Die Rentenlücke ist der zweite Teil einer Doppelfolge über die Rente. In der letzten Ausgabe „Ist die Rente sicher?“ habe ich mich mit der Frage beschäftigt, ob die Rente sicher ist und was die Zukunft des Rentensystems bringen könnte.
Heute werde ich mich mit der individuellen Perspektive der Rente beschäftigen. Und da lautet das Stichwort Rentenlücke. Dazu werde ich zunächst darüber sprechen, was die Rentenlücke überhaupt ist. Und ich werde darüber sprechen, was das nun bedeutet, also was Du mit Blick auf eine vielleicht drohende Rentenlücke unternehmen kannst.
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Was ist die Rentenlücke?
Rein definitionsgemäß bezeichnet die Rentenlücke die Differenz zwischen dem letzten Netto-Einkommen vor Renteneintritt und der gesetzlichen Altersversorgung, also dem Betrag, den man als Rentnerin bzw. Rentner erhält.
Es gibt auch Interpretationen, wonach die Rentenlücke den Unterschied zwischen der voraussichtlichen Rente und der eigenen Wunschrente bezeichnet. Also den Betrag, der einem wohl zur Verfügung stehen wird, das wäre bspw. die gesetzliche Rente oder auch eine mögliche betriebliche Altersversorgung, und den Betrag, den man sich vorstellt bzw. Den man benötigt.
Ich persönlich finde den zweiten Ansatz lebenspraktischer. Also die in meinen Augen entscheidende Frage ist:
- Welchen Betrag benötige ich, um im Alter meinen angestrebten Lebensstandard zu finanzieren und welchen Betrag ich im Alter zu erwarten habe?
- Entspricht der zu erwartende Betrag dem benötigten Betrag oder ist da eine Differenz, eine Rentenlücke?
Wie hoch ist mein Finanzbedarf im Alter?
Den benötigten Betrag kann man selbst berechnen, zum Beispiel auf Basis eines Budgets bzw. Haushaltsplans, über den ich in Folge 1 über die ersten Schritte der Geldanlage gesprochen habe.
Da sollte man nur etwas aufpassen, weil mein Budget von heute unterscheidet sich vermutlich stark von meinem Budget in der Zukunft. Manche Kosten von heute fallen in Zukunft vielleicht nicht mehr oder weniger an. Ein Beispiel wären Mobilitätskosten, die durch den Weg zur Arbeit entstehen.
Deutlich gravierender könnten aber Kosten sein, die in Zukunft neu anfallen oder deutlich höher liegen als heute. Vielleicht habe ich im Alter gesundheitliche Einschränkungen, wodurch mir Kosten entstehen. Und als Rentnerin bzw. Rentner habe ich womöglich auch andere Bedürfnisse oder Interessen als in jungen Jahren. Wenn ich nicht mehr Vollzeit arbeite, dann kann dies Auswirkungen auf mein Freizeitverhalten und auf Hobbies haben. Auch das kann Geld kosten.
Und der womöglich stärkste Effekt auf mein Budget heute und in Zukunft ist der Kaufkraftverlust durch die Inflation. Also, ich muss berücksichtigen, dass das, was ich heute für einen Euro kaufen kann, in Zukunft deutlich teurer sein wird.
Ich sollte also den zukünftigen Wert des heute für die Zukunft berechneten Betrags berechnen. Das Stichwort dazu lautet Zinseszins und der gesuchte Betrag nennt sich Endwert. Dabei nehme ich den heute berechneten Betrag und multipliziere ihn mit einer unterstellten jährlichen Inflationsrate, die ich mit der Laufzeit potenziere.
Klingt kompliziert? Ist es gar nicht.
Die Berechnung der Rentenlücke als praktisches Beispiel:
Ich unterstelle ein Budget von 1.500 €. Ich erwarte eine Inflation von 2% pro Jahr und als Laufzeit für die Renteneinzahlung gehe ich von 35 Jahren aus. Also die Frage lautet: Wenn ich ein Budget von 1.500 € benötige, welchem Endwert entspricht dieser Betrag in 35 Jahren bei einer erwarteten jährlichen Inflationsrate von 2%?
Und die Rechnung dazu wäre: 1,02, also 1 plus der Inflationsrate, hoch 35. Das ergibt gerundet einen Wert von 2. Das ist der Faktor, mit dem ich mein Budget multipliziere. Also 1.500 € mal 2, ergibt 3.000 €.
Das bedeutet: Wenn ich 1.500 € benötige, dann entspricht dieser Betrag in 35 Jahren unter Berücksichtigung von 2% jährlicher Inflation, einem Betrag von 3.000 €.
Aufgrund der Inflation sinkt die Kaufkraft. Mit 1.500 € werde ich in Zukunft weniger kaufen können, als mit 1.500 € heute bzw. 1.500 € heute sind bei 2% jährlicher Inflation in 35 Jahren soviel Wert wie 3.000 €.
Weitere Details zur Inflation und zum Zinseszins kannst Du auch nochmal in Folge 3 über das Gespenst der Inflation und in Folge 11 über die wunderbare Kraft des Zinseszins nachhören.
Nun, da ich den zukünftig benötigten Betrag kenne, stellt sich die Frage, wie viel Geld mir zukünftig zur Verfügung stehen wird. Dazu gibt es im Internet verschiedene Rentenrechner. Zum besseren Verständnis möchte ich das aber hier nochmal im Detail besprechen.
Die Renteninformation der Deutschen Rentenversicherung
Ich könnte die von der Deutschen Rentenversicherung verschickte Renteninformation oder auch online die digitale Renteninformation zu Rate ziehen. Diese verrät mir die sogenannte “voraussichtliche Regelaltersrente”. Die zeigt mir u.a. Meine zukünftig erwartete Rente, wenn ich so weiter arbeite und verdiene, wie im Schnitt der letzten fünf Jahre. Der Betrag ist allerdings brutto, also da gehen noch Abgaben für Steuern und Versicherungen runter.
Allerdings ist die Rente nicht konstant. 1990 lag die monatliche Standardrente in den alten Bundesländern bei umgerechnet 911 €, 2023 lag sie im gesamten Bundesgebiet bei 1.692 €. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von ca. 1,9%.
Dieser Wert erinnert an Folge 3 über das Gespenst der Inflation. Denn die Zentralbanken streben eine Inflation von knapp unter 2% an. Und das ist auch eine Idee bei den Rentenerhöhungen, also dass der durch die Inflation verursachte Kaufkraftverlust kompensiert wird.
Also die Frage ist, wie sich die Rente zukünftig entwickelt, in welchem Maß sie weiter steigen wird. Unterstellen wir mal, dass die Renten in Zukunft nicht 1,9% sondern nur 1,5% pro Jahr steigen werden.
Kommen wir zurück zum Beispiel der Rentenlücke:
Um meinen Lebensunterhalt zu finanzieren, benötige ich heute 1.500 €. In 35 Jahren brauche ich aufgrund der Inflation jedoch dann einen Betrag von 3.000 €.
Nun unterstellen wir, dass mir mein Rentenbescheid eine voraussichtliche zukünftige Rente von 1.500 € im Monat beschert und unterstellen wir der Einfachheit halber, dass dies der Nettowert ist, also der tatsächlich ausgezahlte Betrag.
Und die Frage ist, wie hoch dieser Betrag in 35 Jahren bei einer unterstellten jährlichen Steigerung von 1,5% ausfällt.
Nehmen wir wieder unsere Formel von vorhin: 1 plus der Verzinsung, also 1,015, hoch 35, das ergibt gerundet 1,7. 1,7 multipliziert mit 1.500 € ergibt 2.550 €. Also wenn mein Rentenbescheid mir eine voraussichtliche Rente von 1.500 € in Aussicht stellt, dann ergibt das unter der Annahme, dass die Rente zukünftig mit 1,5% pro Jahr steigen wird, in 35 Jahren einen Betrag von 2.550 €.
Das bedeutet: Im Rechenbeispiel benötige ich zukünftig 3.000 € pro Monat, ich werde aber voraussichtlich nur 2.550 € einnehmen, also unter der Voraussetzung, dass ich keine weiteren Einnahmen wie eine betriebliche Altersvorsorge bekomme. Mir fehlen somit 450 € im Monat. Meine Rentenlücke beträgt 450 €. Dabei ist eine jährliche Steigerung von, wie gesagt, 1,5% pro Jahr bereits eingerechnet.
Ob das so kommen wird, wie beschrieben, ist keineswegs sicher. Die Steigerung kann geringer oder auch mal ganz ausfallen. Und der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass eine solche Berechnung der Rentenlücke nur einen groben Überblick mit vielen Unwägbarkeiten verschaffen kann. Nichtsdestotrotz, man wird für das Thema und das Ausmaß sensibilisiert und man kann aktiv werden.
Womit wir bei der Frage wären:
Wie kann man die Rentenlücke schließen?
Wenn man unterm Strich mehr Geld benötigt, dann kann man entweder die Einnahmen erhöhen oder die Ausgaben reduzieren. Auf die Rentenlücke angewendet bedeutet dies, dass ich meinen zukünftigen Finanzbedarf, also den von mir angestrebten monatlichen Betrag, verringere. Oder ich erhöhe den Betrag, der mir zur Verfügung steht.
Den eigenen Finanzbedarf im Alter zu verringern, ist vielleicht nicht erstrebenswert. Zur Wahrheit gehört aber, dass viele heute noch junge Menschen vermutlich eine signifikante Rentenlücke haben werden. Weitere Details dazu kannst Du nochmal in der vorigen Ausgabe Ist die Rente sicher? nachhören. Sie werden also zwangsläufig ihren Finanzbedarf, also ihre monatlichen Ausgaben und möglicherweise sogar den eigenen Lebensstandard zurückschrauben, oder sie werden auch im Alter Geld hinzuverdienen müssen.
Die andere Möglichkeit, die Rentenlücke zu schließen, ist, dass man die Einnahmen erhöht. Das betrifft einerseits die Rente an sich. Ein Stichwort ist die Wartezeit oder auch Mindestversicherungszeit.
Für Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist nämlich die Einzahlungsdauer wichtig, die für volle Bezüge bei 45 Jahren liegt. Zu dieser Zeit fällt aber nicht nur eine reguläre Arbeit in Vollzeit, bei der man Rentenbeiträge einzahlt. Das können auch geringfügige Beschäftigungen, wie der Nebenjob im Studium sein. Auch die Kindererziehung oder die Pflege von Angehörigen können dort angerechnet werden. Zeiten von Krankheiten oder Arbeitslosigkeit können ebenfalls dazugehören.
Diese Anrechnung passiert nur nicht immer automatisch. Wer seinen Job verliert, sollte sich immer arbeitslos melden. Selbst wenn kein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht, kann sich das auszahlen. Denn nur dann zählt die Zeit auch für die spätere Rente. Für Eltern ist es zum Beispiel wichtig, dass sie Kindererziehungszeiten bei der Rentenversicherung beantragen, um Rentenpunkte gutgeschrieben zu bekommen. Es kann ebenfalls lohnen, dass man bei der deutschen Rentenversicherung eine Kontenklärung macht. Dabei wird geprüft, ob alles korrekt erfasst ist, also bspw. auch frühere Nebenjobs.
Und diese Dinge sind alle wichtig, damit man seine späteren Rentenansprüche auch wirklich komplett wahrnehmen kann. Also diese Dinge solltest Du tun. Aber wie in der letzten Folge besprochen, wird das vermutlich nicht reichen. Der in meinen Augen wichtigere Punkt ist, dass man seine Einnahmen bzw. Seine zukünftigen Einnahmen auch abseits der eigenen Rentenansprüche erhöht. Und damit sind wir beim Stichwort der privaten Altersvorsorge.
Betrieblich vorsorgen gegen die Rentenlücke
Das hatte ich in der letzten Folge erläutert: Das Rentensystem ist schon heute an der Belastungsgrenze und die weitere Entwicklung verheißt nichts Gutes. Somit sind breite Teile der Bevölkerung und insbesondere der noch jungen Generation im Alter von Altersarmut bedroht. Entsprechend sollte man neben der gesetzlichen Renten auch privat vorsorgen.
Eine Möglichkeit, privat vorzusorgen, ist die betriebliche Altersvorsorge. Das ist eine Zusatzrente, die man über den Arbeitgeber anspart. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten:
- Entweder zahlt der Arbeitgeber die Kosten, das wäre die sogenannte arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersvorsorge.
- Oder ein Teil des Bruttoeinkommens fließt in einen Vorsorgevertrag. Das ist die sogenannte Bruttoentgeltumwandlung.
Variante 1 ist super – man hat keine Lohneinbußen und man erhält zusätzlich zur gesetzlichen Rente eine Betriebsrente. Bei der Bruttoentgeltumwandlung profitiert man zwar von einer Steuerersparnis und weniger Sozialabgaben. Trotzdem sollte man im Einzelfall genauer prüfen, ob sich das Modell lohnt. Neben geringeren Steuern und Sozialabgaben zahlt man nämlich ebenfalls weniger in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Gleichzeitig kann es sein, dass der Arbeitgeber die Bruttoentgeltumwandlung mit weiteren Zahlungen bezuschusst.
Neben der betrieblichen Altersvorsorge gibt es auch staatlich geförderte Altersvorsorge, namentlich die Riester- und Rürup-Renten. Dabei fördert der Staat zum Beispiel durch ergänzende Zulagen oder auch mit Steuerersparnissen.
Die Riester-Rente ist insbesondere für Menschen mit geringerem Einkommen oder auch für Eltern. Die Rürup-Rente richtet sich insbesondere an Selbstständige. Das kann sich durchaus lohnen, aber das ist in den Details an dieser Stelle zu umfangreich und sollte im Einzelfall geprüft werden, am besten auch mit einem unabhängigen Experten wie den Verbraucherzentralen.
Privat vorsorgen gegen die Rentenlücke
Eine betriebliche Altersvorsorge oder auch staatliche Fördermöglichkeiten können gut und sinnvoll sein. Oft stellen sie aber einen eher kleineren Baustein dar, der durch weitere Instrumente ergänzt werden sollte. Ich persönlich würde vor allem die private Vorsorge fokussieren, um mich unabhängig von demografischen Entwicklungen und politischen Entscheidungen zu machen.
Das ist der rote Faden dieses Podcasts bzw. Blogs: regelmäßig und vor allem langfristig sparen und dann auch effektiv investieren – also mit niedrigen Kosten, breit gestreut und mit einem langfristigen Zeithorizont. Das kann man zum Beispiel mit einem Sparplan auf einen oder mehrere ETFs machen, wie in den Folge 22 und 23 über passives Investieren mit ETFs dargelegt.
Für manche Menschen können auch Anleihen oder Tagesgeld weitere interessante Möglichkeiten darstellen. Darüber hatte ich in Folge 33 über Investieren in Anleihen bzw. In Folge 62 “Tagesgeld oder ETF” gesprochen. Und wieder andere suchen ihr Glück in Einzelaktien. Auch das kann sinnvoll sein, ist aber wirklich nicht leicht und sollte bei den meisten Anlegern maximal eine Beimischung im eigenen Portfolio sein.
Manche Arbeitgeber bieten auch die Möglichkeit von sogenannten vermögenswirksamen Leistungen. Dabei suchst Du als Arbeitnehmerin bzw. ein Arbeitnehmer zunächst ein Sparprodukt aus, auf das Dein Arbeitgeber dann jeden Monat zusätzlich zu Deinem Gehalt einen Betrag zahlt.
Welchen Weg bzw. Welche Anlageformen gegen die Rentenlücke Du auch immer für Dich wählst:
Die voraussichtliche eigene Rentenlücke mag bedrohlich erscheinen und mit Blick auf die letzte Folge bin ich sehr skeptisch, ob das Rentensystem insgesamt bestand hat und ob die Rente gerade für jüngere Menschen wirklich sicher ist, also ob man damit im Alter ein Einkommen erzielt, dass die eigenen Lebenshaltungskosten hinreichend trägt. Angst wäre hier aber der falsche Ratgeber.
Wie viel Geld man im Alter wirklich erhält und wie viel man wirklich benötigt, das ist nicht nur zutiefst individuell, sondern Jahrzehnte im Voraus auch sehr schwer abzuschätzen. Der besprochene Ansatz kann Dir dabei helfen, ein besseres Verständnis zu entwickeln. Aber auch das ist nur eine Annäherung. Und diese individuelle Betrachtung steht im Spannungsfeld der gesamten Rentensituation, wie ich sie in der letzten Folge beschrieben habe.
Die traurige Nachricht ist, dass es im Alter vermutlich einer großen Mehrheit der Menschen an Geld fehlen wird. Das ist eine wirklich schwierige Situation. Die kann man in Teilen auch der Politik anlasten, wobei viele Gründe in der Vergangenheit liegen und die Politik heute ein kaum lösbares Problem vor sich hat. Aber ich verstehe sehr gut, wenn mancher von der Politik enttäuscht und auch verärgert ist.
Ich für meinen Teil versuche mit der Situation umzugehen und das Beste für mich daraus zu machen. Und das empfehle ich Dir auch: Wenn Du es noch nicht tust, dann fang jetzt damit an, dein finanzielles Schicksal in deine eigenen Hände zu nehmen. Entwickle ein Verständnis deiner Finanzen, deiner finanziellen Möglichkeiten und auch deiner finanziellen Bedürfnisse.
Lege heute mit dem Sparen und Investieren los, um im Alter nicht in die Röhre zu gucken und um nicht komplett von den zukünftigen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen abhängig zu sein.
Weil das ist die gute Nachricht: Man kann selbst aktiv werden. Man kann heute den Grundstein für eine bessere finanzielle Situation im Alter legen, selbst dann, wenn man über kein sehr hohes Einkommen verfügt.
PS: Das Titelbild ist in Berlin entstanden.