Eigenverantwortung, Schicksal und die Geburtenlotterie, oder auch die Beschäftigung mit der Frage: Bist Du Deines Glückes Schmied?
In dieser Ausgabe werde ich mich damit beschäftigen, wie das Schicksal es mit Blick auf das liebe Geld gut mit einem meinen kann, während manche qua Geburt benachteiligt sind. Und ich werde untersuchen, wie man für sich selbst auf das Thema gucken könnte, also wie man seines eigenen Glückes Schmied wird.
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Eigenverantwortung und Redewendungen
In Folge 38 Wer den Pfennig nicht ehrt habe ich mich mit eben jener Redewendung beschäftigt. Und seinerzeit stellte ich fest, dass Sprichwörter und Redewendungen zwar manchmal etwas altbacken klingen mögen. Aber oft steckt eine tiefere Botschaft in ihnen drin, die sich über Jahrzehnte oder Jahrhunderte mal mehr, mal weniger bewahrheitet hat.
Wie Du vermutlich bereits festgestellt hast, habe ich den Spruch “Du bist Deines Glückes Schmied” abgeleitet von der Redewendung “Jeder ist seines Glückes Schmied”. Der geht schon auf die alten Römer zurück. Und er drückt aus, dass man sich für das Erreichen von Erfolg oder auch Zufriedenheit nicht auf Dritte oder den Zufall verlassen, sondern sein Schicksal in die eigenen Hände nehmen sollte.
Es geht also um Selbstwirksamkeit und um Eigenverantwortung.
Bei Fragen von Schicksal und Eigenverantwortung geht es häufig auch um die Frage von Gerechtigkeit.
Und Gerechtigkeit ist ein schwieriges Thema. Es kann zum Beispiel individuell sehr verschieden sein, was man als gerecht empfindet.
Eine gefühlt ewige gesellschaftliche Debatte ist die Frage, wie mit Erbschaften steuerlich umgegangen werden soll. Etwas verkürzt gibt es da oft zwei Lager:
- Da sind diejenigen, die sagen: Ein Erbe ist ein bereits versteuerter Vermögensgegenstand. Wenn ich mich dazu entschließe, mein Vermögen, mein Eigentum, meinen Nachkommen, meiner Familie zu hinterlassen, dann ist das allein meine Sache. Da hat der Staat nichts mit am Hut und es ist überhaupt nicht gerechtfertigt, dass hier erneut eine Steuer anfällt.
- Demgegenüber argumentieren andere, dass eine Erbschaft ein leistungsloses Vermögen ist und dass es zutiefst unsolidarisch sei, wenn in einer Gesellschaft ohne eigene Leistung ein Vermögen den Besitzer wechselt. Hohe Erbschaften schüren demnach Ungleichheit und sie sind ungerecht.
Und nicht selten leitet das dann über zum Thema des Aufstiegsversprechens. Also das gesellschaftliche Versprechen, dass man durch Bildung und durch die Kraft der eigenen Arbeit finanziell aufsteigen kann. Das man finanziell betrachtet besser dasteht, als die vorige Generation.
Dabei geht es meiner Meinung nach nicht um Ergebnisgleichheit, also dass alle gleich viel besitzen. Sondern um Chancengleichheit, Chancengerechtigkeit. Das wird in meinen Augen in der Debatte manchmal etwas durcheinander gebracht.
Das Aufstiegsversprechen – so die Kritiker – wird immer weniger eingelöst.
Das ist ein wirklich schwieriges Thema, das an dieser Stelle etwas weit greift und das ich nicht pauschal bewerten möchte. Aber wie so oft kann man solche Themen auch umdrehen und dann kann man spannende Überlegungen anstellen.
Man könnte sagen: Ja, wirtschaftlich weht der Wind in den letzten Jahren etwas rauer und der individuelle finanzielle Aufstieg erscheint schwieriger als bspw. zur Zeit des deutschen Wirtschaftswunders in der Nachkriegszeit.
Und es ist ebenso nicht von der Hand zu weisen, dass manche Menschen es finanziell nicht leicht haben und jeden Euro mehrmals umdrehen müssen.
Trotzdem: Bei allen Herausforderungen, die wir als Gesellschaft insgesamt haben und die es ebenso individuell gibt, so haben die meisten Menschen, die hier und jetzt leben, also in einer Industrienation im 21. Jahrhundert, die meisten dieser Menschen haben grundsätzlich ein sehr gutes Los gezogen.
Und hier lautet das Stichwort Geburtenlotterie.
Der Gedanke hinter der Geburtenlotterie ist, dass die Umstände, in die man hineingeboren wird, das eigene Leben maßgeblich bestimmen.
Das meint: Zu welcher Zeit, an welchem Ort, mit welchem sozioökonomischen Hintergrund. Man kann das auch weiterdenken: Mit welcher sexuellen Identität, in welcher körperlichen Verfassung, als welche Ethnie. Diese Umstände entziehen sich der eigenen Kontrolle. Das ist Zufall.
Warren Buffett hat dazu festgestellt, dass es weniger wichtig ist, ob Du mit einem IQ von 130 oder einem IQ von 70 geboren wurdest. Das wichtigste ist, ob man in einem Land wie den USA, Deutschland oder der Schweiz oder bspw. In Afghanistan geboren wurde.
Das ist so elementar wichtig und wird die Möglichkeiten, wie man sein Leben und auch das eigene Umfeld gestaltet bzw. gestalten kann, maßgeblich beeinflussen.
In einem Vortrag vor Studenten macht er einmal folgendes Gedankenexperiment: Stell Dir vor, in einem Fass befinden sich 5,8 Milliarden Kugeln, das entspricht der damaligen Weltbevölkerung. Und jede dieser Kugeln steht für einen anderen Lebensumstand. Nun entnimmst Du eine Kugel und die Kugel bestimmt Deinen Geburtsort, Vermögen, Geschlecht, intellektuelle Fähigkeiten etc.
Die Frage ist: Wie würdest Du die Welt gestalten, wenn Du mit einer solchen Unsicherheit konfrontiert wärst?
Mit dieser Perspektive würde man vermutlich nach Fortschritt streben, um die Lebensumstände künftiger Generationen zu verbessern. Man würde sich die Frage stellen, wie diejenigen hinreichend berücksichtigt werden können, die einfach nur Pech gehabt und eine schlechte Kugel erwischt haben. Und man würde danach streben, große Chancen, die sich im Leben auftun, beherzt zu ergreifen.
Kommen wir zurück zum Ausgangspunkt dieser Folge:
Eigenverantwortung vs. Schicksal oder auch: Du bist Deines Glückes Schmied.
Mit Blick auf die Geburtenlotterie scheint die Aussage schon fast etwas zynisch. Wenn sich die Umstände, in die wir geboren werden, unserer Kontrolle entziehen, wie soll man dann sein Schicksal aktiv gestalten?
Natürlich wäre es ziemlich anmaßend, einer Person, die unter ärmlichen Verhältnissen aufwächst, zuzurufen, dass sie ihr Schicksal gefälligst selbst in die Hand nehmen solle.
Aber nehmen wir mal einen Otto-Normal-Bürger in einem Land wie Deutschland. Da ist der Zugang zu Bildung und Gesundheitsdienstleistungen gegeben. Das Gleiche gilt für Bürgerrechte, die die persönliche Freiheit oder auch die Wahrung des Eigentums sicherstellen. Der Schutz vor juristischer Willkür.
Auch wenn mir hier manche in einigen Punkten widersprechen würden, sind das in meinen Augen alles Dinge, die grundsätzlich sichergestellt sind und um die es wohl noch nie so gut stand.
Und wenn Du in der Geburtenlotterie im globalen Vergleich als auch historisch betrachtet das Glückslos gezogen hast, also wenn Du in einem Industriestaat geboren wurdest, in einer immer noch verhältnismäßig friedlichen Zeit und in einer nicht prekären finanziellen oder sozialen Situation.
Wenn Du dieses Glückslos gezogen hast, dann ist die Frage, wie Du auf Deine Situation und auf Deine Eigenverantwortung blickst.
Oft wird die eigene Situation ungerechtfertigt als negativ eingeschätzt, weil wir uns mit anderen vergleichen, die ein vermeintlich besseres Los gezogen haben. Stichwort Folge 42 über den inneren Kompass.
Gleichzeitig blenden wir aus, dass wir selbst wahrscheinlich auch von anderen beneidet werden. In Folge 16 mit einem Plädoyer für finanzielle Zuversicht sprach ich über die Entwicklung Chinas im 20. Jahrhundert.
Das China von heute ist gekennzeichnet durch eine extrem ungleiche Gesellschaft. Vor 50 Jahren war China eine extrem gleiche Gesellschaft. Doch wenn man heute in China eine Umfrage machen würde, ob man zu den scheinbar gerechten Verhältnissen zurückkehren sollte, dann würde das wohl niemand wollen, da es allen ziemlich gleich schlecht ging.
Wir vergleichen unsere Lebenssituation nicht unbedingt mit der unserer Großeltern oder Urgroßeltern. Aber in der chinesischen Mittelschicht kann man recht gut mit der Ungleichheit leben, weil wenn man sich mit den vorigen Generationen vergleicht, da sieht man, dass in einer Gesellschaft der Gleichen alle bettelarm waren.
Kommen wir zurück zur Geburtenlotterie.
Warren Buffett, immerhin einer der reichsten Menschen der Welt, stellt dazu fest, dass er mit dem, was er gut beherrscht, an dem für ihn perfekten Ort geboren wurde. Wäre er hingegen vor 3 Millionen Jahren geboren, dann hätte er mit seinen begrenzten körperlichen Fähigkeiten wahrscheinlich als das Mittagessen eines Tieres geendet.
Und diese Erkenntnis über Privilegien und glückliche Umstände kann dazu beitragen, mit einer gewissen Dankbarkeit eher auf das zu blicken was man ist, was man hat – also neben materiellen Dingen wären das zum Beispiel persönliche Freiheit, aber auch Gesundheit und menschliche Beziehungen.
Diese Reflexion kann dabei helfen, sich glücklich zu schätzen und nicht obsessiv auf das zu blicken, was man nicht hat oder was andere haben, Stichwort Folge 25, jeder spielt sein eigenes Spiel.
Eine weitere Betrachtungsweise wäre, dass es die Geburtenlotterie mit vielen in Europa ziemlich gut meinte, wir also insgesamt sehr gute Startbedingungen haben. Und daran schließt die Frage an, was Du aus diesen Startbedingungen machst. Weil da gilt dann durchaus die Devise, dass Du Deines Glückes Schmied bist.
Nun gibt es seit einigen Jahren in Deutschland die Tendenz, dass der Staat in immer mehr Lebensbereiche vordringt.
Das macht er mal unterstützend, mal will er uns beschützen. Es gibt ebenso die Tendenz, dass politisch gewünschte Dinge durchgesetzt werden. Das geschieht mal mit Geboten und auch mit Verboten. Aber Eigenverantwortung scheint weniger in Mode.
Der Staat sorgt für uns vor, er sichert uns gegen alle möglichen Risiken ab. Und die Allgemeinheit springt ein, wenn es mal schlecht läuft. Das ist das Solidaritätsprinzip.
Als Bürger bin ich nicht allein für mich verantwortlich. Wir alle sind Mitglieder einer Solidargemeinschaft. Wir unterstützen uns gegenseitig und wir helfen uns im Notfall.
Man kann da aber auch kritisch draufblicken und anmerken, dass die Entwicklung die ursprüngliche Idee der Solidargemeinschaft längst verlassen hat und dass die Einmischung, die Vorsorge, das Lenken sich immer weiter ausbreitet. Und dass die Eigenverantwortung abnimmt.
Dann könnte man argumentieren, dass der Staat teils übergriffig agiert oder uns das Denken abnimmt. Und ein in diesem Zusammenhang politisch aufgeladener Begriff wäre eine sich ausbreitende Vollkaskomentalität in der Bevölkerung.
Auf finanzielle Themen angewendet, ist das genau das Gegenteil davon, seines eigenen Glückes Schmied zu sein. Und das ist ein Problem.
Früher hieß es, die Rente sei sicher.
Heute stellen sich immer mehr Menschen die Frage, wie das überhaupt gehen soll, also wie die Rente bei längerer Lebenserwartung und weniger Beitragszahlern in Zukunft sichergestellt sein soll. Also die Idee des sicher für mich sorgenden Staates kommt an ihre Grenzen.
Das heißt: Du selbst bist gefragt. Geldanlage und Vermögensaufbau ist Deine Eigenverantwortung, das wird niemand für Dich erledigen. Dafür bist Du selbst verantwortlich. Du bist Deines Glückes Schmied. Du hast es selbst in der Hand, heute Dein finanzielles Verhalten zu ändern, einen bewussten Umgang mit Deinem Geld zu pflegen und es ist ebenso Deine persönliche Entscheidung und auch Eigenverantwortung, Geld zu sparen und gewinnbringend anzulegen.
Darüber hatte ich in Folge 1 über die ersten Schritte der Geldanlage gesprochen: Wenn Du Dich nicht mit Deinen Finanzen beschäftigst, dann triffst Du die Entscheidung, keinen Vermögensaufbau zu betreiben. Ein dazu passender Spruch lautet: Man wird nicht Roger Federer, wenn man nicht Tennis spielt. Du kannst viel erreichen, Du musst es aber angehen.
Damit ist nicht gemeint, dass jeder mit eigenem Fleiß vom Tellerwäscher zum Millionär werden kann. Sondern, dass jeder dafür selbst verantwortlich ist, aus seinen ganz individuellen Voraussetzungen das Beste zu machen.
Und diese Eigenverantwortung für Dein finanzielles Wohlergehen gilt im Positiven, aber ebenso im Negativen. Wenn Du spekulierst und alles verlierst, dann bist Du selbst dafür verantwortlich. Und das ist jetzt keine Gegenrede zum Solidaritätsprinzip.
Nur denke ich manchmal, dass wir unsere Eigenverantwortung etwas vergessen. Dass wir vergessen, was wir selbst leisten können und vielleicht auch sollten. Dass wir uns zu sehr darauf verlassen, dass es schon jemand für uns richten wird. Stattdessen sollten wir unser Schicksal in die eigenen Hände nehmen, eben unseres eigenen Glückes Schmied zu sein.
Vermutlich braucht es neben dem richtigen Los bei der Geburtenlotterie auch im weiteren Verlauf des Lebens ein bisschen Glück.
Da gibt es einen weiteren Spruch: Das Glück ist mit den Tüchtigen. Ein dazu passendes Stichwort lautet Compounding, das ist das kontinuierliche Wachstum mit der Kraft Zinseszins, über das ich in Folge 11 über die wunderbare Kraft des Zinseszins gesprochen habe.
Also wenn man über einen langen Zeitraum einiges richtig macht, dann wird sich das positiv auswirken. Das gilt für finanzielle Fragen, aber ebenso für andere Lebensbereiche.
Wenn man bspw. eine neue Sprache lernen möchte, dann hat man vielleicht den Impuls zu sagen “wie soll ich das denn noch schaffen”. Eine Freundin von mir übt jeden Tag 10 Minuten Spanisch. Das kann sie im Alltag gut unterbringen, im Jahr kommt sie so auf über 60 Übungsstunden.
Gleiches gilt für das Lesen von Büchern. Nehmen wir an, ein Buch hat durchschnittlich 250 Seiten. Wenn ich an fünf Tagen in der Woche 20 Seiten lese, komme ich auf über 20 Bücher im Jahr.
Und diesen Effekt kann man ebenso beim Investieren beobachten. Wenn ich mich heute dazu entscheide, zu sparen und zu investieren, zum Beispiel mit einem Sparplan. Dann zahlt sich das über einen langen Zeitraum aus, selbst wenn der monatliche Betrag überschaubar ist.
Dafür muss ich nur ein paar grundsätzliche Dinge richtig machen. Das ist keine Magie und dafür muss ich kein Experte sein
Umgekehrt gilt das ebenso.
Wenn ich nichts mache, wenn ich den Konsum fröne und nichts zurücklege, dann ist das meine Entscheidung und auch mein gutes Recht. Es ist aber auch meine Entscheidung, meine Eigenverantwortung, gegen meinen langfristigen zukünftigen finanziellen Erfolg, siehe auch Folge 6 über Instant Gratification.
Dann kann ich in meine Phantasie flüchten und träumen, wie es denn wäre, mehr Geld zu haben. Ich kann neidisch auf andere sein, die mehr haben als ich. Was nebenbei bemerkt in der Regel nicht empfehlenswert ist.
Ob ich in resigniere, neidisch bin oder meinen Träumen nachhänge, ist dann letztlich egal. Unterm Strich stehe nur ich mir selbst im Weg.
Ich bin weißgott kein Motivations-Coach, auch wenn diese Aussagen vielleicht etwas danach klingen mögen. Und natürlich kann nicht jeder Millionär werden. Aber auch wenn ich nur wenig zur Seite legen kann, dann kann ich über einen langen Zeitraum sehr viel erreichen.
Wir Deutschen und die Eigenverantwortung
Vielleicht haben wir Deutschen zumindest in den letzten Jahren zunehmend eine Mentalität der Absicherung durch den Staat entwickelt und vielleicht haben wir etwas den Antrieb verloren.
Und das Thema Eigenverantwortung ist bei uns vielleicht auch ein nicht sehr positiv besetztes Attribut. Das klingt für viele schnell nach Sozial-Darwinismus, nach Raubtier-Kapitalismus, nach der Verabschiedung von der solidarischen Gesellschaft.
Man könnte meiner Meinung nach aber ebenso argumentieren, dass Eigenverantwortung, die solidarische Gesellschaft überhaupt erst möglich macht. Damit denen geholfen werden kann, die wirklich Hilfe benötigen.
Und vielleicht würde es uns auch nicht schaden mehr darüber nachzudenken, was wir selbst tun können und wie wir für uns selbst und für unser langfristiges finanzielles Wohlergehen Eigenverantwortung übernehmen.
Das Thema Eigenverantwortung werde ich einer späteren Folge nochmals vertiefen. In diesem Sinne verabschiede ich mich für heute mit der bekannten Weisheit: Es gibt nichts Gutes außer man tut es.
PS: Das Titelbild ist in Bayern entstanden.