Droht die Kurskorrektur?

Ich habe eine Hörerfrage erhalten und zwar, ob eine Kurskorrektur droht und ob man angesichts einer möglichen Überbewertung vieler Unternehmen den ETF-Anteil im eigenen Depot nicht etwas senken sollte. Spannende Frage, auf die ich gerne eingehen werde. 

Hier geht es zum Podcast:

Droht die Kurskorrektur?

Robin hat mir geschrieben. Er ist Mitte 30, hat ein Depot mit einigen ETFs. Und als er Folge 103 über Animal Spirits gehört hat, da hat er sich die Frage gestellt, ob es angesichts des Trends zu ETFs nicht auch zu einer Situation wie bei der US Immobilienkrise im Jahr 2008 kommen kann.

Kurze Wiederholung aus Folge 103: Die Finanzkrise 2008 wurde maßgeblich durch einen Immobilienhype in den USA ausgelöst. Scheinbar jede Immobilie versprach eine große Wertsteigerung. Und daraufhin nahmen auch Geringverdiener hohe Schulden auf, getrieben von der Hoffnung oder auch Gier, die aufgenommenen Hypotheken ohne Probleme tilgen zu können. Bis das Kartenhaus in sich zusammen brach. In der Folge verschwand mit Lehman Brothers eine der bis dato größten Banken vom Markt. Auch in Deutschland war bspw. Die Hypo Real Estate betroffen und wurde verstaatlicht. 

Robin fragt sich nun folgendes: 

Angenommen, durch den aktuellen ETF-Hype ist ein größerer Teil der Unternehmen in einem Index wie dem MSCI World über einen längeren Zeitraum überbewertet. Und diese Überbewertung wird nun schlagartig korrigiert, also die Aktienkurse rutschen in den Keller. Würde das nicht zu einem ähnlichen Effekt wie damals führen? Rückblickend sei man zwar schlauer, aber damals hielten viele die Immobiliengeschäfte ja ebenfalls für eine gute Idee. Und auch durch manche Trickserei war nicht bekannt, wie riskant die Geschäfte wirklich sind. 

Und Robin fragt sich, ob es vor diesem Hintergrund vielleicht schlauer ist, sein Geld auch noch in andere Finanzprodukte zu investieren und keinen sehr hohen ETF-Anteil zu halten, oder ob das meiner Meinung nach eine eher unbegründete Sorge ist. 

Disclaimer: Nun spreche ich in diesem Podcast bzw. Blog meistens eher allgemein über die Geldanlage und wie wir bessere finanzielle Entscheidungen treffen können. Bei dieser relativ spezifischen Frage möchte ich der Vollständigkeit halber darauf hinweisen, dass dieser Podcast bzw. Blog keine Finanzberatung ist. Ich teile hier meine Gedanken und Ideen, aber das sind keine spezifischen Anlageempfehlungen. Und ich übernehme keine Haftung für etwaige Verluste, die auf Basis meiner Ausführungen entstehen.

Führt der ETF-Hype zu Marktversagen und Kurskorrektur?

Beim Stichwort ETF-Hype könnte man die Frage stellen, ob uns angesichts der großen Beliebtheit Probleme ins Haus stehen, also ob aufgrund des Erfolgs von ETFs ein Marktversagen droht. Damit habe ich mich in Folge 77 Keine Angst vor ETFs beschäftigt.

Ich lese aus Robins Mail mehr die Frage nach einer irrationalen Überbewertung. Also ob die Aktienkurse nicht derart stark gestiegen sind, dass eine Kurskorrektur droht und wir uns in einem Tumult an den Finanzmärkten wie zur Finanzkrise 2008 wiederfinden werden.

Nun war die Finanzkrise eine besondere Situation. Im Kern war es eine Kreditblase. Vereinfacht gesagt, haben viele Menschen auf Pump Immobilien gekauft, auch diejenigen, die es sich eigentlich gar nicht leisten konnten. Das Ganze war hochspekulativ. Man spekulierte auf immer weiter steigende Immobilienpreise. Und aus Sicht der kreditgebenden Banken waren die Kredite durch die Immobilien abgesichert. Als die Blase dann platzte, hatten viele Finanzhäuser viele von diesen auch faulen Krediten in den Büchern, was zur Folge hatte, dass das globale Finanzsystem ins Wanken gebracht wurde, wodurch dann wiederum die Aktienmärkte mitgerissen wurden. 

Um Robins Frage zu beantworten, möchte ich das gerne etwas abschichten und in verschiedene Teilfragen aufteilen.  

  1. Die Frage nach einer Überbewertung der Aktienmärkte
  2. Die Frage, wie man als Anlegerin bzw. Anleger auf Markteinbrüche gucken kann
  3. Die Frage, ob man nun den ETF-Anteil im eigenen Portfolio senken sollte

Kommen wir zu Frage Nummer 1:

Haben wir gerade eine Überbewertung der Aktienmärkte und droht eine stärkere Kurskorrektur?

So ganz pauschal kann man das nicht sagen. Das hängt zum Beispiel vom Land ab. Wir haben aber tatsächlich eine sehr positive Entwicklung mancher Marktsegmente hinter uns.

Ganz konkret stieg der MSCI World 2024 um 17%, 2023 um fast 22%. Da gab es zwei starke Treiber, nämlich den hohen Anteil der USA im MSCI World und dort haben insbesondere einige wenige Tech-Firmen die Entwicklung getrieben. Also zur Einordnung: Der MSCI World besteht aus rund 1.600 verschiedenen Aktien aus 23 Industrieländern. Aber die zehn größten Aktien machen stolze 25% Anteil aus und die USA stehen für über 70%. 

Das unterstreicht, dass es durchaus sinnvoll sein kann, zusätzlich zu diversifizieren, also bspw. mit ETFs in Europa, Emerging Markets oder auch Asien. Wir bleiben beim MSCI World.

Jedenfalls könnte man sich nun angucken, wie der Index bewertet ist, also ob tatsächlich eine Überbewertung vorliegt. Weil, vielleicht sind ja auch die Unternehmensgewinne in gleichem Maße gewachsen wie die Aktienkurse. Dann hätte sich die Bewertung trotz steigender Kurse nicht geändert.

Und hier ist das Stichwort Kurs-Gewinn-Verhältnis, kurz KGV, eine der am weitesten verbreiteten Kennzahlen bei Aktien, die ausdrücken soll, ob eine Aktie eher günstig oder teuer ist. Ich würde hier tatsächlich das sogenannte Shiller-KGV betrachten. Beim Shiller-KGV wird der aktuelle Aktienkurs durch den durchschnittlichen inflationsbereinigten Unternehmensgewinn der letzten zehn Jahre geteilt. Es ist also ein Durchschnittswert, mit dem Schwankungen im Gewinn ausgeglichen werden sollen. Weitere Details dazu kannst Du auch nochmal in Folge 31 über das KGV nachhören.

Jedenfalls lag das Shiller-KGV des MSCI World zum Zeitpunkt der Aufnahme dieser Folge bei ungefähr 24,80. Das ist im historischen Vergleich schon einigermaßen sportlich. Zugleich ist das kein Wert, bei dem ich schlaflose Nächte habe. 

Trotzdem die Frage: Droht nun eine stärkere Kurskorrektur?

Die kurze Antwort ist: Ja, irgendwann mit Sicherheit. 

Stichwort Folge 65 über den ewigen Zyklus: Finanzmärkte bewegen sich in Zyklen. Die Börse ist ein ewiges Auf und Ab. Auf den Boom folgt die Abwärtsbewegung. Wir sehen steigende Märkte, also eine expansive Phase. Und irgendwann dreht sich die Stimmung. Die Kurse sinken, vielleicht kommt es sogar zum Crash. 

Also das passiert immer wieder. 2023 und 2024 ging es für Indizes wie den MSCI World ordentlich bergauf. 2022 verlor er aber knapp 20%. Und wie die Entwicklung in 2025 ausfallen wird, kann niemand sagen. Im Jahr der Finanzkrise ging der MSCI World über 40% zurück und in der Spitze verloren Anleger bis zu 60%.

Allein in diesem Jahrtausend gab es die Dotcom-Krise, die angesprochene Finanzkrise, die Staatspleite in Griechenland mit der dadurch ausgelösten Eurokrise. Es gab einen wirtschaftlichen Einbruch in China und Russland hat die Ukraine überfallen und den Krieg nach Europa zurückgebracht. 

Die Stiftung Warentest hat das untersucht und festgestellt, dass es seit dem Jahr 1970 fünf Ereignisse gab, bei denen der MSCI World um mehr als ein Viertel eingebrochen ist. Und trotz aller dieser Verwerfungen hat der MSCI World seit dem Jahr 1975 eine durchschnittliche jährliche Rendite von ca. 9% erwirtschaftet. 

Eines ist sicher: Wir werden solche extremen Ereignisse immer wieder erleben. Wir wissen nur nicht wann. Die Märkte können hoch bewertet sein. Es kann vieles für eine anstehende Kurskorrektur sprechen. Aber trotzdem klettern die Kurse weiter. Und da hat sich schon mancher die Finger verbrannt, weil er auf sinkende Kurse setzte. Stichwort Folge 107 über die Irrationalität der Märkte: „Die Märkte können länger irrational bleiben, als Du zahlungsfähig bleiben kannst.“

Und das ist teilweise auch recht abenteuerlich. 2023 ist der deutsche Aktienindex DAX um ca. 20% gestiegen, 2024 um ca. 19%. Trotz der Energiekrise. Trotz überbordender Bürokratie und einer in Teilen handlungsunfähigen Politik. Trotz möglicher Umbrüche in der globalen Weltordnung. Trotz drohenden Handelszöllen. Trotz Krieg in Europa. 

Nun wird mit Blick auf den DAX öfters entgegnet, dass die im DAX vertretenen Unternehmen nur einen geringen Teil ihres Geschäfts in Deutschland machen und sie vielmehr auf den Weltmärkten aktiv sind. Das stimmt. Aber Dinge wie hohe Energiepreise, Bürokratie und die politische Lähmung betreffen sie ebenfalls. Und da kann die Bewertung in meinen Augen durchaus als sehr sportlich gesehen werden. 

Also deswegen: Ja, mit steigenden Bewertungen steigt auch das Risiko, dass es zu einer Kurskorrektur kommt. Es ist aber nicht verbrieft, wann dies passieren und wie stark das ausfallen wird.

Übrigens hängt wie auch beim MSCI World die positive Entwicklung des DAX von vergleichsweise wenigen Werten ab, die dort auch ein starkes Gewicht haben.

Damit sind wir bei Frage Nummer 2:

Wie kannst Du, als Anlegerin, als Anleger, auf eine mögliche Kurskorrektur blicken?

Die Ausgangsfrage war ja, ob wir nicht weniger ETFs halten sollten. Das impliziert zwei Sachen: Wir reden über Aktien und wir reden nicht über Einzelaktien. Die meisten ETFs setzen auf Aktien. Also es gibt ebenfalls bspw. Anleihen-ETFs, aber die Frage war ja ebenfalls mit dem Index MSCI World als Beispiel für einen ETF angeführt. 

Und bei Aktien und somit ebenfalls bei Aktien-ETFs, sollten wir uns immer vergegenwärtigen, was das überhaupt ist. Darüber hatte ich in Folge 2 Bärenmarkt und Börsenbeben gesprochen. Aktien sind keine theoretischen Konstrukte. Aktien sind Anteile an real existierenden Unternehmen. Mit echten Produkten, Mit echten Wettbewerbsvorteilen. Mit echten Gewinnen.

Der Investor Seth Klarman hat dazu sinngemäß gesagt, dass es für Anleger entscheidend ist, zu verstehen, dass Aktien nicht das sind, was die meisten Leute denken. Sie sind kein Stück Papier, das gehandelt wird, das auf einem Bildschirm auf- und absteigt und das man in den Börsennachrichten verfolgt.

In Aktien zu investieren bedeutet, einen Anteil an einem Unternehmen zu kaufen. 

Damit sind wir bei Punkt zwei: Wir reden bei ETFs nicht über Einzelaktien. Wir reden über ein global wie auch nach Branchen breit gestreutes Aktienportfolio, das den Markt in seiner Breite abdeckt. 

Und dann zeigt der Blick in die Vergangenheit, dass sich der Markt insgesamt, trotz zwischenzeitlich gravierender Kursverluste, über einen langen Zeitraum sehr positiv entwickelt hat. Der lange Zeitraum ist wichtig. Wenn heute die Märkte abschmieren und ich benötige mein Geld. Dann habe ich ein Problem. Wenn ich hingegen langfristig investiere, dann kann ich da ganz anders draufblicken.

In Folge 2 hatte ich dazu gesagt, dass sich der Investor Warren Buffett über taumelnde Aktienkurse freut, da er günstige Einstiegskurse wittert. Er vergleicht Aktienkäufe mit dem Kauf von Socken, also im Englischen socks or stocks, beides kaufe er gerne im Sonderangebot. Während die Mehrheit bei Aktien paradoxerweise dazu neigt, bei neuen Höchstständen zu kaufen. Er ist der Ansicht, dass Investoren gewinnen, wenn der Markt fällt. Wenn man sich hingegen wegen tatsächlich oder möglicherweise fallender Aktienkurse gestresst fühlt, dann denkt man falsch über Investitionen nach. Seiner Meinung nach sind langfristig denkende Investoren per Definition lange Zeit gar nicht darauf aus, zu verkaufen.

Wenn man einen langfristigen Zeithorizont zum Investieren hat, dann ist die einzig relevante Frage, wie hoch der Wert der eigenen Investitionen in ferner Zukunft sein wird, nämlich dann, wenn man tatsächlich verkauft. Aber bis es soweit ist, werde ich vermutlich weiter sparen und investieren, also meine Investments aufstocken. 

Und wenn ich mein gespartes Geld investiere, dann habe ich ein Interesse an kurzfristig niedrigen Aktienkursen, an niedrigeren Bewertungen, weil ich mehr Aktie bzw. ETF für mein Geld bekomme. Wenn man das umdreht, also die Überlegung, dass Investoren gewinnen, wenn der Markt fällt. Dann bedeutet dies ebenfalls, dass diejenigen verlieren, die nicht mehr investieren. Also diejenigen, die planen, ihre Aktien oder ETFs zu verkaufen. Deren Interesse ist ein steigender Markt und hohe Kurse. 

Damit sind wir bei Frage Nummer 3:

Sollte ich nun den ETF-Anteil in meinem Portfolio senken? 

Ganz grundsätzlich kann es eine sinnvolle Überlegung sein, neben Aktien bzw. Aktien-ETFs auch andere Anlageinstrumente in den Blick zu nehmen, also bspw. Festgeld oder auch Anleihen. Darüber hatte ich in Folge 62 über Tagesgeld oder ETF gesprochen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass man auch Geld schnell verfügbar hält. Stichwort Folge 79 über den NotgroschenDu solltest ein Polster für unvorhersehbare Fälle haben, auf das Du direkt zugreifen kannst. ETFs sind dafür nicht geeignet.

Die Frage, die Du Dir stellen und beantworten solltest, ist die nach Deinen finanziellen Plänen. Wenn Du heute sparst und investierst, um in einer fernen Zukunft einen Sparstrumpf zu haben, um den langfristigen Vermögensaufbau anzugehen, dann wird an Aktien bzw. Aktien-ETFs vermutlich kein Weg vorbeiführen. Wenn Du hingegen in einigen Jahren einen bestimmten Betrag benötigst, dann sollte dieser eher nicht in Aktien angelegt sein, da die Märkte immer wieder auf Talfahrt gehen.

Und dann ist da die Frage der eigenen Risikotoleranz. Also wenn wir davon ausgehen, dass es an den Börsenmärkten immer wieder richtig zur Sache gehen kann und die Kurse stark einknicken. Dann kann man sich die Frage stellen:

  • Halte ich das emotional aus?
  • Was macht das mit mir?

Das muss jeder – soweit es geht – für sich beantworten. Ansonsten helfen vielleicht die Tipps, die ich in Folge 2 zum Thema gegeben habe. 

Das Titelbild ist in Athen entstanden.

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