Die Lehren des Phil Fisher

Phil Fisher war einer der wohl prägendsten Investoren und Finanzdenker des 21. Jahrhunderts. Und so wundert es nicht, dass Phil Fischer als ein Vorbild für den vermutlich erfolgreichsten Investor gilt, Warren Buffett. Es heißt, dass Buffett beim Investieren zwar zu 85% von seinem akademischen Vater Benjamin Graham geprägt sei, aber zu 15% auch von Phil Fisher.

Grund genug, wie ich finde, sich mit Phil Fisher und seinen Investment-Lehren einmal tiefer zu beschäftigen und zu beleuchten, was wir über die Geldanlage von ihm lernen können.

Und eine Einordnung zum Beginn: In dieser Ausgabe möchte ich erläutern, wie ein bedeutender Investor und Finanztheoretiker seine langfristige Strategie entwickelt hat. Ich möchte darlegen, was wir einerseits daraus für unsere eigene Anlagestrategie lernen können und wo andererseits für Kleinanlegerinnen und Kleinanleger andere Überlegungen im Vordergrund stehen könnten. 

Hier geht es zum Podcast:

Phil Fisher und das Growth Investing

Wenn man in Einzelaktien investiert, dann gibt es landläufig zwei unterschiedliche Ansätze, man könnte auch sagen Denkschulen, nämlich das Growth Investing und das Value Investing.

Beim Value Investing suchen Investoren nach Aktien, die vielversprechend, aber vor allem auch günstig bewertet erscheinen. Sie möchten Value, auf Deutsch Wert, für ihr investiertes Geld erhalten. Das sind oft Aktien, die regelmäßig stabile Erträge erzeugen, ohne die Erwartung auf eine steile Wertentwicklung.

Beim Growth Investing wiederum geht es auch um vielversprechende Aktien, aber vor allem geht es um eine starke Wachstumsperspektive. Der Preis, die Bewertung, mag ebenfalls nicht unwichtig sein, aber Growth Investoren setzen vornehmlich auf Aktien bzw. Unternehmen, die sich besonders stark entwickeln können. Das sind oft Aktien von Firmen, die sehr innovativ sind und neue Geschäftsfelder eröffnen.

Benjamin Graham, der Lehrmeister von Warren Buffett, gilt als klassischer Value Investor. Auch Phil Fisher kommt ursprünglich aus dem Value Investing, hat seinen Investmentstil im Laufe der Zeit dann aber angepasst und gilt als ein Wegbereiter des Growth Investing. 

Es waren wohl insbesondere die Lehren aus dem Aktiencrash von 1929, die Phil Fisher erkennen ließen, dass Value-Aktien, also Aktien mit niedriger Bewertung, zwar äußerst günstig erscheinen können, aber dass ein Unternehmen deutlich mehr als eine attraktive Bilanz und günstige Bewertung ist.

Die Investment-Philosophie von Phil Fisher

Die Lehren von Phil Fisher finden sich maßgeblich in seinem Buch “Common Stocks and Uncommon Profits”. Frei übersetzt heißt das so viel wie “gewöhnliche Aktien und ungewöhnliche Gewinne”. Wobei common stocks auch der englischsprachige Begriff für Stammaktien ist. Das Buch wurde 1958 erstmals veröffentlicht. Es war das erste Buch über Geldanlage, das es in die New York Times Bestsellerliste schaffte und es gilt noch heute, fast 70 Jahre später, als absoluter Meilenstein, als Standardwerk und als eines der meistgelesenen Bücher zu diesem Thema. 

Das Buch war so etwas wie eine Antwort auf die Bücher von Benjamin Graham, Security Analysis von 1934 und The Intelligent Investor von 1949. Auch diese Bücher zählen bis heute zu den absoluten Standardwerken für Geldanlage. Phil Fisher formulierte in seinem Buch seine Investment-Philosophie, die dabei helfen kann, hervorragende Aktien zu identifizieren. 

Zur Einordnung: Das ist insgesamt recht umfangreich. Das kann diese Ausgabe nicht in der kompletten Tiefe wiedergeben, weswegen ich Interessierten die Lektüre seines Buches unbedingt empfehlen würde.

Jedenfalls wird dabei eine Aktie bzw. Das zugrundeliegende Unternehmen sehr qualitativ und ziemlich ganzheitlich untersucht. Dabei geht es um Faktoren wie ein attraktives Produktangebot, um einen Fokus auf Forschung und Entwicklung, um das Vertrauen der Kunden oder auch die Integrität des Managements.

Das erinnert an das Investment-Konzept von Chuck Akre, über das ich in Folge 41 gesprochen habe. Dieser vergleicht gute Aktien mit einem dreibeinigen Stuhl. Ein dreibeiniger Stuhl wackelt nicht und so haben seiner Meinung nach auch gute Aktien drei Beine, bestehend aus der Qualität des Unternehmens, der Qualität des Managements sowie der langfristigen Möglichkeit zu wachsen. Akre sieht auch die Bewertung einer Aktie als wichtig an und ich würde nicht unterstellen, dass Phil Fisher die Bewertung einer Aktie egal ist. Aber nach seiner Philosophie ist es nicht unbedingt ausschlaggebend, ob man beim Kauf einer Aktie ein paar Prozent spart, wenn sich der Gewinn des Unternehmens und somit auch der Kurs der Aktie über einen langen Zeitraum vervielfacht. 

Gleichwohl war Phil Fisher ein Freund von Aktien, die kurzfristig am Markt in Ungnade gefallen sind, also deren Kurs aufgrund von allgemeinen Marktbedingungen gesunken ist oder bei denen der Markt das langfristige Potenzial seiner Meinung nach falsch einschätzt. 

Und der lange Zeitraum ist hier ein weiteres Stichwort und eine Ähnlichkeit zu Warren Buffett. Dieser sagte einmal, dass seine bevorzugte Haltedauer für eine Aktie für immer ist, Stichwort “Buy and Hold” , auf deutsch kaufen und halten, über das ich in Folge 39 über das Investieren mit dem Kaffeedosen-Portfolio gesprochen habe. 

Und diese Philosophie verfolgte ebenfalls Phil Fisher, der sein berühmtestes Investment in Motorola bereits Mitte der 1950er Jahren tätigte. Damals war Motorola noch ein kleiner Radio-Hersteller und Phil Fisher blieb der Aktie viele Jahre lang treu.

Phil Fisher und die Suche nach herausragenden Unternehmen

Einhergehend mit einer idealerweise sehr langfristigen Haltedauer, suchte Phil Fisher mit seiner Anlagestrategie herausragende Unternehmen, die über einen langen Zeitraum deutlich besser performen als der Durchschnitt. Das Prinzip ist relativ einfach zu verstehen, bedeutet aber auch Aufwand in der Recherche und ist nicht unbedingt leicht umzusetzen.

Wenn ein Unternehmen langfristig überdurchschnittlich gut abschneiden soll, dann ist in Phil Fishers Augen ein fähiges und vertrauenswürdiges Management ein zentraler Schlüssel. Es ist wichtig, dass das Management eine langfristige Vision für das Unternehmen hat als auch die Fähigkeit, diese Vision umzusetzen. 

Also die Frage ist, ob das Management kurzfristigen Gewinnen hinterher hechelt oder das Unternehmen langfristig gut aufstellt. Vertrauenswürdigkeit meint, dass das Management das Unternehmen im Sinne der Aktionäre führt und nicht zum eigenen Vorteil. Da geht es um Dinge wie Ausgabendisziplin, also dass die Ressourcen des Unternehmens sparsam und mit Bedacht eingesetzt werden. 

Ein in diesem Zusammenhang wichtiges Stichwort lautet Capital Allocation also die Frage: Wie werden die zur Verfügung stehenden Mittel verwendet? Da geht es darum, dass das Management keine unsinnigen Investitionen tätigt, zu waghalsige Expansionspläne verfolgt oder andere Unternehmen kauft, um sich selbst ein Denkmal zu setzen. 

Ein gutes Beispiel für ein solides Management mit klaren Visionen ist Apple. Apple hat immer wieder neue Geräteklassen kreiert, damit ganz neue Marktsegmente geschaffen und einen sehr treuen Kundenstamm aufgebaut. Dagegen ist ein Beispiel für eine sehr waghalsige Strategie die Bayer-Aktie. Der Kauf von Monsanto war absehbar mit vielen Risiken verbunden und hat Bayer über Jahre viel Geld gekostet und Ressourcen gebunden.

Es geht ebenfalls darum, wie die Gewinne des Unternehmens verwendet werden, also ob und wie bspw. Dividenden ausgeschüttet oder Aktien zurückgekauft werden. Das Ausschütten von Dividenden und das Zurückkaufen von Aktien, also die Rückgabe von Kapital an die Anteilseigner, kann im Spannungsfeld mit Investitionen in das Geschäft stehen. Also das Management muss entscheiden, ob Gewinne ausgeschüttet oder weiter in das Unternehmen investiert werden.

Und Phil Fisher wies zum Beispiel darauf hin, dass diese Rückgabe von Kapital bei reifen Unternehmen sinnvoll sein kann, während Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial tendenziell eher in das Geschäft investieren sollten. Das Ausschütten von Dividenden oder Aktienrückkäufe können eventuell bedeuten, dass das Management keine Strategie entwickelt hat, um das eigene Geschäft weiter auszubauen. 

Weitere Details zu diesen Themen kannst Du in Folge 20 mit Tipps für Dividendenjäger und in Folge 29 über Aktienrückkäufe nachhören bzw. nachlesen.

Kennzahlen im Fokus von Phil Fisher

Mit Blick auf seinen Fokus auf wachsende Unternehmen schaute Phil Fisher auf Kennzahlen wie das Umsatzwachstum oder auch die Gewinnmarge, also die Profitabilität des Unternehmens. 

Wenn ein Unternehmen über einen langen Zeitraum wachsende Umsätze erwirtschaftet und obendrein sehr profitabel ist, also auch die Gewinne mitwachsen, dann ist das ein maßgeblicher Faktor für die langfristige Entwicklung des Unternehmenswertes und somit auch des Aktienkurses.

Zudem sah Phil Fisher hohe Gewinnmargen auch als ein Zeichen für die Qualität eines Unternehmens. Demnach sei es schwer, ein schlechtes Unternehmen mit kontinuierlich hohen Margen zu finden. Oder anders ausgedrückt: Hohe Margen können ein guter Indikator dafür sein, dass ein Unternehmen starke Wettbewerbsvorteile hat, die eigenen Produkte nachgefragt sind und dass das Management gut agiert. 

Kommen wir zurück zum Aspekt des langfristigen Investierens. 

Phil Fisher ging wie zuvor bereits erwähnt bei der Auswahl eines Unternehmens bzw. Einer Aktie sehr qualitativ vor. Und wenn er für sich feststellte, dass Produkte, Management, die Ertragskraft, die Strategie und auch die Unternehmenskultur gut waren, es sich in seinen Augen also um ein qualitativ hochwertiges Unternehmen handelte, dann sind dies Faktoren, die sich nicht von heute auf morgen ändern. Entsprechend sei es sinnvoll, einmal identifiziert, eine solche Aktie langfristig zu halten und von der weiteren Entwicklung zu profitieren, anstatt kurzfristig Gewinne mitzunehmen.

Vor allem argumentierte er, dass man Aktien in der Regel nicht aufgrund von allgemeinen Wirtschafts- oder Börsenprognosen verkaufen solle, da diese selten zutreffen und oft sehr kurzfristig ausgelegt sind.

Er sprach sich dafür aus, eine hervorragende Aktie so lange zu halten, bis sich etwas grundlegend im Unternehmen verändert, also zum Beispiel wenn sich die Besetzung des Managements zum Schlechteren entwickelt. Oder auch, wenn das Unternehmen so weit gewachsen ist, dass es nicht mehr schneller als die Wirtschaft insgesamt wachsen kann.

Es kann ebenfalls sein, dass ein Unternehmen hervorragend geführt wird und daraufhin stark wächst. Aber dann stößt es als großes Unternehmen auf ganz neue Herausforderungen. Zum Beispiel, dass ein Mitbewerber eine Innovation entwickelt, die das eigene – bisher sehr erfolgreiche Produkt – in Frage stellt, siehe Nokia. Ein anderes Beispiel: Die Frage ist, ob es der europäischen Automobilindustrie gelingt, in Sachen Elektromobilität den Vorsprung chinesischer und amerikanischer Hersteller aufzuholen. Auch solche Situationen können Anlass dafür sein, eine Aktie besser zu verkaufen.

Wann man eine Aktie verkauft, das ist ein wirklich umfangreiches Thema, dem ich mich in einer späteren Folge auch noch einmal widmen werde. Aber hier zeigt sich nochmal, dass das Investieren in Einzelaktien zwar leicht, aber nicht einfach ist. 

Investieren in Einzelaktien nochmal vertieft: 

Um in der Disziplin des Investierens in Einzelaktien erfolgreich zu sein, muss ich die wirklich hervorragenden Unternehmen identifizieren. Das kann ebenfalls bedeuten, dass ich mich mit meiner Einschätzung vielleicht über die vorherrschende Meinung am Aktienmarkt hinwegsetzen muss. Gleichzeitig darf ich gegenüber Argumenten, die gegen eine Aktie sprechen, nicht immun sein. Das ist ein schmaler Grat und die Entscheidung ist bei der Frage nach dem richtigen Verkaufszeitpunkt nicht weniger komplex.

Zudem gibt es nur sehr wenige wirklich gute Aktien. Ich muss also aus der Vielzahl der Aktien die wenigen Rosinen rauszupicken. Aktuelles Beispiel, also Zeitpunkt der Aufnahme Ende des Jahres 2024: Der jüngste sehr steile Anstieg der amerikanischen Indizes wird von einer nur sehr kleinen Gruppe von Aktien getrieben. 

Das führt ebenfalls zu der Frage der Diversifikation. Der grundsätzliche Ansatz ist, dass man sein Portfolio auf viele Wertpapiere verteilt. Wenn sich dann manches Wertpapier schlecht entwickelt, dann mag das ärgerlich sein, ist aber insgesamt keine Katastrophe.

Phil Fisher argumentierte, dass wenn man in viele Aktien investiert, dann birgt dies jedoch die Gefahr, dass man seine Anlagestandards senkt und man dann viele eher mittelmäßige Aktien im Portfolio hat. Dazu muss man aber ebenfalls festhalten, dass Phil Fisher ein absoluter Profi war und mit seinem Fokus auf Wachstumsaktien schielte er auf hohe Renditen. Das bedeutet im Zweifelsfall aber auch ein höheres Risiko.

Darüber habe ich in Folge 7 über Risiko an der Börse gesprochen: Es ist verlockend zu denken, dass riskante Investments einen höheren Ertrag erwirtschaften. Aber wenn wir uns darauf verlassen könnten, dass Investments mit hohem Risiko auch höhere Erträge liefern, dann wären sie eben nicht riskant. Investments mit höherem Risiko sollten höhere Erträge in Aussicht stellen. Das heißt aber noch lange nicht, dass diese Erträge generiert werden.

Und das leitet über zu der Frage der eigenen Fähigkeiten, also wie viele gute Aktien man überhaupt identifizieren kann, die man auch noch richtig versteht und bei denen man neben den Chancen auch die Risiken erkennt, Stichwort Folge 17 über das Investieren im Circle of Competence.

Die Frage ist also, wie man ein gutes Gleichgewicht herstellt, bei dem das Risiko gut verteilt ist, aber bei dem die Qualität nicht leidet. Es gibt hier Faustregeln, zum Beispiel, dass eine Aktie nicht mehr als 10-15% des eigenen Portfolios ausmachen sollte. Das ist in meinen Augen aber schon ziemlich konzentriert. Und vor dem Hintergrund, dass es nur sehr wenige hervorragende Unternehmen gibt, die man auch noch richtig identifizieren muss, ist es für die meisten Anlegerinnen und Anleger meiner Meinung nach eher ratsam, ein breit aufgestelltes Portfolio zu haben, also zum Beispiel mit ETFs. 

Wenn man sich für Einzelaktien interessiert, dann können diese ja eine Ergänzung im Portfolio sein. Anders ausgedrückt: Stell Dir vor, dass Deine größte Aktie im Portfolio morgen nichts mehr wert ist. Wäre das nur ärgerlich oder würde das Dein Vermögen ernsthaft tangieren? Wenn die Antwort lautet, dass das schon ziemlich schmerzhaft wäre, dann könnte das ein guter Indikator dafür sein, Dein Portfolio breiter aufzustellen. 

PS: Das Titelbild ist in Tirol entstanden.

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