Der innere Kompass

Was ist der innere Kompass? 

In Ausgabe 25 Jeder spielt sein eigenes Spiel sprach ich darüber, dass uns der übermäßige Vergleich mit anderen Menschen schaden kann. Zum Beispiel weil er Neid oder andere negative Emotionen erzeugen kann.

Daran schließt sich die Frage, wie man dem vorbeugen kann und das wird in dieser Ausgabe vertieft. Ich werde mich damit beschäftigen, was Erfolg eigentlich ist und wie das Prinzip des inneren Kompass Dir dabei helfen kann, dem Hamsterrad aus Neid und einer kaum zu erreichenden Zufriedenheit zu entkommen.

Hier geht es zum Podcast:

Wir verspüren ein tiefes Bedürfnis nach Anerkennung oder auch nach Bewunderung durch unsere Mitmenschen.

Reichtum und Erfolg, besondere geistige oder körperliche Fähigkeiten, das eigene Aussehen. Für solche Dinge Anerkennung zu bekommen, das tut gut. Das bestätigt einen und streichelt das Ego. 

Der Wunsch nach Anerkennung kann ein innerer Antrieb sein, für berufliches Engagement oder für sportliche Leistungen. Und das ist ja auch legitim. Wenn da nicht der ewige Vergleich mit anderen Menschen wäre. Der kann problematisch sein. 

Im Film Lammbock gibt es das Bild des “kleinen Ich-bin-nie-zufrieden-Mannes”. “Der wohnt in deinem Kopf, weil du nie zufrieden bist mit dem, was du hast oder machst.” Demnach können wir niemals den Zustand der Zufriedenheit erreichen.

Egal wie intelligent, klug, gutaussehend oder erfolgreich man ist: es gibt immer jemanden, der einen übertrifft.

Der Autor Morgan Housel sagt dazu, dass wenn man seine Karriere oder sein Vermögen ausschließlich im Verhältnis zu anderen misst, dann befindet man sich auf dem unendlichen Weg, sich unzulänglich, inkompetent und arm zu fühlen. Und es kann ebenso sein, dass wir einen unrealistischen Vergleich ziehen. 

Wenn wir uns mit jemand anderem vergleichen, dann steht die Person, mit der Du Dich vergleichst, in dieser Sache vermutlich ziemlich gut da. Wir hingegen sind vielleicht nur Durchschnitt. Also haben wir kaum eine Chance, mit unserem Gegenüber gleichzuziehen.

Der äußere Kompass

Der Wunsch nach Anerkennung und Bewunderung, der Vergleich mit anderen, die Definition der eigenen Wertigkeit über Statussymbole und über Insignien von Reichtum oder Macht, die ebenfalls auf Anerkennung durch Dritte abzielen, all diese Dinge sind wie ein äußerer Kompass.

Und wenn wir nach einem äußeren Kompass leben und handeln, also wenn der äußere Kompass der Gradmesser für unser Wohlbefinden ist, dann machen wir uns Gedanken darüber, wie die Welt uns sieht und über uns denkt. 

Wie wir im Vergleich zu anderen wahrgenommen werden und wie wir ihnen gegenüber abschneiden.

Und das kann dazu führen, dass wir uns selbst vergessen. Also, dass wir unsere Werte zugunsten der Bestätigung Dritter kompromittieren. Das wiederum kann zu inneren Konflikten und zu kognitiver Dissonanz führen, über die ich in Folge 27 gesprochen habe.

Dem gegenüber steht unser innerer Kompass.

Der beschreibt unsere Werte, Interessen und Vorlieben und den Maßstab, den wir an uns und an unser Verhalten legen. 

Mit Blick auf den Besitz materieller Dinge steht der innere Kompass eher für Genügsamkeit. Das sind dann Fragen wie: Welche Dinge benötige ich wirklich und welche Dinge machen mich wirklich glücklich?

Warren Buffett nutzt im Zusammenhang des inneren und äußeren Kompass den Begriff der inneren und äußeren Scorecard. 

Und er meint, dass das Verhalten von Menschen dadurch getrieben ist, ob sie eine innere oder eine äußere Scorecard haben, wobei es hilfreich ist, wenn man mit einer inneren Scorecard zufrieden ist. 

Mit einem inneren Kompass bzw. einer inneren Scorecard stellt man sich ebenfalls die Frage, wie gut man in einer Sache abschneiden möchte. 

Der Maßstab ist aber nicht die Meinung anderer. Den Maßstab legt man selbst fest, nach dem, was man selbst als wichtig erachtet. Das schützt einerseits vor Gefühlen wie Neid. Es hilft gleichzeitig, die eigenen Grenzen zu erkennen. 

Dann mag die eigene Performance, der finanzielle Erfolg im Vergleich zu anderen gering sein, man ist aber mit sich selbst im Reinen. 

Der innere Kompass als Maßstab kann auch davor bewahren, sich finanziell zu übernehmen. 

Durch zu ambitionierte Ziele, die sich am Erfolg anderer Menschen orientieren. Indem sich finanziell übernimmt, sei es mit einem zu teuren Auto oder einer zu luxuriösen Immobilie. Oder weil man durch zu risikoreiche Finanzgeschäfte Verluste einfährt. 

Es gibt immer wieder Fälle von auch sehr gut verdienenen und wohlhabenden Menschen, die sich durch einen übersteigerten Lebensstil überschulden oder viel Geld durch riskante Finanztransaktionen verlieren.

Vielleicht ist auch das tatsächliche Ergebnis eher zweitrangig und der eigene Fokus liegt eher auf dem Prozess. Also: habe ich im Rahmen meiner Möglichkeiten, angesichts meiner persönlichen Umstände mein Bestes gegeben bzw. Bin ich meinem Anspruch an mich selbst treu geblieben und wo kann ich mich noch verbessern?

Nach dieser Lesart ist Erfolg absolut relativ. 

Für einen schwerreichen Menschen mag eine jährliche Rendite von zum Beispiel 50.000 € ein Klacks sein. Für die meisten Menschen wäre das mit Blick auf den durchschnittlichen deutschen Bruttomonatslohn in Höhe von ca. 4.000 € der Gegenwert eines Jahresgehalts, also echt viel Geld.

Diesen Blick kann man aber nur haben, wenn man sich auf den inneren Kompass konzentriert. Dann zieht man nicht den Vergleich zu schwerreichen Menschen. Sondern man sieht, wie weit man überhaupt gekommen ist und was man seit dem Start erreicht hat. 

Natürlich wäre es eine tolle Sache, so viel finanziellen Erfolg wie jemand anders zu haben. Aber wenn der Versuch auf das gleiche Ergebnis zu kommen bedeutet, dass ich meine Prinzipien über Bord werfe oder dass ich waghalsige Geschäfte eingehe und nachts nicht ordentlich schlafen kann, wobei ich eigentlich ein finanzielles Sicherheitsbedürfnis habe, dann ist mir damit nicht geholfen. 

Weil das ist das Trügerische am äußeren Kompass: Die nicht so schönen, die harten und schmerzhaften Seiten des Lebens und des Erfolgs, die sehen wir nicht, Stichwort Folge 30 über Survivorship Bias.

Und selbst wenn ich es im äußeren Vergleich in einer Disziplin bis ganz an die Spitze schaffe, dann wäre die Bewunderung durch andere Menschen nur ein schwacher Trost, wenn ich unglücklich wäre oder meinen Werten und Überzeugungen nicht treu geblieben wäre. 

Das meint nicht, dass einem die Meinung anderer nicht interessieren sollte. 

Aber am Ende des Tages ist es hilfreich, mit sich selbst im Reinen sein, sich selbst und die eigenen Entscheidungen zu respektieren. 

Die Fokussierung darauf, dass mich andere für meinen zur Schau gestellten Erfolg respektieren, sollte für mich nachrangig sein. 

Nachhaltige Zufriedenheit erhalte ich eher dadurch, dass ich geschätzt werde, zum Beispiel für meine Kompetenz oder für meine freundliche und tolerante Art. 

Ein schönes Beispiel für diese Haltung ist der Physiker Richard Feynman. Er hat für seine Arbeiten den Nobelpreis verliehen bekommen und somit nach äußeren Kriterien als Wissenschaftler alles erreicht. 

Doch das interessierte ihn nicht wirklich. Er wollte immer nur seine innere Neugier befriedigen. Und einer seiner Leitsätze war: “What do you care, what other people think?” Zu Deutsch: „Was kümmert es dich, was andere Leute denken?“.

Also obwohl er nach äußeren Maßstäben äußerst erfolgreich war, sein Denken, sein Verhalten und die Frage was ihn zufrieden macht, richtete er nach seinem inneren Kompass aus. 

Wie kann man sich auf den inneren Kompass besinnen und den falschen Verheißungen des äußeren Kompass begegnen?

Es gibt leider keinen allgemeingültigen Trick, um vom äußeren auf den inneren Kompass umzuschalten. Du solltest für dich beantworten, was dich wirklich motiviert, was dich wirklich glücklich macht und was dich antreibt. 

Es geht um Selbstreflexion. 

Eventuell erstellst du eine Liste mit dem, was dich in deinem Leben zufrieden sein lässt oder du führst eine Art Tagebuch, in dem du festhältst, was dich am jeweiligen Tag konkret zufrieden gemacht hat und warum gerade das.

Für mich und für diesen Podcast bedeutet innerer Kompass bspw.: Es bereitet mir Freude, mein Finanzwissen mit anderen zu teilen und daran zu arbeiten, komplexe Finanzthemen möglichst verständlich darzustellen. Und ich möchte Menschen dabei unterstützen, besser finanzielle Entscheidungen zu treffen. 

Das ist der Grundpfeiler, mein Wert. 

Ein äußerer Kompass wären Klickzahlen, also die Frage: wie viele Menschen hören sich den Podcast an? Das ist mir auch nicht unwichtig. Aber wenn das für mich der Gradmesser wäre, dann könnte ich der Versuchung erliegen, die Inhalte so aufzubereiten, dass sie mehr Klicks bringen, was zulasten der Seriosität gehen und somit von meiner Überzeugung abweichen könnte. Nur um diesen äußeren Kompass zu bedienen. 

Ich glaube, ein wesentliches Problem besteht darin, dass wir seit Kindesbeinen auf einen äußeren Kompass gedrillt werden.

In der Schule zählt weniger, dass man wie Richard Feynman intrinsisch motiviert lernt, dass man Dinge wirklich versteht und praktisch anwenden kann, also dass man durch das Lernen wächst.

Was zählt sind Prüfungsergebnisse und Zeugnisse, also externe Leistungsbewertungen, wobei natürlich auch immer der Vergleich zu den Mitschülern gezogen wird. 

Du kannst das ja mal für Dich hinterfragen: Wie hast Du Deine eigene Erziehung in Familie und Schule erlebt? Wieso bist Du so geworden, wie Du bist? Hattest Du Leistungsdruck? Wie und wodurch hast Du Anerkennung erfahren? 

Viele Menschen haben gelernt, sozialen Status und Anerkennung durch teure Anschaffungen zu erhalten. Mein Haus, mein Auto, mein Boot. Glück, Sinnhaftigkeit oder persönlicher Fortschritt sind oft nicht der Gradmesser für Erfolg. 

Wir messen uns an Maßstäben, die andere festlegen. Und wir verpassen es, unsere eigenen Maßstäbe zu definieren.

Doch selbst wenn man nach diesen Maßstäben gut performt, bringt das vielfach nicht die erhoffte Zufriedenheit.

Gerade das Beispiel Auto zeigt eindrucksvoll, wie trügerisch der äußere Kompass sein kann. Nehmen wir an, Du hast einen schicken Sportwagen. Vielleicht ist Dir das wichtig. Vielleicht magst Du tolle Autos. Alles ok.

Ich würde aber kein teures Auto fahren, um anderen zu gefallen oder um sie zu beeindrucken. Hast du dir jemals beim Anblick eines tollen Autos gedacht: Wow, der Fahrer dieses schicken Sportwagens, das ist eine coole Sau. 

Hast Du vermutlich nicht. Du hast maximal das Auto bewundert. 

Es gibt den Spruch:

We buy things we don’t need with money we don’t have to impress people we don’t like.

Oder zu Deutsch:

Wir kaufen Dinge, die wir nicht brauchen, mit Geld, das wir nicht haben, um Leute zu beeindrucken, die wir nicht mögen.

Das trifft es finde ich ganz gut.

Finanzieller oder beruflicher Erfolg, ein großes Vermögen sind ja keine Dinge, für die man sich schämen muss. 

Manchen sind Erfolg und Reichtum in den Schoss gefallen. Die haben eben Glück gehabt und taugen nur bedingt als Vorbild, um ihnen nachzueifern. 

Mit Blick auf andere erfolgreiche Menschen kannst Du Dir Folge 25 vergegenwärtigen: Jeder spielt sein eigenes Spiel.

Jemand mag beruflich erfolgreich sein. Vielleicht ist er oder sie sehr intelligent. Vielleicht war er oder sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Vielleicht arbeitet diese Person aber auch 80 Stunden die Woche und fokussiert sich voll auf die eigene Karriere. Das mag für manche genau richtig sein. Für andere ist das ein Albtraum. 

Nochmal Morgan Housel. Der sagt: 

Die einzige Möglichkeit, konsequent das zu tun, was man will, wann man will, mit wem man will und so lange man will, besteht darin, sich von den Maßstäben anderer Menschen zu lösen und alles einfach danach zu beurteilen, ob man glücklich und erfüllt ist, was wiederum von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist.

Wenn Du Deinem inneren Kompass folgst, dann hast Du Deine Werte, Ziele und Interessen identifiziert. Dann kannst Du ihnen entsprechend planen, handeln und entscheiden. 

Das gilt für berufliche wie finanzielle Entscheidungen und da schließt sich der Kreis zu Folge 1 über die ersten Schritte der GeldanlageDie Beschäftigung mit finanziellen Fragen ist auch eine Selbsterfahrung. Du musst Dich mit Dir selbst beschäftigen, mit Deiner Lebenssituation und mit Deinen Erwartungen an die Zukunft.

Mit einem inneren Kompass kannst Du einen Fahrplan für Deinen finanziellen Weg entwickeln. Und erst der innere Kompass ermöglicht Dir Unabhängigkeit in Deinem Denken und Handeln.

Ein innerer Kompass gibt Dir Orientierung. Er gibt Dir Kriterien anhand derer Du bestimmen kannst, ob eine Entscheidung mit Dir und Deinen Überzeugungen übereinstimmt.

PS: Das Titelbild ist in New York entstanden.

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