Confirmation Bias – die unsichtbare Falle beim Investieren

Geld Podcast

Nachdem die letzte Ausgabe kognitive Dissonanz im Spannungsfeld unserer Entscheidungen als Verbraucher behandelte, geht es heute um kognitive Dissonanz beim Investieren, der Geldanlage und dem Vermögensaufbau sowie das psychologische Phänomen der Confirmation Bias.

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Was ist kognitive Dissonanz?

Kognitive Dissonanz beschreibt ein Gefühl, das auftreten kann, wenn wir mit Informationen konfrontiert werden, die im Widerspruch zu unseren Meinungen und Überzeugungen oder auch zu einer früheren Entscheidung stehen. Dieses Gefühl möchten wir auflösen. Wir möchten nicht im Widerspruch zu früheren Entscheidungen oder Meinungen agieren.

Es gilt das Selbstbild zu bewahren. Im Kontext der Geldanlage ist mein Selbstbild: Ich bin ein guter Anleger, ich treffe rationale Entscheidungen und ich handle klug. 

Das steht im Widerspruch mit Erkenntnissen, wie: “Da habe ich ganz schön Mist gebaut” oder “da habe ich die Situation nicht verstanden oder falsch eingeschätzt”.

Und wenn ein solcher Widerspruch auftritt, dann werden Informationen vielleicht ausgeblendet oder ignoriert. Um nicht einzugestehen, dass eine frühere Entscheidung schlecht war. Oder es wird mit dem Zufall argumentiert. “Es konnte ja keiner ahnen, dass XY passiert”. 

Wenn Informationen ausgeblendet oder Fakten verkannt werden, dann kann das zu schlechten Investitionsentscheidungen führen. 

Wir nehmen uns die Chance, aus Fehlern zu lernen.Und das ist ein Problem. Denn ein zentraler Aspekt des erfolgreichen Investierens ist es, aus Fehlern zu lernen. 

Doch wenn ich nicht akzeptiere, dass eine Entscheidung schlecht war. Wenn ich Ereignisse fälschlich dem Zufall zuschreibe, um die Qualität meiner Entscheidung nicht zu hinterfragen. Dann werde ich Fehler nicht erkennen, nicht aus ihnen lernen und sie womöglich in Zukunft wiederholen. 

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie sich kognitive Dissonanz bei Investoren äußert bzw. in welchen Situationen Anleger kognitive Dissonanz erleben.

Ein Beispiel ist das Festhalten an verlustreichen Anlagen, über die ich bereits in Ausgabe 2 Wenn die Börsen beben gesprochen habe. 

Anleger können eine emotionale Bindung zu einem Wertpapier haben, weswegen sie vor dem Verkauf zurückschrecken. Oder weil sie vermeiden wollen, sich selbst eine falsche Kaufentscheidung einzugestehen.

Oft werden auch die Vergangenheit und Entscheidungen in der Vergangenheit rationalisiert. Also man sucht nach Informationen, die die ursprüngliche Investitionsthese bestätigen, oder die vermuten lassen, dass sich die Aktie irgendwann erholen wird. Das kann zu Entscheidungen führen, die nicht mit der eigenen Anlagestrategie oder Risikotoleranz übereinstimmen.

Stell Dir vor, Du möchtest eine Aktie kaufen, deren Kurs gerade bei 50 € steht. 

Du sagst Dir: Wenn der Kurs bei nur noch 45 € liegt, dann schlage ich zu. Am nächsten Tag geht der Kurs von 50 € auf 48 € runter. Die Richtung stimmt also. Das lässt Dich hoffen, dass der Kurs bald die gewünschten 45 € erreicht. Doch plötzlich steigt die Nachfrage nach der Aktie und der Kurs klettert auf 55 €. Der plötzliche Kursanstieg auf 55 € suggeriert, dass der Aktienkurs bereits bei 48 € attraktiv war. Demnach war Dein Nicht-Kaufen eine falsche Entscheidung. Du ärgerst Dich, ob der verpassten Gelegenheit.

Nun kann es sein, dass Du bei 55 € kaufst, um Dein Unbehagen zu lindern und vielleicht auch aus Angst etwas zu verpassen. Und um den Kauf zu diesem deutlich höheren Preis, als Du es Dir zuvor vorgenommen hast, zu rechtfertigen, wirst Du wahrscheinlich den Kaufpreis von 55 € rationalisieren. Um Deinen inneren Konflikt aufzulösen und Dein Verhalten vor Dir selbst zu rechtfertigen. Du wolltest ursprünglich für 45 € kaufen. Aber wenn die Aktie nun zu 55 € gehandelt wird, dann sagst Du Dir vielleicht, dass andere Anleger auch bereit sind, diesen höheren Preis zu zahlen. 

Diese Argumentation ist unsinnig. Falls die Aktie nur bei 45 € ein guter Kauf ist, dann ist sie bei 55 € kein guter Kauf. Und wenn Du den höheren Preis mit der Zahlungsbereitschaft anderer rationalisierst, dann ist das irrational.

An der Börse kann es unbequeme Wahrheiten geben, die zu kognitiver Dissonanz führen können.

Angenommen, Du bist der festen Überzeugung, dass wir uns in einem Bullenmarkt befinden, also dass sich der Aktienmarkt in einem Aufwärtstrend befindet. Doch tatsächlich schwächeln die Börsen. Vielleicht weil eine Rezession herrscht. 

Oder Du bist der Meinung, dass die Aktie eines Unternehmens so richtig abgehen wird, weil das Unternehmen an einem ganz großen Ding dran ist. Doch tatsächlich verheißen die Geschäftszahlen nichts Gutes. 

Du wirst also mit Informationen konfrontiert, die deiner Überzeugung zuwiderlaufen. Dann kann es sein, dass Du diese unbequeme Wahrheit nicht anerkennen möchtest. Und es kann passieren, dass Du Deine Meinung erst änderst, wenn sie durch wirklich nichts mehr zu rechtfertigen ist. 

Confirmation Bias oder auch Bestätigungsfehler

Bis es soweit ist, dass Du Deine Meinung änderst, lässt Du Beweise und Argumente, die nicht Deiner Meinung entsprechen, an Dir abprallen. Dann kann es zu selektiver Wahrnehmung kommen, sogenannter Confirmation Bias oder zu Deutsch Bestätigungsfehler. 

Das meint, dass Du Informationen und Fakten nicht unvoreingenommen verarbeitest. Du suchst nach Informationen, die Deine Sicht der Dinge bestätigen. Und Informationen, die Deinen Meinungen und Überzeugungen nicht entsprechen, die wischst Du beiseite. 

Vielleicht tust Du sie als irrelevant ab. Vielleicht versuchst Du sie zu entkräften. Oder Du ignorierst sie komplett.

Confirmation Bias lässt sich in vielen Situationen beobachten, zum Beispiel bei politischen Streitpunkten. 

Dann sehen Befürworter der einen Seite nur die Argumente, die ihre Sicht und ihr Interesse positiv bestätigen. Und bei der anderen Seite sehen sie nur die negativen Aspekte. Das trägt auch dazu bei, dass politische Debatten besonders hitzig geführt werden und sie sogar Freunde oder Familien entzweien können. 

Der Psychologe und Psychiater Drew Westen hat das untersucht. Und zwar hat er die Gehirnströme von Probanden überwacht, während diese Informationen über politische Gegner verarbeiten sollten.

Dabei zeigte sich, dass wenn sie Informationen erhielten, die ihrer eigenen politischen Überzeugung widersprachen, dann schalteten sich die logischen Bereiche des Gehirns regelrecht ab. Im Gegenzug wurden die emotionalen Bereiche des Gehirns aktiviert, wenn sie Informationen erhielten, die ihrer politischen Haltung entsprachen. Solche Studien unterstreichen, wie schwierig es für uns ist, unsere Meinung zu ändern, wenn sie einmal feststeht. 

Durch Confirmation Bias halten wir an Überzeugen fest und gegenläufige Beweise lassen wir nicht zu. 

Das lässt sich bei großen politischen Streitfragen wie zum Klimawandel oder während der Corona-Pandemie beobachten, betrifft aber ebenfalls Überzeugungen, die man als Investorin bzw. als Investor hat. 

Falsche Rationalisierungen führen dazu, dass die eigene Wahrnehmung immer mehr verzerrt wird und der Weg zurück, aus dem Tunnel, in den man sich manövriert hat, wird immer schwieriger.

Und Confirmation Bias führt dazu, dass Nachrichten, die man sehen will, gesucht werden und Nachrichten, die man nicht sehen will, ignoriert werden. 

Confirmation Bias und der Semmelweis-Reflex.

Der Semmelweis-Reflex beschreibt die Tendenz, neue Beweise oder neues Wissen abzulehnen, wenn sie den bestehenden Überzeugungen widersprechen. 

Ignaz Semmelweis war ein ungarischer Arzt, der im 19. Jahrhundert in Wien praktizierte. Und er fand heraus, dass die Sterblichkeitsrate bei gebärenden Frauen um das Zehnfache sank, wenn sich die Ärzte zwischen den Patienten und nach Autopsien die Hände mit einer Chlorlösung wuschen. 

Doch diese Erkenntnis wurde von der Ärzteschaft abgelehnt und als “spekulativer Unfug” abgetan. Auch hier ist ein Grund kognitive Dissonanz. Denn diese Erkenntnis würde ja bedeuten, dass die Ärzte durch hygienische Nachlässigkeit eine direkte Verantwortung für den Tod der ihnen anvertrauten Patienten haben könnten. Infolgedessen starben viele Tausende von Frauen noch viele Jahre lang unnötig. 

Was kannst Du tun, um kognitiver Dissonanz und Confirmation Bias bei Deinen Geldentscheidungen zu begegnen?

In ihrem Buch “Mistakes were made but not by me” empfehlen die Sozialpsychologen Tavris und Arronson, dass wir unsere Handlungen eher leidenschaftslos betrachten sollten. So als wenn wir jemand anderes beobachten.

Dann haben wir eine Chance, unser Verhalten zu verändern und aus dem toxischen Kreislauf von Handlung, gefolgt von Selbstrechtfertigung, gefolgt von noch engagierterem Handeln, auszubrechen. Wir einen Abstand zu unseren Gefühlen und zu unseren Reaktionen. Und wir können hinterfragen, ob der Kauf einer bestimmten Aktie wirklich gut war bzw. ob das aus heutiger Sicht immer noch eine gute Entscheidung wäre. Ob wir an unserer Meinung festhalten, das Wertpapier halten bzw. Noch weiter hinzukaufen. Oder ob wir die vielleicht neuen Fakten anerkennen und uns eingestehen, dass es an der Zeit ist, nun wirklich zu verkaufen und dem schlechten Geld kein gutes Geld hinterher zu werfen. 

Wenn du Gefahr läufst, deinen Blick durch Confirmation Bias zu verengen, dann kannst Du versuchen, dich aktiv für weitere Argumente zu öffnen.

Stell dir vor, du wirst mit einem Argument konfrontiert, dass deiner Überzeugung widerspricht. Und weil es deiner Überzeugung widerspricht oder weil es von einer Quelle kommt, die du grundsätzlich für kritisch hältst, vielleicht weil sie dir an anderer Stelle widersprochen hat, dann könntest du das Argument per se kritisch sehen. Aus Prinzip.

Dann könntest Du dir die Frage stellen: Wie würde ich mit dem Argument umgehen, wenn es mich in meiner Auffassung bestätigen würde? 

Du kannst auch eine alternative Investment-These aufstellen und dann nach Argumenten für und gegen sie suchen. Also wenn Du zum Beispiel der Meinung bist, dass die Produkte eines Unternehmens in einer alternden Gesellschaft gefragt sein werden, könntest Du die These aufstellen, dass technologische Entwicklungen die Lösungen des Unternehmens obsolet machen.

Eine weitere Möglichkeit ist, dass Du bewusst Personen und Nachrichtenquellen mit anderen Meinungen aufsuchst, Du Dich sozusagen dazu zwingst, Dich mit ihrer Argumentation auseinanderzusetzen. 

Das kann abseits des Investierens ebenfalls eine wertvolle Übung bei der politischen und gesellschaftlichen Meinungsbildung sein: Deutschland hat eine pluralistische Medienlandschaft. Doch die meisten von uns werden vornehmlich diejenigen Medien konsumieren, die ihren eigenen Überzeugungen entsprechen, die sie also in ihrem Weltbild bestätigen. Das ist angenehm. Da setzt man sich eher wenig Widersprüchen aus und wird darin bestätigt, dass man mit seiner Sicht der Dinge schon ziemlich richtig liegt. Doch eigentlich sollte man es genau andersrum machen und die eigene Blase bewusst verlassen. Doch das ist halt anstrengend. 

Im Kern geht es bei kognitiver Dissonanz um ein psychologisches Hindernis, nämlich um den Glauben, dass Fehler ein Beweis für Inkompetenz und Dummheit sind. 

Wenn Fehler dich in deiner Überzeugung als inkompetent erscheinen lassen, dann wirst Du Fehler nicht von deiner Identität und deinem Selbstwertgefühl trennen können. Wir sagen gerne, dass man aus Fehlern lernen muss. Aber insgeheim glauben wir nicht daran, dass Fehler ok sind. 

Auch wenn es schwer fällt, sich das einzugestehen: Fehler gehören zum Investieren dazu.

Wenn ich als kluger und grundsätzlich rational handelnder Mensch einen Fehler begehe, dann bleibe ich ein kluger und grundsätzlich rational handelnder Mensch. Ein Fehler bleibt ein Fehler. Ein Fehler passiert und das muss nicht an meinem Selbstbild rütteln. Wenn ich den Fehler identifiziere, dann kann ich konstruktiv damit umgehen und daraus lernen. 

Man kann es auch mit Thomas Edison halten. Der forschte jahrelang an der Glühbirne, bis er endlich den Durchbruch erzielte. Und auf seine zahlreichen missglückten Versuche angesprochen, soll er gesagt haben: 

Ich habe nicht versagt. Ich habe nur 10.000 Wege gefunden, die nicht funktionieren.

Nach der Lesart sollten Du Fehler nicht als persönliches Versagen werten. Als Dinge, die es zu leugnen oder zu rechtfertigen gilt. Sondern als unvermeidlichen Aspekt des Lebens, der uns dabei hilft, unsere Arbeit zu verbessern, bessere Entscheidungen zu treffen und zu wachsen.

PS: Das Titelbild ist in Brandenburg entstanden.

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