren Nutzen vorzieht.

Als ich vielleicht 12 Jahre alt war, da habe ich mir einen Safe gebaut. Also das war im Prinzip ein Sparschwein, aus massivem Holz und nur mit einem Schlitz durch den Geld eingeworfen werden konnte. Aber der Safe ließ sich nicht öffnen. Den hätte ich schon aufwändig zerstören müssen, damit ich an das eingeworfene Geld herankomme. Und über einen längeren Zeitraum habe ich den Safe mit einem Teil meines Taschengeldes gefüttert. Und auch die ein oder andere Mark, die ich mir hinzuverdiente, sparte ich mit diesem Safe an. Bis zu dem Tag der Belohnung, als ich den Safe feierlich in seine Einzelteile zerlegte, mich wirklich tierisch über den angesparten Betrag freute und mir davon einen Hockeyschläger kaufte.

Warum ich das mit dem Safe gemacht habe, kann ich gar nicht mehr so genau sagen. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, wollte ich mir vor allem beweisen, dass ich das durchziehe und durchziehen kann. Jedenfalls fing das so mit dem Sparen für mich an und ich habe seitdem nie damit aufgehört.

Warum erzähle ich das alles?

Für mich war damals nicht ersichtlich, was für eine wichtige Lektion ich mit dem Safe gelernt habe. Das Stichwort ist Belohnungsaufschub, auf Englisch delayed gratification und das bedeutet, dass man den Vorteil oder den Nutzen aufschiebt, um in Zukunft einen höheren Nutzen zu haben. Es ist also das Gegenteil von Instant Gratification.

Ich habe kurzfristig auf den Kauf von Süßigkeiten verzichtet, dafür konnte ich mir später den Hockeyschläger kaufen.

Und Delayed Gratification ist der Kern dessen, was Du mit langfristigem Vermögensaufbau betreibst.

Du triffst die Entscheidung, heute zu sparen, also heute weniger zu konsumieren, um in Zukunft einen höheren Nutzen zu erzielen.

Und das klingt natürlich banal. Es ist sehr einfach zu sehen, dass Delayed Gratification in vielen Situationen schlauer wäre. Und trotzdem tun wir uns im Alltag schwer damit. Wir erliegen der kurzfristigen Versuchung, wohlwissend, dass wir unseren langfristigen Zielen schaden.

Der Autor Tim Urban, der veranschaulicht das Thema mit dem Bild des Instant Gratification Affen.

Der Instant Gratification Affe ist ein lästiger Zeitgenosse. Der lebt in unserem Kopf und da macht der richtig Ärger. Der Affe hat einen Nachbarn, den rationalen Entscheider und die beiden ringen immer um die Oberhand miteinander, wobei der Affe auch immer wieder gewinnt.

Das Problem ist, dass der Affe wahnsinnig schlechte Entscheidungen trifft. Der denkt immer nur an das hier und jetzt, der ignoriert die Lehren aus der Vergangenheit und die Zukunft ist ihm komplett egal. Ihm geht es einzig darum, das Maximum in diesem Moment zu erleben. Und für den rationalen Entscheider, den Langweiler, für den hat er überhaupt kein Verständnis.

Der Affe fragt sich, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, früh aufzustehen, um Sport zu machen, wenn man auch den Wecker snoozen kann. Oder wieso man die teuren Schuhe nicht kaufen sollte, wenn sie doch echt geil aussehen und man einfach nur die Kreditkarte zücken muss.

Was kannst Du tun, um den Instant Gratification Affen im Zaum zu halten?

Du musst den Affen ja gar nicht komplett verbannen. Wenn man nur rationale Entscheidungen trifft, dann verpasst man das Leben. Wenn Du aber ständig den unmittelbaren Nutzen dem langfristigen Nutzen vorziehst, dann ist das nicht so gut. Das gilt für Beziehungen, Gesundheit, Finanzen, quasi für alle Lebensbereiche. Es ist aber nicht leicht, den Versuchungen zu entsagen. Sonst wären wir wohl alle durchtrainiert, würden uns gesund ernähren, hätten mehr Geld und manche Beziehung würde nicht in die Brüche gehen.

Wir benötigen also Strategien, um Delayed Gratification anzuwenden. Dabei geht es auch um Willenskraft und Selbstkontrolle. Wenn uns dies gelingt, dann haben wir die Freiheit, selbst zu entscheiden und mit unseren persönlichen Schwächen und Neigungen umzugehen, statt von ihnen kontrolliert zu werden.

Für die Anwendung von Delayed Gratification benötigt man eine gewisse Vorstellungskraft und die Fähigkeit vorauszudenken. Ja, ich gebe jetzt etwas auf, aber dafür lockt in der Zukunft eine Belohnung. Wenn es Dir nicht gelingt, dieses Bild in Deinem Kopf zu zeichnen, wird Deine Motivation, jetzt etwas aufzugeben, wahrscheinlich überschaubar sein. Also bevor Du eine Entscheidung triffst, stell Dir die Frage, was dies für die Zukunft bedeutet, welche positiven wie negativen Konsequenzen gibt es. Was ist der Beipackzettel Deiner Entscheidung.

Wenn Du heute diesen schicken Sportwagen least, ja, dann gibt Dir das für den Moment einen ordentlichen Endorphinschub. In drei Monaten fühlt sich das Auto aber vielleicht ganz normal an. Die Aufregung der ersten Male hat sich gelegt. Was bleibt, ist eine hohe monatliche Leasingrate, wegen der Du vielleicht Deine Sparrate senken musstest, was das Erreichen Deiner langfristigen finanziellen Ziele erschwert.

Da bin ich wieder beim Haushaltsplan aus dem Beitrag über die ersten Schritte der Geldanlage. Verstehe Deine Einnahmen und Ausgaben, definiere Deine Sparrate und leg diese gleich beim Gehaltseingang auf Seite.

Mach Dir einen Plan. Welche Ziele verfolgst Du?

Dabei kann es hilfreich sein, große Ziele in kleinere herunterzubrechen. Das kann die Ziele greifbarer machen und motivierend wirken. Wenn Du zum Beispiel in ferner Zukunft einen fünfstelligen Eurobetrag haben möchtest. Dann könntest Du als erste Etappe einen vierstelligen Betrag in Angriff nehmen. Und wenn Du dieses Ziel erreicht hast, dann gehst Du den nächsten Meilenstein an.

Wie kannst Du Dich für das Erreichen eines Ziels belohnen?

Das ist wie wenn ein Kind ob einer langen Autofahrt quengelt und Du stellst in Aussicht, dass es am Ziel ein Eis geben wird.

Wenn Du Dein Budget kennst, dann weißt Du, welchen finanziellen Spielraum Du hast. Es ist vollkommen ok, mal zu eskalieren. Dir Dinge zu gönnen, die Dir Spaß machen und guttun. Dich nach harter Arbeit zu belohnen. Das ist wichtig.

Wenn Du Delayed Gratification im Alltag lebst und Dir gezielt mal etwas gönnst, dann können diese Belohnungen umso schöner, besonderer sein.

Du kannst Dir auch ein bestimmtes Budget geben, das Dir für Impulskäufe zur Verfügung steht. Dann kontrollierst Du Deine Ausgaben und gibst Dir trotzdem den Endorphin-Schub des Impulskaufes.

Eliminiere die Dinge, die Dich in Versuchung führen. Wenn Du dazu neigst, spätabends den Kühlschrank zu plündern, dann solltest Du vielleicht kein Junk Food zu Hause haben.

Vielleicht nimmst Du zum Bummeln durch die Einkaufsstraße gar nicht erst die Kreditkarte mit. Und bei den Online-Shops Deines Vertrauens hinterlegst Du Deine Zahlungsdaten nicht, damit Du eben nicht mit nur wenigen Klicks bestellst.

Genauso wie bei Lebensmitteln, kann man auch beim Shopping eine Einkaufsliste haben. Ich brauche eine Hose, also kaufe ich eine Hose und nur eine Hose und komme nicht mit einer halben Garderobe wieder nach Hause.

Vielleicht bist Du jemand, der immer das neueste Produkt, die letzte technische Innovation haben möchte. Das kannst Du ja machen, wenn es Dir wichtig ist. Viele Produkte werden aber einige Zeit nach der Markteinführung deutlich günstiger. Es kann sich also lohnen, zu warten, anstatt dem Bedürfnis zu verfallen, direkt zuzuschlagen.

Anstatt Dich einem Impulskauf, der Instant Gratification, hinzugeben, kannst Du innehalten und Dich fragen, warum Du diesen Kauf überhaupt tätigen möchtest. Wird er Dich glücklich machen und für wie lange? Gibt es preiswertere Alternativen? Oder Du wartest ein paar Tage und gibst Dir mit der Entscheidung Zeit, recherchierst ein wenig.

Vielleicht tätigst Du dann diesen oder jenen Kauf nicht. Vielleicht schon, das kann ja auch in Ordnung sein. Aber Du kontrollierst Deine Impulse und triffst eine bewusste Entscheidung.

Delayed Gratification lässt sich wie ein Muskel trainieren. Es geht um Dein Verhalten.

Wenn Du schlechte Angewohnheiten hast, dann kannst Du diese durch bessere Gewohnheiten ersetzen.

Ein Beispiel: Wenn Du ins Bett gehst, schaust Du gerne noch eine Episode Deiner Lieblingsserie. Du verpasst aber den Absprung, es ist ja auch so spannend und am Ende hast Du wieder bis tief in die Nacht gebinged. Eine Verhaltensänderung könnte sein: Anstatt im Bett Serien zu gucken, werde ich noch eine halbe Stunde ein Buch lesen.

Psychologen schätzen, dass es ca. 66 Tage dauert, um eine neue Angewohnheit zu internalisieren.

Instant Gratification zusammengefasst.

Instant Gratification ist nicht per se schlecht. Es ist in Ordnung, Dinge oder Erfahrungen zeitnah haben zu wollen. Wie so oft im Leben, geht es um die richtige Balance.

Wenn Du heute der Meinung bist, dass diese Balance bei Dir nicht gegeben ist, dass Du dazu neigst kurzfristige Bedürfnisse zu hoch zu priorisieren und langfristige Ziele zu vernachlässigen, dann hast Du mit Delayed Gratification eine Lösung an der Hand und die kannst Du Dir antrainieren.

Delayed Gratification ist ein Kern des langfristigen Vermögensaufbaus. 

Ich persönlich glaube, dass wir unsere Erwartungen managen müssen, dass wir trotz der uns umgebenden Instant Gratification akzeptieren: vieles ist eben nicht sofort verfügbar, vieles fliegt uns nicht einfach so zu und vieles benötigt eine Menge Arbeit und lange Zeit. Wenn ich ein Instrument lernen möchte, dann muss ich über einen langen Zeitraum üben. Das wissen die meisten.

Bei Geldanlage lassen sich aber immer noch viele von Instant Gratification Botschaften locken wie “So wirst du in 7 Jahren reich”. Solche Botschaften appellieren an Instant Gratification, an den Wunsch ohne Mühe und in kurzer Zeit finanziell unabhängig zu sein, sind bei genauer Betrachtung aber unseriös.

Wenn Du Delayed Gratification praktizierst, dann hast Du eine stärkere Kontrolle über Deine Entscheidungen und über Deine Taten. Dann praktizierst Du Selbstdisziplin und Du stärkst Deine Willenskraft. Du schulst Dich in Geduld und in finanzieller Disziplin.

Während Instant Gratification Deinen finanziellen Zielen schaden kann, kann Dir Delayed Gratification dabei helfen, deine langfristigen Ziele zu erreichen und Dinge noch mehr wertzuschätzen.

Das Titelbild habe ich im österreichischen Bundesland Salzburg gemacht.

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