Im Englischen gibt es für die Lifestyle-Falle den Begriff des “Lifestyle Creep”. Das meint eine Steigerung oder eine Inflation des eigenen Lebensstils. Es ist eine Steigerung der Ausgaben, die oft mit einer Erhöhung des Einkommens einhergeht oder wenn man seine Ausgaben erhöht, um mit dem Status oder Lifestyle des eigenen Umfelds Schritt zu halten.
In der heutigen Ausgabe werde ich darauf eingehen, wie sich Lifestyle Creep in Deine Finanzen einschleicht, wie und warum die Lifestyle-Falle Deinen finanziellen Zielen schaden kann und was Du dagegen tun kannst, also wie Du der Lifestyle-Falle vorbeugen oder wie Du einem überbordenden Lifestyle Creep Einhalt bieten kannst.
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Ein bekanntes Beispiel für die Lifestyle-Falle ist die Geschichte der Vanderbilts.
Die Vanderbilts waren einst eine der vermögendsten Familien der USA. Das Familienvermögen gründete sich auf den geschäftlichen Erfolgen von Cornelius Vanderbilt, der als Eisenbahnunternehmer ein Vermögen von über 100 Millionen US-Dollar aufbaute, was seinerzeit, also ungefähr zur Mitte des 19. Jahrhunderts, mehr Geld war, als das US-Finanzministerium hielt.
Cornelius vermachte quasi sein gesamtes Vermögen seinem Sohn William, der ebenfalls erfolgreich wirtschaftete und das Vermögen über die nächsten neun Jahre auf ca. 200 Millionen US-Dollar anwachsen ließ, was heute ca. 6 Mrd. US-Dollar entspricht.
Anschließend begann die Lifestyle-Falle und der Niedergang.
Nach dem Tod von William Vanderbilt dauerte es nur 20 Jahre, bis keines der Familienmitglieder mehr zu den reichsten Amerikanern zählte. Und nach weiteren ca. 50 Jahren, bei einem Familientreffen im Jahr 1973, befand sich kein einziger Millionär mehr unter ihnen.
Was war passiert?
Mit Williams Erbe kamen viele Familienmitglieder plötzlich zu sehr viel Geld und sie begannen einen äußerst aufwendigen, ja verschwenderischen Lebensstil. So unterhielt man zahlreiche Top-Immobilien in New York, um mit der High Society mitzuhalten. Und der Unterhalt verschlang enorme Summen. Es sind auch Geschichten überliefert, wonach Zigaretten gerne mal aus 100-Dollar-Scheinen gedreht wurden.
Zigaretten mit Geldscheinen anzünden – das ist jetzt schon besonders bemerkenswert. Aber man kann öfters beobachten, dass Menschen Geld verprassen oder für irgendwelchen Schnickschnack ausgeben, wenn sie durch bspw. eine Erbschaft oder einen Gewinn plötzlich zu viel Geld kommen.
Es gibt nicht wenige Lotto-Millionäre, die ihren Gewinn in kurzer Zeit verschleudert haben. Aus diesem Grund beschäftigen die Lotto-Gesellschaften sogenannte Gewinnerbetreuer, die im richtigen Umgang mit dem neuen Reichtum unterstützen sollen.
Das mag jetzt wie ein Luxusproblem der oberen Tausend erscheinen und für die breite Mehrheit der Menschen eher weniger relevant sein. Doch auch im Kleinen neigen wir dazu, unseren Lebensstil nach oben hin anzupassen, wenn unsere finanziellen Möglichkeiten steigen.
Die Lifestyle-Falle ist an sich sehr einfach zu verstehen.
Trotzdem tappen viele Menschen in sie. Das macht die Sache so gefährlich für die eigenen Finanzen. Das Problem ist, dass sich diese Lebensstil-Inflation oft schleichend breitmacht. Manche nutzen hierzu auch den Begriff der “leisen Inflation”.
Wenn Du studierst oder eine Ausbildung absolvierst, dann verfügst Du wahrscheinlich über eher wenig Geld. Dann hast Du möglicherweise nicht das Einkommen, um zu sparen und den langfristigen Vermögensaufbau anzugehen.
Dann kommt der erste Vollzeitjob. Und mit dem neuen Einkommen gönnst Du Dir was. Dann wird der neue Fernseher angeschafft und noch ein weiteres Abo abgeschlossen. Und der Urlaub findet vielleicht nicht mehr im Zelt, sondern fortan im Hotelzimmer statt.
Vielleicht sagst Du Dir dann: Ich stehe noch ganz am Anfang meiner Karriere. Ich verdiene jetzt noch nicht genügend Geld, um zu sparen. Aber ich werde damit anfangen, wenn ich mehr Geld verdiene.
Dann kommt die Gehaltserhöhung. Du hast mehr Geld zur Verfügung. Das hast Du Dir ja hart erarbeitet. Vielleicht belohnst Du Dich mit dem Kauf dieser einen schicken Handtasche, die Du schon immer haben wolltest. Vielleicht denkst Du Dir auch: klasse, jetzt kann ich mir endlich eine größere Wohnung leisten.
Und dieses Verhalten ist zu einem gewissen Grad ja auch in Ordnung. Es ist ok, Dich zu belohnen.
Mit der Zeit, mit höherem Alter und höherem Einkommen können Deine Ansprüche steigen.
Das kann dann ein Teufelskreis sein, der nie endet.
Wenn Du Anfang 20 bist, denkst Du, dass Du sparst oder mehr sparst, sobald Du ein höheres Einkommen hast. Aber zehn Jahre später, mit Anfang dreißig, willst Du vielleicht nicht mehr in einer WG wohnen. Oder Du hast Dich an die Annehmlichkeiten eines höheren Einkommens gewöhnt. Du nimmst vielleicht doch mal gerne das Taxi oder lässt Dir regelmäßig Essen liefern. Und auf einmal benötigst Du dieses höhere Gehalt, nur um Deinen Lebensstandard zu halten. Ganz zu schweigen von einer höheren Sparquote, die ist total auf der Strecke geblieben.
Mit steigendem Einkommen neigen Menschen dazu, Geld für Dinge auszugeben, die sie sich zuvor nicht leisten konnten. Das lässt sich insbesondere bei jüngeren Menschen beobachten – mit dem Job und den ersten Beförderungen, da kommen die Statussymbole und die unüberlegten Ausgaben. Das kann auch ansteckend sein, wenn man sich mit den Menschen in seiner Umgebung vergleicht.
Und die Gefahr ist, dass dieser Zyklus mit jeder Gehaltserhöhung wieder von vorne losgeht. Du hast mehr Geld zur Verfügung, doch statt dieses zu sparen oder zu investieren, blähst Du Deine Lebenshaltungskosten weiter auf. Also verzichtest Du darauf, heute zu sparen. Du verschiebst es auf morgen. Stichwort Instant Gratification.
Ein Zeichen dafür, dass sich die Lifestyle-Falle bei Dir eingeschlichen hat, kann sein, dass sich Dein Denken und Dein Verhalten verändert.
Dann sind Ausgaben für bestimmte Dinge in Deiner Wahrnehmung nicht mehr eine Entscheidung, die Du triffst, sondern Dein gutes Recht. Dann erfolgt die Kaufentscheidung nach dem Credo: Das habe ich mir verdient! Und nicht mehr nach der Überlegung: Kann ich mir das überhaupt leisten oder was muss ich an anderer Stelle einsparen, wenn ich es mir leiste? Also Luxusgüter, höhere alltägliche Ausgaben oder Dienste, die Dein Leben angenehmer machen, sind dann keine Notwendigkeit mehr, sondern stillen ein Bedürfnis. Die Lifestyle-Falle hat zugeschlagen.
Das kann zum Beispiel der in der Ausgabe über die ersten Schritte der Geldanlage beschriebene Besuch beim Bäcker sein. Oder Du lässt Dir mehrmals die Woche Essen liefern, anstatt selber zu kochen. Hast Du früher nicht weniger online gekauft? Neuerdings gönnst Du Dir teure Klamotten und immer mehr davon. Du kaufst neue Elektrogeräte und Einrichtungsgegenstände, obwohl die alten noch vollkommen in Ordnung sind.
Gerade die Erhöhung der alltäglichen Ausgaben kann sich sehr unangenehm auf Deine Finanzen auswirken.
Und obwohl Dir mehr Geld als früher zur Verfügung steht, fragst Du Dich am Ende des Monats, wo denn das Geld geblieben ist. Die Erhöhung Deiner Lebenshaltungskosten kann Dich in eine Abhängigkeit bringen. Dass sich der Weg zurück zu alten Gewohnheiten für Dich wie ein Rückschritt anfühlen würde.
Es ist in Ordnung, Deinen Lebensstil kontinuierlich zu verbessern. Du solltest aber Deine wahre finanzielle Situation und Deine langfristigen Ziele nicht aus den Augen verlieren.
Kurzfristig kann sich die Lifestyle-Falle anfühlen wie ein finanzieller Fortschritt. Die Probleme kommen dann, wenn Dir auf einmal weniger Geld zur Verfügung steht. Lifestyle Creep hat Dich zuvor daran gehindert, ein Vermögen oder ein finanzielles Polster aufzubauen oder auf größere Dinge hinzu sparen. Und jetzt kannst Du Dir den liebgewonnenen Lebensstil nicht mehr leisten.
Und im schlimmsten Fall überziehst Du Dein Konto, z.B. wenn unvorhergesehene Ausgaben auftreten. Oder Du nimmst Schulden auf, um Deinen Lebensstil zu finanzieren. Es gibt Menschen, die zum Beispiel einen Urlaub mit Schulden finanzieren. Dann ist der Urlaub längst vorbei, muss aber immer noch abbezahlt werden.
Was kannst Du tun, wenn Du in die Lifestyle-Falle tappst?
Die Beschäftigung mit den eigenen Finanzen kann eine Selbsterfahrung sein. Im ersten Schritt könntest Du Dir Gedanken über Deine Lebensziele und Deine finanziellen Ziele machen und überlegen, ob und wie sie Leitplanken für Dein Ausgabenverhalten sein können. Und dabei kann es Dir helfen, ein Haushaltsbuch aufzustellen, in dem Du entsprechend Deiner Möglichkeiten, Deiner Bedürfnisse und Deiner Ziele ein Budget erstellst. Weitere Details hierzu kannst Du in der Ausgabe über die ersten Schritte der Geldanlage nachhören bzw. -lesen.
Mit dieser Vorgehensweise kannst Du für Dich ableiten, wie hoch Deine monatliche Sparquote ist, die dann zum Beispiel in ein Finanzpolster geht oder ein Beitrag für Deinen langfristigen Vermögensaufbau darstellt. Und wenn sich Deine finanzielle Situation verbessert, zum Beispiel durch eine Gehaltserhöhung, dann könntest Du einen Teil dieser Mehreinnahmen sparen und mit einem Teil Dein monatliches Budget erhöhen.
Es gibt nicht den einen richtigen Weg um die Lifestyle-Falle zu umgehen. Vielleicht bist Du sehr diszipliniert und steckst jeden zusätzlichen Euro in dein Wertpapierdepot. Vielleicht siehst du das auch lockerer und möchtest dir bewusst etwas gönnen – auch das ist vollkommen in Ordnung.
Du solltest Dir aber bewusst sein, dass auch jede Erhöhung Deiner monatlichen Ausgaben bereits ein Schritt in Richtung der Lifestyle-Falle darstellt. Und wenn es für Dich zur Gewohnheit wird, fortwährend Deine Lebenshaltungskosten zu steigern, dann kannst Du Dich an die neuen Annehmlichkeiten gewöhnen und Du machst Dich zu einem gewissen Grad von diesem höheren Einkommen abhängig.
Deine höheren Ausgaben werden nicht zwangsläufig Deine Lebensqualität steigern.
Wenn Du eine teure Anschaffung gemacht hast, vielleicht ein schickes Auto, Designer-Kleidung oder teure Einrichtungsgegenstände, dann kannst Du das ja mal für Dich prüfen:
- Wie schnell nutzen sich diese Dinge für Dich ab und erscheinen normal?
- Welcher dieser Gegenstände ist für Dich wie lange ein Grund zur Freude und weckt positiv Deine Aufmerksamkeit?
Oft wird bei Lifestyle Creep ausgeblendet, dass sich Lebenssituationen nicht nur nach oben entwickeln müssen. Wir leben in der Annahme, dass Schicksalsschläge wie Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Scheidung immer nur den anderen passieren. Und je höher ich meinen Lebensstandard nach oben schraube, desto schmerzhafter wird die zwangsweise Reduzierung meines Lebensstandards, falls mich ein solcher Schicksalsschlag ereilt.
Der Autor Nick Maggiulli hat bei der Frage, wie viel Lifestyle Creep man sich leisten kann, einen recht pragmatischen Ansatz. Seiner Meinung nach lautet die Antwort für die meisten Menschen: 50%
Der genaue Wert kann mit Blick auf die eigene Sparrate variieren, aber im Regelfall sollten maximal 50% einer anstehenden Gehaltserhöhung oder sonstiger höherer Einnahmen in einen aufwendigeren Lebensstil fließen. Der Rest wird gespart und/oder investiert. Alles über 50% Konsum hinaus schadet demnach den eigenen finanziellen Zielen.
Das kann man auch leicht veranschaulichen: 50% sind für dich jetzt, 50% sind für dich in der Zukunft. Also unter der Voraussetzung, dass Du vor dieser Erhöhung ein hinreichendes hohes Einkommen hast, um Deine Ausgaben zu decken.
Auch Impulskäufe können zur Lifestyle-Falle beitragen.
In früheren Ausgaben wie zum Beispiel über Instant Gratification habe ich bereits über Strategien gesprochen, wie Du Impulskäufe vermeiden kannst.
Um hier nicht all zu sehr über die Stränge zu schlagen, kannst Du eine Einkaufsliste anfertigen – also nicht nur wie bei Lebensmitteln, sondern auch bei Dingen, die Du gerne hättest.
Wenn Dein Kumpel sich beispielsweise ein richtig geiles technisches Gimmick gekauft hat und Du denkst Dir “das will ich auch”. Dann setzt Du es erstmal auf die Liste. Und wenn Du es nach einer Woche oder einem Monat immer noch haben möchtest, dann kannst Du ja losziehen und es Dir kaufen. Jedenfalls durchbrichst Du so den emotionalen Impuls im ersten Moment und vielleicht stellst Du fest, dass Du es gar nicht benötigst oder dass Du es nur haben wolltest, eben weil Dein Kumpel es ebenfalls hat.
Das leitet direkt zu einer eher grundsätzlichen Frage über:
- Was benötigst und was willst Du wirklich?
- Wann ist genug genug?
- Welche Dinge machen Dich wirklich glücklich?
Wenn Du Dir solche Fragen stellst, dann verschiebst Du den Fokus: weg von materiellen Bedürfnissen, vom plötzlichen Verlangen etwas zu besitzen, nur weil Du es Dir vielleicht neuerdings leisten könntest oder weil Dein Nachbar oder Kollege es ebenfalls besitzt. Und das kann Dir dabei helfen, Deine zukünftigen finanziellen Ziele zu skizzieren, Dein Budget zu erstellen und Pläne zu schmieden, anstatt in dem Hamsterrad zu verharren immer mehr zu wollen, wobei Dich dieser Weg auf Dauer wohl eher nicht glücklich machen wird.
Und dann kannst Du Dir Fragen stellen, wie: Was ist Dir wirklich wichtig? Welche Ausgaben werden Dich auf lange Sicht erfreuen, Dein Leben bereichern? Und welche Ausgaben tätigst Du aus einer eher kurzfristigen Emotion heraus? Was willst Du nur haben, weil Du es könntest oder weil andere es haben?
Abschließend lässt sich zur Lifestyle-Falle sagen:
Die Lifestyle-Falle kommt oft schleichend. Oft sind es die kleinen und unbemerkten Mehrausgaben im Alltag, die sich im Laufe der Zeit summieren.
Ein Anzeichen für die Lifestyle-Falle kann ebenfalls sein, dass Deine Sparrate seit längerem stagniert, obwohl sich Dein Einkommen verbessert hat.
Die größte Abhilfe gegen die Lifestyle-Falle ist, wenn Du Deine Finanzen im Griff hast, wenn Du Dein Budget kennst und wenn Du für Dich gründlich beantwortet hast, was eher unreflektierte Ausgaben sind und was Du Dir wirklich leisten möchtest.
Umgekehrt gilt: Wenn Du keine Transparenz über Deine Ausgaben hast, dann ist die Chance hoch, dass sich Lifestyle Creep bei Dir einschleicht.
Vielleicht verschleuderst Du Dein Geld für eher kurzfristigen Genuss, vielleicht um irgendwelche Leute zu beeindrucken oder weil Du meinst, dass Du es Dir jetzt verdient hast. Und vermutlich steckst Du Dein Geld in Dinge, die im Laufe der Zeit an Wert verlieren, anstatt die Chancen der wunderbaren Kraft des Zinseszins für Dich zu nutzen und langfristig ein Vermögen aufzubauen.
Das Titelbild habe ich im Chiemgau fotografiert.