Der umgekehrte Haushaltsplan.
Ich werde in dieser Ausgabe darüber sprechen, warum es manchen schwer fällt, regelmäßig zu sparen, wie der umgekehrte Haushaltsplan hier helfen kann und was es dabei zu beachten gibt.
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Zum Jahresanfang kann ein Haushaltsplan helfen
Fast auf den Tag genau vor einem Jahr habe ich Folge Nummer 45 Neujahrsvorsätze für Dein Geld veröffentlicht. Seinerzeit sagte ich, dass wir zum Jahresende oft die vergangenen 12 Monate rekapitulieren. Wir reflektieren, ob wir das erreicht haben, was wir uns vorgenommen haben. Oft wächst dann auch der Wunsch nach finanzieller Veränderung bzw. Verbesserung im neuen Jahr und wir schmieden gute Vorsätze. Leider hapert es dann nicht selten an der Umsetzung der guten Vorsätze. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.
Wenn wir es nicht schaffen, unsere guten Vorsätze einzuhalten, dann ist das im Kern auch ein Problem des eigenen Budgets, des eigenen Haushaltsplans, über den ich in Folge 1 über die ersten Schritte der Geldanlage gesprochen habe und mit Blick auf finanzielle Ziele ist es oft ein Problem, die angestrebte Sparquote zu erreichen.
Anders ausgedrückt: Wenn gute Vorsätze letztlich die Umsetzung unseres Budgets sind und wenn wir es nicht schaffen, das uns auferlegte Budget einzuhalten bzw. Umzusetzen und wir als Konsequenz davon, nicht so viel Geld zurücklegen, wie wir uns eigentlich vorgenommen haben, dann lohnt es sich vielleicht genau dort anzusetzen. Beim Budget, beim Haushaltsplan.
Und dann kann man hinterfragen, ob dieses Budget tatsächlich die perfekte Methode ist, um den Umgang mit dem eigenen Geld zu steuern. Das Stichwort hierfür lautet Reverse Budgeting oder auch Backward Budgeting bzw. frei übersetzt der umgekehrte Haushaltsplan.
Laut der OECD lag die Sparquote privater Haushalte in Deutschland im Jahr 2022 bei etwas über 11%.
Also im Durchschnitt sparten private Haushalte in Deutschland etwas mehr als 11% ihres verfügbaren Einkommens. Zum Vergleich: In den USA lag die Sparquote im gleichen Zeitraum bei unter 4%. Also 11% finde ich ehrlich gesagt gar nicht schlecht.
Trotzdem sind das natürlich Durchschnittswerte. Es gibt Haushalte, die deutlich mehr oder auch gar nichts zurücklegen. Und natürlich gibt es Haushalte, in denen schlicht das Geld fehlt, eine ordentliche Sparquote zu erreichen. Es mag ebenfalls Haushalte geben, in denen das Thema Sparen egal oder nicht so wichtig ist.
Aber abseits eines solchen Desinteresses an persönlichen Finanzen und abseits möglicher finanzieller Probleme oder Limitierungen stellt sich die Frage: Warum fällt es manchen schwer, ihre Finanzen zu steuern, ihre Einnahmen und Ausgaben effektiv zu verwalten und eine ordentliche Sparquote zu erzielen?
Vielleicht kommt man ja gut über die Runden. Aber eine unterdurchschnittliche Sparquote, die wirkt sich negativ auf das eigene zukünftige finanzielle Wohlergehen aus. Das ist dann mit Blick auf eine womöglich zukünftige Rentenlücke ein Problem, Stichwort Folge 84 Ist die Rente sicher? und 85 über die Rentenlücke.
Und das ist ebenfalls problematisch, weil es Menschen daran hindert, den eigenen Vermögensaufbau effektiv anzugehen.
Warum fällt es manchen Menschen schwer, ein Budget aufzustellen und einzuhalten?
Die Gründe können sehr grundsätzlich sein. Die Beschäftigung mit den eigenen Finanzen und so auch das Aufstellen und Nachhalten eines Haushaltsplans wirkt auf manche sehr mühsam. Sie empfinden es als abschreckend. Stichwort Folge 40: Wer hat Angst vorm Investieren?
Das ist natürlich schwierig. Wenn ich mich davor scheue, mich mit meinen eigenen Finanzen auseinanderzusetzen, dann werde ich mir kaum realistische finanzielle Ziele setzen können. Ich werde kaum in der Lage sein, meine Finanzen gut im Griff zu haben, geschweige denn effektiv und strukturiert ein Vermögen aufzubauen.
Ein weiterer Grund könnte sein, dass ich zwar unterschwellig weiß, dass ich zu viel Geld zu unreflektiert ausgebe. Aber ich verdränge diesen unangenehmen Gedanken, ich möchte mich ihm nicht stellen.
Auch das Führen eines Haushaltsbuchs kann seine Tücken haben. Vielleicht ist es nicht so einfach oder mühsam, verschiedene Zahlungsströme zentral zu erfassen, was das Monitoring des eigenen Budgets erschwert.
Möglicherweise gibt mir mein Girokonto oder eine Finanz-App eine Auswertung, wofür ich welches Geld ausgegeben habe. Und unterstellen wir, dass die Auswertung grundsätzlich gut funktioniert. Dann beinhaltet sie aber immer noch keine Bargeld-Zahlungen. Diese müsste ich manuell eintragen.
Wenn ich mit Freunden Essen bin, den kompletten Rechnungsbetrag bezahle und anschließend den jeweiligen Anteil überwiesen oder in Bar ausgehändigt bekomme, dann ist das womöglich schwer zu monitoren.
Eine weitere Hürde ist, dass Ausgaben schwankungsanfällig sein können. Manche Kosten fallen nur ab und zu an, andere variieren von Monat zu Monat. Auch das kann es erschweren, ein Budget kontinuierlich einzuhalten. Und hier setzt die Idee des umgekehrten Haushaltsplan an.
Wie erstelle ich einen Haushaltsplan?
Die übliche Vorgehensweise beim Erstellen eines Haushaltsplans ist, dass man alle Ausgaben erfasst und kategorisiert, also bspw. Kosten für Lebensmittel, Kleidung, Restaurantbesuche usw. Auf dieser Basis kann man dann Optimierungen vornehmen, Einsparpotenziale identifizieren, die eigene Sparrate erhöhen. Also ausgehend von unseren Ausgaben prüfen wir, was wir sparen können. Das ist meiner Meinung nach eine gute Vorgehensweise – wenn sie für Dich funktioniert.
Beim umgekehrten Haushaltsplan wird die Denkweise “erst die Kosten, dann das Sparpotenzial” auf den Kopf gestellt. Und zwar definiere ich, ausgehend von meinem Einnahmen, zunächst, wie viel Geld ich sparen möchte. Und erst dann mache ich mir Gedanken, wie ich den verfügbaren Rest auf die verschiedenen Kostenkategorien verteile.
Nun könnte man einwenden: Ja herzlichen Glückwunsch, ich habe aber sehr begrenzte finanzielle Mittel. Ich muss sehr knapp kalkulieren und da bleibt eben nur ein gewisser Sparbetrag übrig, selbst wenn der Betrag in meiner Wunschvorstellung deutlich größer sein könnte. Demgegenüber argumentieren Befürworter des Reverse Budgeting, dass man mit dem umgekehrten Haushaltsplan seine Denkweise, die eigene Einstellung zum Sparen ändert.
Der Begriff hierzu lautet: Pay yourself first, auf deutsch bezahle dich selbst zuerst. Also die Idee ist, dass man zunächst an sich selbst, an das zukünftige Ich denken soll. Erst wenn das erledigt ist, wandert der Blick auf die normalen Ausgaben. Man beschäftigt sich erst mit dem Sparen, dem langfristigen Vermögensaufbau und erst dann mit dem Ausgeben im Hier und Jetzt.
Das leitet zu der Frage über: Was gilt es beim Reverse Budgeting zu beachten?
Wie funktioniert der umgekehrte Haushaltsplan in der Praxis?
Vereinfacht gesagt, geht es beim umgekehrten Haushaltsplan darum, einen langfristigen Blick bei der Beschäftigung mit den eigenen Finanzen einzunehmen. Anstatt die monatlichen Ausgaben zu fokussieren, wird der Schwerpunkt auf die langfristigen finanziellen Ziele gelegt.
Du solltest zunächst das “Big Picture” definieren. Das ist die schon öfters in diesem Podcast beschriebene Selbstbeschäftigung mit den eigenen Finanzen und die Beantwortung so essentieller Fragen wie, welche Ziele man überhaupt verfolgt.
- Habe ich offene Kredite, die ich tilgen muss?
- Welche zukünftigen finanziellen Verpflichtungen habe ich?
- Wie viel Geld werde ich im Alter zur Verfügung haben und benötigen?
- Ist die Sache mit der finanziellen Unabhängigkeit für mich erreichbar, erstrebenswert und was bedeutet das überhaupt für mich?
Ausgehend von der Beantwortung solcher Fragen, definiere ich meine langfristigen Ziele, die dann wiederum zu monatlichen Ziele überleiten.
Beim klassischen Budgetieren prüfe ich, welche Ausgaben tatsächlich anfallen, welche weiteren Bedürfnisse ich habe und was mich das kostet. Am Ende bleibt dann ein Restbetrag stehen, der mir zum Sparen und Investieren zur Verfügung steht. Allzu oft führt dieser Ansatz dazu, dass am Ende aller Ausgaben kaum Geld mehr zum Sparen übrig bleibt.
Beim umgekehrten Haushaltsplan, dem Reverse Budgeting, ist der Ausgangspunkt das monatlich verfügbare Nettoeinkommen abzüglich der angestrebten Sparrate. Und das Ergebnis aus Einkommen minus Sparrate ist dann der für die eigenen Lebenshaltungskosten jeden Monat zur Verfügung stehende Betrag. Mit dem musst Du dann – salopp gesagt – klarkommen.
Angenommen, Du beziehst ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 2.500 €. Das entspricht ungefähr dem deutschen Durchschnitt. Wenn Du 10% Deines Einkommens sparen würdest, dann sind das 250 € im Monat. Sprich: mit den restlichen 2.250 € müsstest Du Deine Lebenshaltungskosten bestreiten. Wenn Du die Sparrate auf 20% erhöhen möchtest, steigt der monatlich gesparte Betrag auf 500 €, ergo stehen Dir dann nur noch 2.000 € zur Bestreitung Deiner Lebenshaltungskosten zur Verfügung.
Im nächsten Schritt würdest Du dann, wie in Folge 1 über die ersten Schritte der Geldanlage beschrieben, alle Fixkosten abziehen, also bspw. Die Miete. Dazu gehören auch Kosten, die nur einmal im Jahr anfallen, also zum Beispiel manche Versicherungsbeiträge, deren Höhe Du dann auf den Monat umrechnest.
Und nach Abschluss aller Fixkosten hättest Du dann eben nur noch den entsprechenden Restbetrag für alle variablen Kosten wie zum Beispiel Urlaub zur Verfügung.
Wie auch beim klassischen Haushaltsplan ist es beim Reverse Budgeting wichtig, dass man einen ausreichenden Puffer vorhält.
Dem Sparen wird Priorität eingeräumt und bei unerwarteten Ausgaben soll der Sparvorgang nicht unterbrochen werden. Deswegen ein Puffer oder auch Notgroschen wie in Folge 79 besprochen.
Zur Priorisierung gehört ebenfalls, dass der gesparte Betrag jeden Monat vom Konto sofort und idealerweise automatisch abgezweigt wird, zum Beispiel mit einem Dauerauftrag auf ein Tagesgeldkonto oder in Dein Depot bzw. Einen Sparplan. Auch dies unterscheidet sich nicht wirklich vom klassischen Budgetieren.
Und zur Einordnung: Der umgekehrte Haushaltsplan wird von manchen für meinen Geschmack etwas zu euphorisch verteidigt. Effektiv zu haushalten und das Einhalten des selbst auferlegten Budgets kann trotzdem eine Herausforderung sein. Auch beim vermeintlich leicht anzuwendenden umgekehrten Haushaltsplan sollte man genau überlegen, welchen Betrag man wofür braucht.
Anders ausgedrückt: So sehr unterscheidet sich der umgekehrte Haushaltsplan gar nicht vom klassischen Budgetieren. Es ist streng genommen nur ein anderer Ausgangspunkt, eine andere Denkweise und eine Verschiebung der Prioritäten hin zur monatlichen Sparrate.
Vielleicht führt dieser Ansatz jedoch auch zu einer etwas kritischeren Betrachtung der eigenen Ausgaben. Vielleicht kommst Du zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass Du irgendwo noch weitere 30 Euro einsparen musst und dann prüfst, ob Dir dies eher beim Topf für Restaurantbesuche oder dem für Kleidung oder dem für den Urlaub möglich ist.
Und durch die Priorisierung werden wir vermutlich auch bessere Ergebnisse erzielen. Die meisten Menschen denken zunächst daran, wie sie wohnen möchten, welches Auto sie fahren, welche Klamotten es sein sollen und wie der eigene Lebensstil insgesamt aussehen soll. Erst dann verschwenden sie überhaupt einen Gedanken an eine mögliche monatliche Sparrate.
Vermutlich ist das genau ein Grund, warum viele an der Aufgabe scheitern, einen soliden Haushaltsplan durchzuführen und auch zu leben.
Das ist kein Appell dazu, wie man es tun sollte oder was richtig ist. Finanzielle Ziele als auch was man mit seinem Geld so macht, das ist zutiefst individuell. Aber wenn ich wirklich ein Vermögen aufbauen will, dann tut es schon gut, wenn ich die Weichen dahingehend stelle, dass das Sparen und Investieren priorisiert angegangen wird und dass ich den Weg diszipliniert beschreite.
Und die meisten Menschen sind wohl eher nicht so diszipliniert und detailverliebt, als dass sie ihr Budget minutiös befolgen und nachverfolgen. Entsprechend kann der umgekehrte Haushaltsplan hilfreich sein, um die Prioritäten entsprechend zu setzen.
Damit kommen wir zu der Frage:
Welche Nachteile hat der umgekehrte Haushaltsplan, das Reverse Budgeting bzw. Was kann man auch kritisch betrachten?
Einen wirklichen Kritikpunkt habe ich beim umgekehrten Haushaltsplan nicht.
Du solltest Deine tatsächlichen Ausgaben und Dein Ausgabenverhalten gut verstehen. Du hast jeden Monat Zahlungsverpflichtungen, die es einzuhalten gilt und Du willst ja auch noch leben.
Vielleicht stellst Du fest, dass Du bei der Definition Deiner Sparrate etwas zu ambitioniert warst und dass der Spielraum auf Ausgabenseite doch etwas eng ist. Dann kann es durchaus sinnvoll sein, dass Du die Sparrate etwas nach unten anpasst. Das ist kein Beinbruch. Du solltest nur sicherzustellen, dass Du Dein Budget auch wirklich nachhaltig einhältst, dass Du die Dir auferlegte Sparrate durchhälst und dass Du Dir im Regelfall keine Ausnahmen von der Sparrate genehmigst.
Umgekehrt gilt, dass Du den Plan auch nach oben anpassen kannst und die Sparrate erhöhst, wenn es Dir möglich ist. Da können selbst kleine Beträge über eine lange Zeit ordentlich ins Gewicht fallen. Auch wenn Du meinst, eine gute Sparrate definiert zu haben, lohnt es sich, das regelmäßig zu überprüfen, zu optimieren, die Sparrate vielleicht noch ein bisschen zu erhöhen.
Und das unterstreicht einen Vorteil des umgekehrten Haushaltsplans, nämlich Flexibilität.Die Flexibilität, Dein Budget und entsprechend Deine Sparrate Deinen finanziellen Zielen und auch Möglichkeiten anzupassen, die eigene finanzielle Situation zu verbessern und diszipliniert auf die eigenen finanziellen Ziele hinzuarbeiten.
Das Titelbild ist im österreichischen Bundesland Salzburg entstanden.